Das Interview
Tilman Weber
Am mächtigsten ist Ihre Partei in Baden-Württemberg. Dort stellen Sie den Ministerpräsidenten mit Winfried Kretschmann. Wie andere Ministerpräsidenten könnte er ankündigen, aus der umstrittenen Einführung eines bundesweiten 1.000-Meter-Banns für Windkraft um Siedlungen auszuscheren. Warum macht er es nicht?
Oliver Krischer: Da müsste sein Koalitionspartner, die CDU, mitspielen. Und das ist ja auch das problematische. Die Grünen sind überall in Koalitionen. Und wenn der Koalitionspartner nicht will, fehlt eine aktive Mehrheit für ein Opt-Out. Das Problem mit der Windenergie ist aber ja, dass wir gerade in Baden-Württemberg auch noch andere Probleme bei ihrem Ausbau haben. Es braucht am Ende ein ganzes Potpourri von Maßnahmen, damit die Windenergie wieder durchstartet.
Was wäre denn für Sie die vordringlichste Maßnahme, um schnell die Windbranche aus der Krise zu retten und mehr Pleiten sowie weiteren Arbeitsplatzabbau in der Branche zu verhindern?
Oliver Krischer: Ganz wichtig ist jetzt, dass wir schnell an Projekte kommen, schnell an Flächen für neue Windparks. Was zudem sehr kurzfristig gehen wird, ist die Reduzierung der 15-Kilometer-Radien, die es heute um Radaranlagen gibt. Die Windbranche selbst wie auch die Bundesregierung bestätigen, dass hier insgesamt vier Gigawatt schon projektierte Erzeugungsleistung blockiert sind. Den 15-Kilometer-Radius wegzunehmen ….
… und ihn durch einen Zehn-Kilometer-Radius zu ersetzen …
Oliver Krischer: … würde schon eine ganze Menge an Aufträgen und Projekten bringen. Ich plädiere aber eher für einen Radius von 3 km, wie in Spanien.
Was halten Sie von schlankeren Genehmigungsverfahren? Was davon, dass es wie vom Bundeswirtschaftsministerium in Aussicht gestellt beim Naturschutz weniger langwierige juristische Hängepartien durch Klagen geben darf, dass wuchernde Naturschutzregelungen in Genehmigungsverfahren zurückgeschnitten werden sollen?
Oliver Krischer: Das Repowering muss ganz klar vereinfacht werden. Eine erneute komplette Artenschutzprüfung halte ich hier für nicht hilfreich, das würde mehr als zwei Jahre in der Planung sparen und einen schnellen Schub bei den Bestellungen auslösen. Zum Naturschutz: Ich glaube wir brauchen an der Stelle tatsächlich eine bundeseinheitliche Regelung, weil es vielerorts große Verunsicherung gibt: Niemand weiß genau, was wann gilt. Niemand weiß, wann Behörden entscheiden oder auch nicht entscheiden wollen, weil sie Klagen fürchten. Man wird ja mit weniger Klagemöglichkeiten nicht gleich den Rechtsstaat abschaffen, was sonst tatsächlich auch die Akzeptanz gefährden würde. Doch alle in der Windkraft tätigen Akteure müssen sich im Arten- und Naturschutz orientieren können, woran es bisher mangelt. In Ländern und teilweise auch in Landkreisen völlig unterschiedliche Einschätzungen machen das Geschäft ja gerade so schwierig.
Sollte nicht endlich definiert werden, wie eine für die Windkraft sinnvolle Handhabung des Tötungsverbots im Naturschutz aussieht? Ließe sich klarstellen, dass Windparkplanungen nur bei Gefährdung von Populationen unzulässig sind – und wie dies festzustellen ist?
Oliver Krischer: Das ist eine Frage, die aus dem europäischen Recht resultiert. In der Tat kann man sehr trefflich diskutieren, ob es eigentlich wie oft bei deutschen Windparkprojekten sein darf, dass die Flugtier-Population zunimmt – und es zum Schutz dieser Tiere dennoch zu Einschränkungen der Windparkpläne kommt. Vielleicht muss man hier Ausnahmeregelungen zulassen. Aber diese Frage muss am Ende auf europäischer Ebene entschieden werden. Da würde ich vor der Illusion warnen, dass schnelle Lösungen möglich sind. Deshalb würde ich eher einen pragmatischen Ansatz wählen: Die Branchen sollten sich mit den Verbänden zusammensetzen, was in manchen Regionen zu manchen Themen ja auch schon passiert. Bei Vögeln wie dem Rotmilan, die oft für Auseinandersetzungen von Projektierern und Naturschützern verantwortlich sind, gibt es wichtigere Bedrohungen wie den Straßenverkehr. Wir müssten im Dialog klären, welche Naturschutzmaßnahmen wirklich den Arten helfen, und wo die Windenergie eigentlich gar nicht die wirkliche Bedrohung ist.
Schmerzt es Sie als Grünen-Politiker persönlich, dass ausgerechnet im Land des einzigen grünen Ministerpräsidenten, in Baden-Württemberg, der Windkraft-Ausbau ganz zum Stillstand gekommen ist?
Oliver Krischer: Mein Eindruck ist, dass Ministerpräsident Kretschmann und Energieminister Untersteller …
… ebenfalls ein Parteifreund …
Oliver Krischer: ... am allermeisten darunter leiden. Und sie kritisieren, dass nicht mehr in Baden-Württemberg passiert. Ein Grund dafür ist aber in den 2017 eingeführten Ausschreibungen zu suchen, weil baden-württembergische Standorte nicht mit windreicheren Standorten anderswo in Deutschland konkurrieren können. Deshalb braucht es ja Regionalisierungsquoten in den Ausschreibungen.
Sie wünschen sich eine Regionalisierungsquote in Ausschreibungen, um Süd-Bundesländern wie Baden-Württemberg im Wettbewerb mit windreicheren Standortregionen wieder zu Zuschlägen zu verhelfen. Aber ganz ehrlich: Auch baden-württembergische Standorte würden in Ausschreibungen derzeit punkten, weil Windparkprojektierer kaum noch Gebote einreichen. Der Unterzeichnung wegen gewinnt das zulässige Höchstgebot von 6,2 Cent pro Kilowattstunde immer …
Oliver Krischer: Damit kommen die in Baden-Württemberg offensichtlich weiterhin nicht mit klar. Der Unterschied zwischen einem Schwarzwaldstandort und dem Platz für ein Windrad auf oder an einem Deich wird bestenfalls nur in Ansätzen in den Vergütungszuschlägen abgebildet. Und dann sind viele Projekte durch Klagen lahm gelegt worden.
Aber wäre es dann mit einer solchen Quote getan? Oder muss man zum Schutz der Windkraft im Ländle eine Alternative zu Ausschreibungen schaffen?
Oliver Krischer: Ich könnte mir vorstellen, die im EU-Recht ja ausdrücklich vorgesehene De-Minimis-Regelung anzuwenden, hier kann man bis zu sechs Anlagen von den Ausschreibungen ausnehmen lassen (3MW pro Anlage). Und das entspräche dann schon der Dimension eines größeren Windparks in Baden-Württemberg.
Wie optimistisch sind Sie, dass es nun schnell geht – egal, ob die sogenannte Groko-Koalition aus den Unionsparteien CDU/CSU und SPD nach der jüngsten Wahl zweier für mehr Klimaschutz eintretenden SPD-Vorsitzenden bestehen bleibt, oder ob die von vielen erwartete gemeinsame Regierung von Union und Bündnis 90/Die Grünen kommt?
Oliver Krischer: Meine Partei würde in verschiedenen Konstellationen gerne vernünftige Energiepolitik machen. Wenn ich mir die jetzige Energiepolitik angucke, dann können Neuwahlen oder eine neue Regierung es besser machen. Aber wir haben das nicht in der Hand. Wahrscheinlich hat die große Koalition nicht mal mehr die Kraft zum Scheitern, so dass wir die nächste reguläre Bundestagswahl im Jahr 2021 erleben werden.
Teil 1 des Interviews
Das Interview fand Ende November in Bad Driburg am Rande der jährlichen Veranstaltung Windenergietage NRW im nordrhein-westfälischen Bad Driburg statt, die der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) organisiert.
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