Eigentlich will die niedersächsische Landesregierung keine Windräder in den Waldgebieten des Landes haben. Dennoch plant sie nun, ihren Bau ab 2012 unter Auflagen zuzulassen. Das sieht der Entwurf einer Novelle des Landesraumordnungsprogramms (LROP) vor, der ERNEUERBARE ENERGIEN in Auszügen vorliegt. „Damit soll das bislang bestehende Denkverbot für Windenergieanlagen in Wäldern aufgehoben werden“, sagt Inka Burow, Sprecherin des Umweltministeriums. Wegen des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien aufgrund des deutschen Atomausstiegs solle eine Planung grundsätzlich möglich sein. Einzig bewaldete Mittelgebirge wie der Harz sollen laut Landwirtschaftsministerium davon komplett ausgenommen bleiben. Rund 23 Prozent Niedersachsens sind Waldflächen, bundesweit sind es gut 30 Prozent.
Zwei strikte Einschränkungen
Allerdings knüpft die Landesregierung den Bau an zwei grundlegende Voraussetzungen. Flächen innerhalb des Waldes sollen für Windenergienutzung nur genutzt werden können, wenn keine Flächen im Offenland mehr zur Verfügung stehen und wenn „es sich um mit technischen Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen handelt“, heißt es im Entwurf. Begründet wird dies mit der „hohen Bedeutung der Wälder für das Klima, für Natur und Landschaft, für die Grundwasserbildung sowie für die ruhige Erholung.“ Demzufolge soll der Windenergieausbau laut dem von Burow skizzierten Landeswillen ohnehin in erster Linie offshore, also auf See erfolgen. Daneben favorisiere die Landesregierung vor allem das Repowering und – wenn notwendig – den Neubau auf unbebauten Flächen. Erst danach würde über Anlagen nahe an bebauten oder bewaldeten Flächen beziehungsweise in Wäldern nachgedacht. Bei den vorbelasteten Flächen gehe es um „Flächen mit Altlasten, ehemalige Truppenübungsplätze, Waldflächen mit großflächigem Schädlingsbefall oder nach Windbruch und Monokulturen“.
Der Bundesverband Windenergie (BWE) sieht die Auflagen kritisch. „Mit der Entwurfsklausel können wir nicht leben, denn die Hürden wären dadurch zu hoch“, sagt Bernd Meyer, Mitglied im Landesvorstand des BWE-Landesverbands Niedersachsen / Bremen. Der BWE sei der Ansicht, dass Wald grundsätzlich für die Installation von Windrädern geöffnet werden solle, weil dadurch mehr Flächen nutzbar wären. Zudem bedeute das eine Förderung regionaler Wirtschaft, weil Waldbesitzer durch Pachteinnahmen ein zusätzliches Standbein bekämen. „Außerdem können beispielsweise vorhandene Waldschäden durch diese Einnahmen schneller beseitigt werden.“ Um den Wald beim Bau der Anlagen so wenig wie möglich zu belasten, sollen so weit wie möglich vorhandene Wege genutzt und gegebenenfalls ausgebaut werden. Zudem hielte sich bei einer Einzelblattmontage der Rotoren auch die zur Installation benötigte Fläche in vertretbaren Grenzen, sagt Meyer.
Einigkeit im Landtag
In einem fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag hat der Landtag in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause die niedersächsische Landesregierung gebeten, den Status als Windland Nummer 1 vornehmlich mit Repowering zu sichern. Daneben soll eine Bereitstellung von Waldflächen für Windkraftanlagen in der regionalen Raumplanung nur dann zugelassen werden, „wenn weitere Flächenpotenziale weder für neue Vorrang- noch Eignungsgebiete im Offenland zur Verfügung stehen und es sich um mit technischen Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen handelt.“ Die Fraktionen folgen damit praktisch wörtlich dem LROP-Novellenentwurf. Die niedersächsischen Grünen stehen nach Aussage ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Sprechers für Landwirtschaft und Naturschutz, Christian Meyer, ebenfalls hinter diesem Beschluss.
Waldbesitzerverband: Forst-Windparks optisch von Vorteil
Dabei steht der Waldbesitzerverband dem Bau von Windanlagen in Wäldern offen gegenüber. So sagt der Verbandvorsitzende Norbert Leben, es gebe dafür viele geeignete Standorte auch in Niedersachsen. Der Windkraft und den regionalen öffentlichen Flächennutzungsplanern biete sich hier die Chance, die optische Wahrnehmung der Anlagen im Land abzuschwächen. Bei der Planung von Windenergieanlagen im Wald sollten jedoch vorbelastete Flächen zumindest bevorzugt berücksichtigt werden. Starke Kritik an den Plänen der Landesregierung kommt vom Harzklub, dem mit rund 14.000 Mitgliedern größten Heimat- und Naturschutzverband des Harzes. Er lehnt Windparks in Wäldern strikt ab.
Umweltschutzverbände in Deutschland äußern sich zum Bau von Windparks in Wäldern bislang verhalten, aber aufgeschlossen. Noch nicht eindeutig positioniert hat sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Es müsse bei der Installation von Windrädern immer eine Einzelfallprüfung geben, sagt der Anti-Atomkraft-Campaigner Tobias Riedel. Das gelte in besonderem Maße für die Errichtung in Wäldern. Angesichts des hohen Stellenwerts der Windenergie für den Klimaschutz fordert der Deutsche Naturschutzring (DNR), den Bau von Windkraftanlagen in bestimmten, intensiv genutzten Wirtschaftswäldern mit einer geringen ökologischen Bedeutung in Erwägung zu ziehen. Bisher stehen nach Angaben der Naturschützer mehr als 100 Windkraftanlagen in deutschen Wäldern, vor allem im Siegerland, im Rothaargebirge und in Rheinland-Pfalz. Aufgrund ihrer Nabenhöhen von 139 Metern böten die Windturbinen im Wald keine besonderen Risiken für Vögel oder waldbewohnende beziehungsweise -nutzende Fledermausarten, sagt DNR-Projektleiter Günter Ratzbor.
(Andreas Haude)