Die neue Landesregierung des CDU-Ministerpräsidenten Henrik Wüst und seiner Stellvertreterin Mona Neubar von der mit der CDU koalierenden Umwelt- und Energiewendepartei Bündnis 90/Die Grünen habe auch nach 141 Tagen im Amt von „den vielen angekündigten Initiativen für einen forcierten Windenergieausbau bis heute keine einzige umgesetzt“. Das monierte der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) von Nordrhein-Westfalen – Kurzform: NRW – am Donnerstagmittag auf der Konferenz Windenergietage NRW im ostwestfälischen Bad Driburg. Die erste gemäß den Parteifarben schwarz-grüne NRW-Landesregierung müsse nun „zügig die angekündigten Initiativen zum landesweiten Windkraftausbau“ anpacken, forderte LEE-NRW-Geschäftsführer Christian Mildenberger.
Der Erneuerbaren-Landesverband zählte dazu eine Reihe konkreter Maßnahmen auf: So müsse die Landespolitik nun die Nutzung der von Trockenheit und Schädlingsbefall zerstörten Nutzwaldareale ermöglichen. Insbesondere für den Austausch alter gegen neue leistungsstärkere Windenergieanlagen durch Repowering müsse sie die Vorgabe eines 1.000-Meter-Mindestabstand zu Siedlungen aufheben. Außerdem müsse Schwarz-Grün den NRW-Artenschutz-Leitfaden zur Vermeidung von Vogelopfern durch Windparkrotoren an die neuesten windkraftfreundlicheren Vorgaben im entsprechenden Bundesgesetz anpassen – und schneller neue Windenergienutzungsflächen ausweisen.
Besonders die Ausweisung der Nutzungsflächen entscheidet darüber, wie viel Raum die Windparkprojektierer einer Region beplanen. Aktuell sind die bundesweiten staatlichen Ausschreibungen der Vergütungsrechte für neue Windparks regelmäßig deutlich im zweistelligen Prozentbereich unterzeichnet, weil die Projektierer derzeit nicht genügend Projekte anbieten.
Der LEE NRW verwies auf das demnächst in Kraft tretende Gesetz der Bundesregierung, das den Bundesländern die Ausweisung von künftig zwei Prozent der bundesweiten Landesfläche für die Windkraftnutzung vorschreibt. Das sogenannte Windenergie-an-Land-Gesetz enthält auch einen Zeitplan. Dieser gibt vor, dass die Bundesländer die Hälfte der mit individuellen Quoten für sie vorgeschriebenen Flächenausweisung bis Ende 2027 erreicht haben müssen. Ende 2032 müssen sie dann zusammen auf die vollen zwei Prozent an der Fläche Deutschlands kommen. Kritiker aus der Windenergiebranche halten den Fahrplan im Windenergie-an-Land-Gesetz allerdings für zu wenig anspruchsvoll. Denn die Ankunftszeiten seien zu spät, um die Energie- und insbesondere auch Klimaschutzziele zu erreichen. Das Energieministerium in Düsseldorf unter Führung der Grünenpolitikerin Neubaur allerdings habe zuletzt sich wenig ehrgeizig gezeigt, den Fahrplan übertreffen zu wollen. Es habe „wiederholt darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Änderungen für den Landesentwicklungsplan im Mai 2024 vorliegen werden“. Dies entspreche aber nur der Frist, die das Bundesgesetz allen Bundesländern einräume, kritisierte LEE NRW. Die Vorlage des Landesentwicklungsplanes ist die Voraussetzung dafür, dass die regionalen Planungsverbände die entscheidenden Regionalpläne mit den neuen Windkraftflächen schreiben können.
Zusätzlich veröffentlichte der LEE NRW in Bad Driburg auch den Entwurf für einen neuen Absatz im Baugesetzbuch des Bundeslandes für die Erleichterung des Repowerings, den die Branchenvertreter gleich selbst geschrieben haben. Der aus nur einem Satz und 28 Wörtern bestehende neue vierte Absatz in Paragraf 2 des NRW-Baugesetzbuches soll den 1.000-Meter-Mindestabstand für das Repowering schon kurzfristig abschaffen lassen. Demnach sei die landesweite 1.000-Meter-Vorgabe „nicht anzuwenden auf Vorhaben, die der Definition des Repowering von Windenergieanlagen im Sinne von § 16b Abs. 1 und Abs. 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes entsprechen.“
Dass der Windkraftausbau im Bundesland auch weit hinter dem im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigten Tempo zurückbleibt, verdeutlichen die von LEE NRW in Bad Driburg vorgelegten jüngsten Zahlen. Der Verband zitierte aus einer Datenauswertung der Berliner Fachagentur Windenergie an Land. Ihr zufolge stellten die Projektierer von Januar bis Mitte November gerade einmal 59 neue Anlagen mit einer Erzeugungskapazität von 315 Megawatt (MW) im Bundesland netto hinzu – also nach Abzug abgebauter alter Anlagen. So kurz vor Jahresende erscheint damit die landespolitische Richtgeschwindigkeit für den Windparkausbau in diesem Jahr nicht einmal annähernd mehr erreichbar. Denn die Landesregierung will binnen fünf Jahren „1.000 zusätzliche Windenergieanlagen“ und damit mindestens rund 5.000 MW in ihrer fünfjährigen Legislaturperiode errichtet sehen. Der deshalb benötigte Windkraftzubau von 200 Anlagen pro Jahr, umgerechnet 1.000 MW, sei keineswegs zu anspruchsvoll, deutete der Verband an. Im bisherigen Rekordinstallationsjahr 2017 habe die Branche schließlich schon fast 900 MW in einem Jahr installiert, dies allerdings ohne Abzug abgebauter Anlagen gerechnet.
An den Windenergietagen NRW in Bad Driburg nehmen am Donnerstag und Freitag gemäß Angaben des Veranstalters rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie rund 40 ausstellende Unternehmen und Organisationen teil.