Tilman Weber
Zwei Monate führte die schwimmende Windkraftanlage im Modellmaßstab von eins zu zehn im Verhältnis zur geplanten vollwertigen 15-Megawatt-Zwillingsanlage nun in der Ostsee den Betrieb in Seewind und Meereswellen vor. Den Test an Ihrem Verankerungsort im Greifswalder Bodden habe die Kleinversion „erfolgreich bestanden“, teilten die Kooperationspartner Aerodyn Engineering und EnBW am Montag mit. Die Anlage mit zwei identischen und für jeweils etwa 7,5 MW Nennleistung konzipierten Windturbinen auf einem gemeinsamen Betonschwimmfundament habe Mitte Oktober als 1:10-Modell sogar einer Sturmflut ohne Verlust ihrer stabilen Lage im Wasser widerstanden.
Technologie hält bis zu 30 Meter Wellenhöhe stand.
Umgerechnet auf die geplanten zehnfachen Dimensionen lasse sich daraus eine Eignung der Nezzy² für Standorte ableiten, über die auch mal ein Hurrikan der Kategorie vier bis fünf mit einer dadurch verursachten Wellenhöhe von bis zu 30 Meter hinwegfegen könnte, erklärten die Projektpartner. „Wir konnten eineinhalb Tage beobachten, wie Nezzy² unter extremen Wetterbedingungen stabil im Wasser lag“, sagte Aerodyn-Geschäftsführer Sönke Siegfriedsen. Die Modell-Testphase auf See habe den Beweis erbracht, dass die Anlagenentwicklung technologisch nun reif für den Offshore-Test in Originalgröße sei.
Prototyp in Originalgröße soll spätestens Anfang 2022 starten
Die Anlage ist eine technologische Entwicklung zunächst durch den Rendsburger Ingenieurdienstleister. Seit Abschluss einer Partnerschaft mit dem baden-württembergischen Energiekonzern und Offshore-Windpark-Entwicklungsunternehmen EnBW im vergangenen Jahr entwickeln beide Unternehmen das technologisch bisher einzigartige Modell nun bis zur Markt- und Betriebsreife. Bereits im Sommer war das Modell in einem Baggersee bei Bremerhaven auf seine Wasserlage und auf die Fähigkeit zur Selbstausrichtung in den Wind getestet worden. Ende 2021 oder Anfang 2022 soll das Modell im Maßstab von eins zu eins als Pilotanlage in geplanter Originalgröße in China in den Testbetrieb starten.
Der Zwillings-Turbinen-Typ fußt mit beiden Türmen für die beiden Rotoren auf einer aus dem Wasser aufragenden Säule im Zentrum des Schwimmkörpers. Sie dient als gemeinsamer Fuß, von dem sich die Türme diagonal voneinander weg nach oben und zur Seite hin abspreizen. Eine Verspannung mit Drahtseilen hält die Turbinen dabei in ihrer Position. So sind sowohl die beiden Maschinenhäuser miteinander verspannt, als auch jedes Maschinenhaus per Drahtseil mit zwei von drei weiteren aus dem Wasser aufragenden Säulen an den äußeren Enden des Schwimmfundamentes. Diese Verankerungssäulen befinden sich an den drei äußeren Enden des Ypsilon-förmigen Schwimmkörpers. Als Besonderheit setzt Aerodyn zur Steuerung der Anlage auf eine Selbstausrichtung in den Wind: Die Luftströmung dreht hier das Turbinenpaar so zurecht, dass sie den Rotor optimal in den Wind hält.
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