„Wir haben in Deutschland rund eine Million Denkmäler“, sagt Thorsten Fritsch, Fachgebietsleiter Umweltrecht beim BDEW. Viele davon seien Baudenkmäler, viele stünden in Städten, was wenig problematisch sei. Aber in ländlichen Regionen komme es immer wieder zu Konflikten zwischen Windenergieplanung und Denkmalschutz. Doch warum kocht das Problem gerade jetzt auf? Warum treibt es die Windbranche gerade jetzt um, wo die neue Regierung im Oster- und Sommerpaket für das EEG 2023 eine deutliche Erhöhung der Ausbauziele und auch der Ausschreibungsvolumina festgeschrieben hat? Fritsch vermutet: „Der Ausbau der Windenergie erfordert die Suche nach Flächen.“ Probleme mit dem Denkmalschutz hätten derweil auch Solarplaner und sogar die Planer von Ladesäulen für die E-Mobilität. Konfliktpotenzial ergebe sich daraus, dass wir in Deutschland unklare Kriterien für den Umgang mit Windenergie und Denkmalschutz haben. „Genehmigungsbehörden sind auf sich allein gestellt“, so Fritsch.
Es beginnt mit der Frage: Was ist ein Denkmal? Diese Frage sei stark von Landesämtern geprägt, so der BDEW-Mann. Bei der Suche nach Flächen für die Windkraft müsse schon geschaut werden, ob sich Konflikte mit dem Denkmalschutz ergeben. Entsprechende Anträge müssten dann bei den Behörden eingereicht werden. Worum geht es bei dem Konflikt? Eine Windenergieanlage beeinträchtigt nicht direkt das denkmalgeschützte Bauwerk. Das ist beim Konflikt der Solarenergie mit dem Denkmalschutz anders, weil es oft um entsprechend geschützte Gebäudedächer geht. In der Windkraft geht es um Denkmalschutz „im Abstand. Die Frage der Sichtbeziehung spielt hier eine Rolle“, erklärt Fritsch.
Jetzt ist zwar gerade gesetzlich der Vorrang der erneuerbaren Energien im EEG verankert worden, doch da die Länder hier die Entscheidungshoheit haben, kommt diese Betonung des Vorrangs nicht zum Tragen. „In der Summe ist jede einzelne Anlage wichtig“, betont Fritsch. Der Denkmalschutz sage oftmals: Diese eine Anlage macht den Kohl nicht fett. Doch die Masse der Urteile macht den Kohl fett. Zudem betont die Bundesregierung: Jede Kilowattstunde zählt. „Wir finden, dass der Vorrang auch im Denkmalschutz zum Tragen kommen muss.“
Fritsch nennt Bayern hier als vorbildliches Bundesland – ausnahmsweise einmal. Dort sei man mit folgender Regelung auf einem guten Weg: Dort wird die Frage zwischen Denkmal und Windkraft nicht mehr geprüft – es sei denn, das Denkmal ist landschaftlich prägend. Dafür gibt es wiederum eine Liste mit rund 100 landschaftlich prägenden Denkmälern. „Damit werden den Behörden Probleme abgenommen“, fasst Fritsche zusammen. Dort müssen also nicht länger überforderte Behördenmitarbeiten die Entscheidung treffen, ob ein Windpark nahe einem Denkmal entstehen darf. Der Blick auf die Liste reicht aus, um zu wissen, was zu tun ist. Der Verbandsvertreter würde sich wünschen, dass die Regelung von weiteren Bundesländern übernommen würde – und wahrscheinlich würde auch der eine oder andere Behördenmitarbeiter erleichtert sein. Aber eine Zustimmung aller Länder zum Beispiel im Bundesrat hält er für unwahrscheinlich. Eher müsse wohl Bundeswirtschaftsminister Habeck bei dem Thema den Ländern gut zureden.
Lothar Schulze , Vorsitzender des Vorstands Wirtschaftsverband Windkraftwerke (WVW) weist zunächst darauf hin, dass die Windenergie nicht so vom Fleck komme, wie sie muss. „Auch mit der neuen Regierung nicht, Genehmigungen stagnieren auf einem ernüchternden Niveau. Im Koalitionsvertrag hat man sich vorgenommen, sämtliche Hürden aus dem Weg zu räumen. Verfolgt wird dieses Ziel nicht konsequent genug.“ Er nennt das Beispiel Drehfunkfeuer: Ein „Kann“, aber kein „Muss“ bei der Genehmigung von Windkraftanlagen sei nicht ausreichend. Die Flächenausweisungen seien zudem mit zu langen Frist versehen: „So viel Zeit haben wir nicht mehr. Wir sehen die ersten Schritte in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht genug.“ Beim Thema Denkmalschutz erklärt er, das sei ein Thema, wo Planer still leiden und Projekte sterben. „Wir nehmen zunehmend wahr, dass das Thema relevanter wird.“ Er verweist auf enorme Ausschreibungsvolumina von 12.800 MW 2023 und danach je 10.000 MW. Doch wenn Genehmigungen wegen Verhinderung fehlen, können solche Zahlen nicht erreicht werden. Der WVW kommt nach eingehender Prüfung der Fakten nur auf 76.000 MW kumulierte Windleistung für das Jahr 2030, 35 Prozent weniger als die Bundesregierung vorsieht. Der BWE hat ermittelt, dass mindestens 1 GW Windleistung derzeit nicht umgesetzt werden kann wegen Denkmalschutz.
Schulze berichtet, Niedersachsen sei den Weg gegangen, den Vorrang der Windenergie in Fachgesetzen festzuschreiben, um die Windenergie gegenüber dem Denkmalschutz zu stärken. Das sei etwas schwammiger, Bayerns Weg sei konkreter.
Sebastian Haase vom BWE Landesverband Berlin Brandenburg, erinnert an Kanzler Scholz` Worte, Genehmigungen müssten in sechs Monaten kommen, nicht innerhalb von sechs Jahren. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke habe sein Herz für Windenergie gerade entdeckt. „Er sieht den Bedarf für einen Windausbau in Brandenburg“, so Haase. Das Thema Denkmalschutz sei 2021 aufgepoppt. „Auf einmal machte die Thematik Probleme: Daraufhin ist ein Aufgabenpapier des Landes Brandenburg entstanden mit Kriterien, wie man Denkmalschutz in Brandenburg zu beachten hat.“ Und zwar in drei Stufen. Die Sichtbarkeit ist dabei schonmal ein großes Problem. 14.000 Denkmäler, auch Gartendenkmäler, wo nicht der Ist-Zustand zählt (oft verfallen), sondern ein Idealzustand (, den es in den seltensten Fällen je geben wird). Frustriert räumt Haase ein: „Am Denkmalschützer in der Behörde beißt man sich schon mal die Zähne aus.“
Nadine Haase, Kommunikationsleiterin bei Enertrag, zeigt am Beispiel eines Hügelgrabs bei Tantow, Uckermark, wie ihr Unternehmen das Thema Denkmalschutz erlebt hat (siehe Foto oben): „Eine von drei geplanten Windkraftanlagen liegt im Umgebungsschutz eines Hügelgrabes, das deren Bau verhindert.“ Die dortige Denkmalschutzbehörde sagte, auch die Umgebung stehe unter Schutz, ein Acker. Das Hügelgrab ist nicht einmal als ein solches gekennzeichnet – und mitten auf dem Hügelgrab steht ein Hochsitz.
Nikolai Brombach, Geschäftsführer von BS Windertrag, gibt ein anderes Beispiel. In Mecklenburg-Vorpommern sei man seit zwei Jahren verstärkt mit dem Thema Denkmalschutz konfrontiert. „Früher war das kein Problem, weil man sagte, dass eine Windenergieanlage in 20 Jahren wieder zurück gebaut wird, aber alte, denkmalgeschützte Gutshäuser für die Ewigkeit seien. Plötzlich ist es schon ein Problem.“ Für den Windpark Behrenhoff mit 14 Anlagen gab es keine Genehmigung. Problem war hier die Sichtbeziehung zur Altstadtsilhouette von Greifswald. Eine kaum sichtbare Silhouette. „Die Behörden schieben die Verantwortung von sich. Der Vorrang müsste sich stattdessen durchsetzen. Es müsste wie in Bayern ein Weg gefunden werden, dass überragend wichtige Denkmälern gekennzeichnet werden.“
Michael Herr von der Firma Juwi zeigt eine Sichtachse auf eine Stadtkirche in Oederan, Landkreis Mittelsachsen, Sachsen. Man sieht die Kirche eigentlich nicht, zumal auch ein Hochspannungsmast im Vordergrund steht. Trotzdem verhindert sie einen Windpark. WPD hat das Beispiel eines verfallenen Gutshauses in Damitzow, Landkreis Uckermark, das zuletzt als Konsum-Markt in der DDR genutzt wurde und seither verfällt. Seit 2,5 Jahren habe es Gespräche gegeben, aber die Denkmalschützer haben keine Kompromissbereitschaft gezeigt. Sie waren nicht bereit im Sinne des Klimaschutzes abzuwägen. (nw)