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Photovoltaik

Zolldebatte nimmt wieder Fahrt auf

Die Allianz für Bezahlbare Solarenergie (AFASE) wirft der Europäischen Kommission vor, mit der Einführung der Strafzölle gegen chinesische Modulimporte der Solarbranche in Europa schweren Schade zuzufügen. Zusätzlicher Kritikpunkt ist, dass das geschieht, ohne dass die Modulhersteller, die gegen Billigimporte aus dem Reich der Mitte geklagt haben, irgendwelche Vorteile aus der protektionistischen Maßnahme gezogen hätten. Um ihrer Kritik Ausdruck zu verleihen, sind Vertreter von 30 europäischen Photovoltaikunternehmen nach Brüssel zu einer Anhörung der Europäischen Kommission gereist. „Wir kommen nach Brüssel, um gegen die Fortsetzung dieser schädlichen und nachteiligen Zölle zu kämpfen“, betont Thorsten Preuschgas, Geschäftsführer von Soventix und AFASE-Vorstand. „Sie führen zu einem Marktrückgang und vernichten wertvolle Arbeitsplätze in ganz Europa. Aufgrund steigender Preise und einer signifikant sinkenden Nachfrage seit Einführung der vorläufigen Zölle mussten viele Unternehmen bereits Personal entlassen.“

Auswirkungen der Zölle sind zu spüren

Schon jetzt seien die Auswirkungen der Zölle in der Branche zu spüren. Schon erteilte Aufträge werden storniert und neue Aufträge in Europa seien rar, betonen die Zollgegner. „Die ganz große Mehrheit der Photovoltaikinstallateure in Europa kann die Schutzzölle nicht absorbieren – selbst auf dem aktuellen Niveau von 11,8 Prozent“, begründet Gieselaar, Geschäftsführer von Oskomera Power Solar Solutions im niederländischen Deurne, den Zusammenbruch der europäischen Märkte. „Denn die Unternehmen erreichen nur Nettogewinnmargen von deutlich unter zehn Prozent. Die Kommission hat alle ihre Einschätzungen basierend auf einer Stichprobe von nur sieben Unternehmen getroffen! Sie liegt deshalb auch falsch mit ihrer Aussage, Photovoltaikinstallateure könnten sich leicht andere Geschäftsfelder erschließen. Sie und Projektgesellschaften sind nicht in der Lage in völlig andere Tätigkeitsfelder, zum Beispiel die Windenergie, auszuweichen. Wir sind eine hoch professionelle und spezialisierte Branche. Unsere Mitarbeiter erhalten eine sehr spezifische Ausbildung und können nicht von einem Tag auf den anderen Tag ihr Betätigungsfeld wechseln“, sagt er mit Blick auf die Beschwichtigung der Kommission bei der Einführung der Zölle.

Erstes prominentes Opfer: Gehrlicher Solar

Als erstes prominentes Beispiel für die Probleme, die die Zölle verursachen, präsentieren sie die Insolvenz von Gehrlicher Solar. Der Systemanbieter im bayerischen Dornach bei München musste am 5. Juli dieses Jahres Insolvenz anmelden. Die Bayern begründeten ihren Gang zum Insolvenzgericht mit den steigenden Preisen für chinesische Solarmodule, die von Gehrlicher Solar vor allem in den großen Solarparks verbaut hat. Damit habe sich die Risikobewertung der kreditgebenden Banken verändert, die daraufhin einen erst kürzlich verlängerten Kreditvertrag gekündigt haben. Damit stand Gehrlicher Solar mit leerer Projektkasse da. „Das ist ein trauriges Abbild der verheerenden Auswirkungen von Strafzöllen auf die europäische Solarwirtschaft“, kommentiert Thorsten Preuschgas, Geschäftsführer von Soventix und Vorsitzender der AFASE. „Wenn die Europäische Kommission jetzt nicht schnell reagiert, werden weitere Solarunternehmen bankrott gehen oder gezwungen sein, ihre Aktivitäten nach außerhalb der EU zu verlagern, wie es beispielsweise Phoenix Solar bereits gemacht hat.“ Der Projektentwickler aus Sulzemoos hat seine gesamtes Deutschlandgeschäft aufgegeben und konzentriert sich in Zukunft auf die Märkte in den USA und Asien. Als Grund nennt das Unternehmen, dass aufgrund der drastisch sinkenden Nachfrage würde sich das nicht mehr rentieren. „Dadurch gehen dann weitere Arbeitsplätze in Europa verloren“, sagt Preuschgas. „Die Einführung von Anti-Dumping-Zöllen macht weder wirtschaftlich noch politisch Sinn zu einer Zeit, in der Solarenergie kurz vor der Wettbewerbsfähigkeit steht, wodurch viele neue 'grüne Jobs' in Europa entstehen werden.“

Wieder zu echtem Wettbewerb kommen

Die klagenden Modulhersteller unter dem Dach von EU Pro Sun argumentieren aber, dass der Rückgang der Nachfrage weniger eine Reaktion auf teurer werdende Solarmodule seien. Im Gegenteil: „Das ist nachweisbar falsch“, betont Milan Nitzschke, Präsident von EU Pro Sun. „Die Preise für chinesische Module liegen zurzeit auf dem gleichen Niveau wie vor Einführung der Zölle. Das ist ja Teil des Dramas. Die niedrigen Zölle sind ein Freibrief für weiteres Dumping. China verkauft immer noch weit unter den eigenen Herstellungskosten", sagt Nitzschke, der außerdem Sprecher von Solar World ist. Der Modulproduzent hatte die Einführung der Antidumpingzölle in Europa angestoßen. Außerdem habe auch die chinesische Handelskammer vermeldet, dass die bisherigen Zollsätze für chinesische Hersteller leicht wegzustecken seien, behaupten die Zollbefürworter. „Es wird Zeit, dass endlich ernsthafte Maßnahmen greifen, damit das zerstörerische Dumping aufhört", fordert Nitzschke. Die Kommission hat jetzt noch bis zum 6. August Zeit, zu einer einvernehmlichen Lösung mit den chinesischen Herstellern und der Regierung in Peking zu kommen. Sollten die Verhandlungen scheitern, werden nach Beschluss der Kommission der volle Zollsatz von durchschnittlich 47 Prozent gelten. Für EU Pro Sun ist das die einzige Möglichkeit, wieder zu echtem Wettbewerb zu kommen. „Es gibt keinen Wettbewerb und es gibt keinen freien Handel, solange Dumping zugelassen wird“, sagt Nitzschke. „Im Gegenteil, Dumping führt zu Monopolen – das ist verheerend für die gesamte Solarbranche."

Nachfragerückgang wegen Förderkürzung

Auch die Insolvenz von Gehrlicher Solar als Beispiel für die Vernichtung von Arbeitsplätzen in der EU aufgrund der Zölle hinzustellen, kritisiert Nitzschke heftig. „Damit sollen Politik und Solarinstallateure gezielt getäuscht werden“, sagt er. „Der europäische Solarmarkt ist seit 2011 um 50 Prozent eingebrochen, ohne Zölle und trotz Billigstpreisen aus China.“ Nitzschke führt den Rückgang der Nachfrage auf die Absenkung der Förderung in den wichtigsten europäischen Solarmärkten zurück. Die Dumpingpreise der chinesischen Hersteller und die daraufhin folgende Absenkung der Systempreise seien mitverantwortlich für diese Kürzungen bei der Photovoltaikförderung, sagt Nitzschke. Tatsächlich begründet unter anderem die Bundesregierung die Degression der Solarstromförderung mit den sinkenden Systempreisen, die nicht zuletzt ein Ergebnis sinkender Modulpreise sind. Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Denn weitere Gründe sind die Finanzkrise und das Spardiktat der Europäischen Union, die in den europäischen Staaten wütet und unter anderem in Spanien dazu geführt hat, dass die Regierung die Förderung ganz streicht. (Sven Ullrich)