Ende August meldete Dong Energy Vollzug: Das erste Jacket-Fundament mit in drei Spezialpodesten auslaufenden Füßen zum Ansaugen an den Meeresboden ist installiert. Dong brachte das neuartige Konstrukt im deutschen Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1 unter. Der angehende Nordsee-Windpark ist zum Zeitpunkt der Installation dieses Prototyps einstweilen nur eine Baustelle mit aus dem Wasser ragenden bereits fest installierten Monopiles gewesen – dem bisher am meisten verbreiteten Fundamenttyp für Offshore-Windturbinen. Die Turbinenerrichtung stand noch an. Die Monopiles sind relativ einfach zu transportierende und zu installierende Stahlsäulen von mal fünf, mal sechs Metern Durchmesser, die sich direkt in den Meeresboden rammen lassen. Bei den so genannten Jackets handelt es sich um Stahlrohrgitter-Konstruktionen ähnlich Strommasten, die im Vergleich zu Monopiles wesentlich weniger Stahl verbrauchen, allerdings bislang umständlich und zeitäufwändig mit zusätzlichen Ankern in den Boden gehaftet werden mussten.
Nun also testet Dong im Windfeld Borkum Riffgrund 1 als Betreiber erstmals eine ansaugfähige Jacket-Konstruktion. Die neue Technologie erlaubt es, aus den Podesten Wasser auszupumpen und so ein Vakuum zu erzeugen, das wiederum die nach unten offenen Füße an den Meeresboden saugt. Der Suction Bucket genannte Fundament-Typ ist das Ergebnis einer Kooperation Dongs mit dem britischen Carbon Trust Offshore Wind Accelerator (OWA). OWA ist ein Forschungsprogramm Großbritanniens zur Reduzierung der Offshore-Windenergiekosten.
Drei Mal Suction Buckets
Ohnehin sind Suction Buckets derzeit schwer im Kommen. So hat auch das Fraunhofer-Institut für Windenergie- und Energiesystemtechnik (IWES) bereits mit dem Test einer Miniaturversion einer Version vom Suction Bucket begonnen. Er steht bereits im vergangene Woche neu eröffneten Testzentrum für Tragstrukturen Hannover der Universität Hannover. Das IWES ist der Hauptnutzer dieser 26 Millionen Euro teuren Einrichtung und will mit einer bisher in der Branche nicht gekannten Intensität und Ausstattung für eine beschleunigte Markteinführung neuer Offshore-Fundamente sorgen. Schließlich tragen Offshore-Fundamente für Meereswindparks zu fast 20 Prozent der Gesamtkosten eines Seewindparks bei. Sie gelten daher und aufgrund ihrer relativ einfachen Konstruktionsweisen als besonders geeignet, um ohne allzu hohes Risiko mit neuen Designs schnell die Kosten senken zu können.
Auch in Südkorea arbeiten Forscher und Industrie bereits mit Hochtouren an einer speziellen Suction-Bucket-Version. Ziel der Entwicklung ist es für das vielleicht einmal größte Offshore-Windprojekt der Welt ein besonders flexibel auslegbares Design der ansaugfähigen Fundamente herzustellen. Denn die Fundamente sollen in einem 2500 Megawatt leistenden Windpark Turbinen einer Leistungsreichweite von drei bis sieben MW tragen – in äußerst unterschiedlichen Wassertiefen und in einem Gebiet mit stark variierender Beschaffenheit des Meeresbodens. Beteiligt an dem Projekt ist mit Sangchul Bang ein Professor der South Dakota School of Mines amp; Technology aus den Vereinigten Staaten sowie das südkoreanische Electric Power Corporation Research Institute.
Gigantisches Schwerlastfundament für Frankreich
In der französischen Normandie hingegen konnten Zaungäste, Politker, Presse- sowie Industrievertreter bereits eine Woche vor der Installation des Borkum-Riffgrund-1-Testfundaments ein schon gigantisches Bauteil für ein wesentlich massigeres Fundament bestaunen. Die an der Küste abgelegte Basisplatte eines so genannten Schwerlastfundaments hat einen Durchmesser von 23 Metern, eine Höhe von nur einem Meter und wiegt alleine schon mehr als 1.700 Tonnen. Auf die Platte der einmal aus Stahl und Beton konstruierten Unterwasser-Struktur wird ein Kegel montiert werden, auf dessen oberer, kleiner Kreisfläche das Übergangsstahlrohr sitzen wird – beziehungsweise das Transition Piece zum Anmontieren des Windturbinenturms. Die am Fundamentbau beteiligten Firmen sind Norwegeion Seatower, Danish MT Højgaard und French Eiffage TP. 2015 wird es als Prototyp für den vielleicht ersten französischen Offshore-Windpark Fécamp in See stechen. Dort errichten EDF Energies Nouvelles, DONG Energy und WPD ab 2018 ein 498-MW-Windfeld.
Twisted Jacket – bald vom Baukonzern Bilfinger?
Ebenfalls 2015 will der deutsche Baukonzern Bilfinger Berger mit der Produktion eines neuartigen Turbinen-Offshore-Fundaments beginnen. Zumindest gehört der mit seinen Stahlständern spiralförmig verformte dreibeinige Jacket-Typ zu einem der drei für eine neue Fabrik in Polen zur Produktion vorgesehenen Bautypen. Er trägt den englischen Namen Twisted Jacket und ist auch das Forschungsziel beispielsweise eines US-Entwicklungsprojekts, für das die Regierung in Washington bereits 63 Millionen Euro zugesagt hat. Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern Bilfinger seine Pläne verwirklichen kann. Nach der Kündigung des bisherigen Bilfinger-Bosses Roland Koch, dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, ordnet der Baukonzern seine Bilanzen und Erwartungen neu. Koch war zuvor als überfordert bewertet worden und nun musste Bilfinger auch für die angesagte Fabrik in Polen eine bilanzielle Wertberichtung vornehmen.
Fundament-Schuhe
Ebenfalls im neuen Testzentrum TTH testet das IWES in Hannover demnächst auch im Wortsinne Schuhe für Jacket-Fundamente. Die Konstruktion der Firma Vallourec soll es ermöglichen, dass Jacket-Fundamente mit weniger ausladend gespreizten Beinen auf kleinerer Grundfläche stehen können. Das spart nicht zuletzt ebenfalls den Einsatz von Stahl und lässt die Ladung von möglicherweise wieder mehr Fundamenten pro Schiff zu. Doch bei kleinerer Grundfläche nimmt ohne weitere Maßnahmen auch die Standfläche ab. Damit die Konstruktion dennoch stabil bleibt, sollen sie mit den Vallourec-Schuhen wieder mehr Standfläche einnehmen. Der Vorteil dieser Konstruktion ist es auch, dass sich die Bauteile vorab mit zwar mehr, aber wesentlich kleineren Ankern leichter in den Meeresboden verankern ließen, als Jacketfundamente ohne sie.
(Tilman Weber)