Herr De Baar, erhoffen Sie aus dem Firmenkauf nun einen wichtigen Schub für Vestas Central Europe, also für das Vestas-Geschäft im zentraleuropäischen Markt mit Deutschland im Zentrum?
Nils de Baar: Natürlich ist die Marktposition von Availon als größter unabhängiger Service-Anbieter in Deutschland wichtig für Vestas Central Europe. Aber ich möchte unterstreichen: Wir haben darüber hinaus auch ein globales Interesse an dem Kauf. Die Übernahme Availons unterstützt unsere Strategie, unser Servicegeschäft zu erweitern und profitabel zu wachsen. Availon ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Regionen Europas und in den USA stark. Die Übernahme dient somit sowohl dem Wachstum unseres Geschäftsvolumens als auch der Erweiterung unserer Fähigkeiten. Aber an erster Stelle, steht für beide Unternehmen der Kundennutzen. Gemeinsam können wir nun unseren Kunden ein breiteres und noch flexibleres, herstellerübergreifendes Serviceangebot bieten.
Die Frage ist: Wird der Deal den ohnehin gewaltig boomenden Verkauf der Vestas-Turbinen zusätzlich befeuern – weil guter Service ja auch ein Verkaufsargument ist?
Nils de Baar: Er wird dem Verkauf in keinster Weise schaden. Unsere Wachstumsstrategie steht aber auf zwei Säulen. Die eine ist der Anlagenbau. Die andere ist der Service – und hier ist Availon wichtig, um auch Service für unterschiedliche Anlagenmarken anbieten zu können. So sind wir der führende flottenweite und technologieübergreifende Servicepartner für unsere Kunden auf der ganzen Welt.
Also um für Ihre oft sehr großen oder langjährigen Kunden ein Komplettversorger zu werden, die auch Windparks verschiedener Hersteller betreiben. Stärkt der Deal auch Ihre technischen Fähigkeiten?
Ulrich Schomakers: Wir sind technisch sehr stark aufgestellt, haben unsere Techniker mit entsprechenden Fähigkeiten geschult, und mit unserem Wissen auch eine eigene Anlagendokumentation, eine Systematik für die Schadensbeurteilung, Handbücher und Leitfäden für die einzelnen Turbinentechnologien entwickelt. Weiterhin können wir zur Anlagenoptimierung eigene technologische Upgrades entwickeln und anbieten. Mit unserem Anlagenportfolio Gamesa, GE und Vestas decken wir mehr als die Hälfte der global installierten Windenergie-Flotte ab. Availon setzt sich auch mit neuen Turbinenentwicklungen bei GE und Gamesa auseinander. Aber dort, wo Availon im Moment noch durch seine begrenzten Mittel nicht schnell genug voran käme – etwa in der Ermittlung der detaillierten Lastdaten für die einzelnen Anlagenkomponenten, da bringt uns nun Vestas mit detailliertem Ingenieurswissen und globaler Reichweite sowie Erfahrung voran.
Warum macht es für Availon nicht Sinn, als ISP weiter zu bestehen, Herr Schomakers?
Ulrich Schomakers: Unser Bestreben lag immer darin, Availon für eine weltweite Reichweite besser zu stärken und schnelleres Wachstum zu ermöglichen. Und weil der globale Windenergiemarkt einschließlich der installierten Kapazitäten so rapide wächst, können wir gemeinsam besser agieren. Unser Hauptziel ist es, wettbewerbsfähiger zu werden, die Kosten weiter zu senken, die Turbineninstandhaltung weiter zu verbessern. Unter dem Firmendach von Vestas können wir nun Synergien im Ersatzteilkauf ausschöpfen. Zudem hat Vestas gute Lösungen und Prozesse im Service entwickelt; genau wie wir. Und wenn wir unsere Anstrengungen nun kombinieren, nehmen wir im Markt eine starke Position ein, die der Wettbewerb nur schwer wird angreifen können. Und mit Vestas, das ist mein persönliches Anliegen, kann ich Availon jetzt auf die nächste Ebene bringen, um gemeinsam die Nummer eins als weltweiter Serviceanbieter zu sein. Vestas hat hierfür wirklich eine Schlüsselstrategie.
Werden sie der Chef bei Availon bleiben?
Ulrich Schomakers: Ja. Die wollen mich gerne behalten.
Nils de Baar: Mit der Availon-Akquisition haben wir ja schließlich in die Kompetenz der Mitarbeiter und des Managements investiert.
Mr. De Baar, wie wird der Prozess der Integration Availons in den Vestas-Konzern in den nächsten Monaten ablaufen?
Nils de Baar: Zunächst muss ich betonen: Availon wird Availon bleiben, als 100-prozentige Tochter von Vestas. Zunächst müssen jetzt aber die zuständigen Wettbewerbsbehörden in Österreich und Deutschland in den nächsten vier bis sechs Wochen prüfen, ob sie der Übernahme zustimmen können. Danach wird Availon als unabhängige Marke weiter bestehen. Nach Zustimmung der Wettbewerbsbehörden werden wir weitere Schritte zur Integration von Availon einleiten – und davon berichten, wenn es soweit ist. Ansonsten gilt: Business as usual mit höchster Konzentration auf unsere Kunden und Projekte.
Ulrich Schomakers: Auch wir werden weitermachen wie bisher – mit klarem Fokus auf unsere Kunden und ihre Zufriedenheit. Darüber hinaus aber schauen wir, wo Vestas für dieses Geschäft künftig ein Hebel sein kann: In Bereichen, für die wir eine größere Organisation aufbauen müssten und damit Schwierigkeiten bekämen, können wir nun mit der vorhandenen Vestasstruktur effizienter vorankommen.
Nils de Baar: Unser mittelfristiges Ziel ist es vor allem, unser Servicebusiness in den nächsten Jahren um 30 Prozent zu steigern. Nachdem wir Ende vergangenen Jahres schon das auf dem US-Markt tätige Wartungsunternehmen Upwind akquiriert haben, ist unser primärer Fokus nun ein organisches Wachstum hin zu diesem Ziel. Unsere stabile finanzielle Basis liefert hier beste Voraussetzungen.
Das Gespräch führte Tilman Weber. Diese Online-Veröffentlichung ist ein Auszug aus dem Mitte Januar unmittelbar nach Bekanntgabe des Availon-Kaufs durch Vestas geführten Telefoninterview. Den anderen Teil finden Sie im aktuellen gedruckten Magazin ERNEUERBARE ENERGIEN 02/2016. Hier können Sie das Heft auch abonnieren – oder ein Probeheft beziehen!