Windkraft und Photovoltaik ergänzen sich beim Ertrag sehr gut. Für den Kenner der Ökostromtechnologien ist das ein alter Hut. Doch die Ergebnisse, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) jetzt vorgelegt hat, sollte auch den letzten Skeptiker überzeugen, dass die Erneuerbaren die Stromversorgung durchaus übernehmen können. Obwohl sie jeweils für sich betrachtet natürlich Lücken bei der Versorgung hinterlassen, sie die Sache im Zusammenspiel schon ganz anders aus.
Konkret hat der DWD untersucht, wie oft zwei Tage lang am Stück die jeweiligen Technologien pro Jahr unter 10 Prozent ihrer eigentlichen Leistung sinken. Würden ausschließlich Windkraftanlagen an Land den gesamten Bedarf abdecken, würden solche Ereignisse 23 mal in einem Jahr auftreten. Kommt noch die Windkraft auf hoher See mit ihren üppigen und vor allem stetigeren Erträgen hinzu, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass 48 Stunden lang hintereinander nicht genügend Strom produziert wird, auf 13 Fälle pro Jahr. Die Kombination von Windkraft auf Land und See mit Photovoltaik ergab im Mittel für Deutschland noch 2 solcher Fälle. „Durch den kombinierten Einsatz von Windkraft an Land und auf See, Photovoltaik und einen europäischen Stromverbund können die Risiken durch Windflauten und sonnenscheinarme Phasen deutlich reduziert werden“, betont Paul Becker, Vizepräsident des DWD. In dieser Kombination produzieren im Durchschnitt die gesamten Anlagen nur 0,2 Mal pro Jahr zwei Tage hintereinander nicht genügend Strom.
Die Kür steht noch aus
Damit wäre die Pflicht schon einmal geschafft. Naja, zumindest wenn die Erneuerbaren die alten fossilen Kraftwerke endlich abgelöst haben. Sicherlich ist hier noch der Ausbau von Speicherkapazitäten notwendig, um auch ein Netz zu haben, falls es doch einmal zur viel gefürchteten Dunkelflaute kommt. Doch wer jetzt immer noch glaubt, die erneuerbaren Energie könnten im Zusammenspiel nicht die Versorgung gewährleisten, nur weil sie vom Wetter abhängig sind, ist gewaltig auf dem Holzweg.
Sicherlich ist dies eine großräumige statistische Betrachtung und die Statistik kümmert sich nicht um den Einzelfall. Doch ist dies nicht als Plädoyer geeignet, Europa in eine Kupferplatte zu verwandeln. Im Gegenteil. Denn jetzt steht noch die Kür an und die muss vor der Pflicht mitgedacht werden. Denn Energiewende ist nicht nur Ökostrom statt Kohle- und Atomstrom. Ein zentrales Element ist hier die Dezentralität.
Konkurrenz zwischen Sonnen- und Windenergie verhindern
Leider geht der DWD in seiner Untersuchung nicht darauf ein, dass tatsächlich auch eine regionale Vollversorgung durch das Zusammenspiel von Photovoltaik, Windkraft und Speichern und einen ergänzenden, überregionalen Austausch möglich ist. Das jahrelange Ausbremsen eines solchen dezentralen und vor allem parallelen Ausbaus der verschiedenen Erzeugungstechnologien fällt den Stromkunden schon lange auf die Füße. Denn sie müssen die steigenden Netzstabilisierungskosten bezahlen, die anfallen, wenn Windstrom vor allem im Norden und die Photovoltaik vor allem im Süden ausgebaut wird und gleichzeitig die trägen Kohlekraftwerke ihren Strom auch noch ins Netz drücken.
Zwar könnte eine Verteilnetzkomponente, wie sie in das Design für die technologieoffenen Ausschreibungen integriert wurde, ein Weg sein, eine solche Schieflage auszugleichen. Denn sie soll verhindern, dass dort Windkraftwerke gebaut, wo schon viele Windkraftwerke stehen und Solaranlagen dort gebaut werden, wo schon viel Sonnenstrom produziert wird. Doch geht es hier wieder ausschließlich ums Verhindern – abgesehen davon, dass die Solar- gegen die Windenergie antreten muss, was ja der Idee eines parallelen Ausbaus widerspricht.
Es wird wärmer
Statt dessen wäre es dringend notwendig, einen Rahmen zu schaffen, einen wirklich parallelen Ausbau der Technologien zu stemmen. Hier geht es nicht um mehr Fördermittel, sondern um die Abschaffung solcher Regelungen, die Windkraft im Süden verhindern und den Ausbau der Photovoltaik im Norden nicht schnell genug vorantreiben. Zudem muss endlich ein Strommarktdesign geschaffen werden, das auf die Energiewende ausgerichtet ist und nicht wie bisher auf die starre zentrale Versorgung durch große fossile Kraftwerke. Da müssen alle Register gezogen werden. Das reicht von der Aktivierung flexibler Lasten über die Belohnung netzdienlichen Verhaltens bis hin zu flexiblen Strompreisen für die Kunden. Denn nur dann wird der Strom auch dann verbraucht, wenn er vorhanden ist. Restliche Überschüsse müssen eingespeichert werden. Da steht schon die nächste Baustelle. Denn die Betreiber von Speichersystemen müssen endlich die Möglichkeit haben, ihre Anlagen wirtschaftlich zu betreiben, statt sich in der Bürokratie zu verheddern.
Bei allem sollte sich die neue Regierung beeilen. Denn die Studie des DWD hat auch ergeben, dass es seit 1881 in Deutschland durchschnittlich um 1,4 Grad wärmer geworden ist. Ein Temperaturanstieg in ähnlichem Maße ist auch in ganz Europa zu beobachten. Das Jahr 2017 war seit Beginn der Aufzeichnungen das fünftwärmste Jahr. Zudem sei die steigende Zahl der extremen Wettererscheinungen zumindest ein Indiz dafür, dass diese bei steigenden Temperaturen weiter zunehmen werden. Wer davor die Augen verschließt, braucht sich über steigende Versicherungssummen und immense Schäden durch Sturm, Starkregen, Hagel und Trockenheit nicht zu wundern. (Sven Ullrich)