Solar World will zum Jahresende etwa zehn Prozent seiner Mitarbeiter entlassen. Am härtesten trifft es den Produktionsstandort im sächsischen Freiberg. Dort soll fast jeder sechste Beschäftigte gehen. Als Grund nennt der Konzern hauptsächlich die Dumpingpreise chinesischer Hersteller. „Staatliche Exportsubventionen und Milliardenkredite führen dazu, dass die chinesische Industrie weit unter üblichen Preisen anbieten kann“, erklärt Konzernsprecher Milan Nitzschke. Er rechnet deshalb damit, dass mindestens 80 Prozent der deutschen Solarunternehmen dadurch „das Genick gebrochen wird“. Als weiteren Grund für die unpopuläre Entscheidung nennt Nitzschke den Einbruch der Nachfrage als Folge der Kürzungsbeschlüsse der Bundesregierung bei der Solarstromförderung. „Es ist natürlich bitter, wenn Menschen in unserem Konzern betroffen sind, aber nur so können wir dem Konkurrenzdruck begegnen", sagt er. „In dieser Situation leisten die deutschen Politiker einen Bärendienst, wenn sie die Spirale der Förderung von Einspeisevergütungen schneller nach unten schrauben. Das kratzt in Zeiten der angestrebten Energiewende zusätzlich am Image der Solarbranche.“
Noch vor einem Monat wettbewerbsfähig
Dabei hatte der Sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) noch vor knapp einem Monat Solar World als wettbewerbsfähig hingestellt. „Ich weiß, dass Solar World wesentlich besser aufgestellt ist als andere Branchenvertreter, die gerade in Schwierigkeiten sind“, sagte er Anfang Mai der Chemnitzer Freien Presse. Doch der Bonner Konzern hat im letzten Jahr eine ganz schlechte Bilanz hingelegt. Das Minus betrug fast 300 Millionen Euro, während man ein Jahr zuvor noch einen Gewinn von 80 Millionen Euro eingefahren hatte. Im ersten Quartal dieses Jahres lief es für Solar World auch nicht besser. Zwar konnte man den Absatz von Modulen und Bausätzen in den ersten drei Monaten des Jahres um 48 Prozent steigern und das größte Absatzwachstum erzielte man ausgerechnet in Deutschland. Das führt Solar World aber auf den kurzfristigen Vorzieheffekt zurück, der durch den Run auf Photovoltaikanlagen wegen der erwarteten frühzeitigen und hohen Förderkürzung einsetzte. Bei der Produktion in Deutschland, das wesentlich vom Wafergeschäft geprägt ist, weist der Bonner Konzern keine nennenswerten Absätze im ersten Quartal aus. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank der Gesamtabsatz von Wafern und Modulen von 185 auf 147 Megawatt. Das bedeutet einen Umsatzrückgang für alle Sparten des Konzerns um 26,8 Prozent von 233 auf 170,5 Millionen Euro. Wegen der sinkenden Preise für die Module erhöhte sich nicht nur die Materialaufwandsquote in der Produktion, sondern vor allem der Anteil der Personalkosten. Betrug der in den ersten drei Monaten des Jahres 2011 noch 11,6 Prozent, stieg sie im ersten Quartal dieses Jahres mit 22 Prozent auf fast das Doppelte.
Solar World zieht jetzt die Konsequenzen und vermindert das Personal vor allem in der defizitären Waferproduktion. Um 250 Beschäftigte will der Konzern seinen Mitarbeiterstamm in Freiberg abbauen. Betroffen sind vor allem Angestellte mit befristeten Arbeitsverträgen und die Hälfte der noch etwa 300 Leiharbeiter bei Solar World.
Wirkung von Strafzöllen umstritten
Gleichzeitig verstärkt Solar World seine Anstrengungen bei der Vorbereitung einer Antidumpingklage gegen chinesische Importe bei der Europäischen Union. Immerhin gebe es Richtlinien der Welthandelsorganisation. Man will so bald wie möglich nach Brüssel gehen. Nitzschke ist überzeugt, dass bei den Prüfungen illegale Praktiken der Chinesen nachgewiesen werden. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann Maßnahmen wie in den USA bereits praktizierte Antidumpingzölle über importierte Solarprodukte aus China greifen. Ob dem so ist, bleibt aber zumindest zweifelhaft. Immerhin haben sich die chinesischen Hersteller schon vorher auf die Einführung von Schutzzöllen eingestellt. „Da wir mit dieser Neuregelung gerechnet haben, bemühten wir uns in den letzten Monaten rasch und effektiv um neue Vertriebskanäle für Zellen und Module, um der Nachfrage unserer US-amerikanischen Kunden nachzukommen“ erklärt Peng Fang, Geschäftsführer von JA Solar. „Gleichzeitig sicherten wir die Qualität und sorgten für die erforderlichen Zertifizierungen. Daher wird der Großteil der Produkte, die wir seit Dezember 2011 in die USA geliefert haben, nach den aktuellen Richtlinien des Department of Commerce (US-Handelsministerium) nicht von den Schutzzöllen betroffen sein.“
Auch in Europa könnte die Einführung von Handelsschranken nach hinten losgehen. So warnt der ehemalige Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle Urlich Blum mit Blick auf Handelsbarrieren in der Solarwirtschaft: „Zölle geht nicht. Da bekommen wir große Probleme in der Handelspolitik. Dann exportiert umgekehrt unser Maschinenbau nicht mehr. Wir würden uns ins eigene Fleisch schneiden“. Auch der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag hält nichts von Strafzöllen. „Wer mit Strafzöllen eigene Handelshemmnisse aufbaut, muss sich nicht wundern, wenn dies dann erst recht als Grund für eigene Marktabschottung benutzt wird“, sagt er. „Eine Kooperation mit China ist viel erfolgversprechender als Handelskriege.“ (Sven Ullrich)