Auf dem Stadtwerkeforum 2016 von Euroforum in Berlin erklärt Stefan Ziebs, Prokurist der Stadtwerke Solingen, wie es zur Partnerschaft mit der regionalen Energiegenossenschaft gekommen ist: „Wir in Solingen waren vor ein paar Jahren in der Situation, dass Rekommunalisierung ein Thema war.“ Diese habe Impulse aus der Politik gebracht, sodass am Ende klar war: „Wir haben eine Vision und wir wollen unsere Energieversorgung gemeinsam mit den Bürgern weiterentwickeln.“ Die regionale Bürgerenergiegenossenschaft, damals geleitet von einer Lehrerin im Ruhestand, sei hervorragend vernetzt gewesen, so Ziebs. Zwar seien Stadtwerke und Energiegenossenschaften sehr unterschiedlich organisiert gewesen, aber man habe festgestellt, dass man gemeinsame Ziele habe, zum Beispiel den ökologischen Anspruch. So haben sich die Stadtwerke Solingen mit der Energiegenossenschaft zusammengetan. Einnahmen aus der gemeinsamen Ökostromvermarktung werden wieder in dezentrale, regenerative Erzeugung investiert. „Das läuft so gut, dass die Energiegenossenschaft jetzt nach weiteren Projekten fragt: Können wir auch einen Ökogastarif anbieten? Wie wäre es mit einem Ökostromangebot für Gewerbekunden? Für Energiegenossenschaften können Kooperationen wie die mit den Stadtwerken Solingen eine gute Möglichkeit sein, weiter an der Energiewende teilzunehmen, wenn Ausschreibungen für künftige Regenerativprojekte den Bürgern den Marktzugang erschweren. Die Stadtwerke können zumindest im Ansatz die verlorene Investitionssicherheit wieder herstellen.
Markus Hilkenbach, Geschäftsführer der Stadtwerke Coesfeld, berichtet auf dem 20. Stadtwerkeforum über die Erfahrungen seines Betriebs mit der Projektierung eines Windparks. Dieser sei seit dreieinhalb Jahren in Planung. Man habe viele Partner in der Region, zum Beispiel Landwirte, die die Flächen verpachten, aber auch Regenerativplanungsfirmen. Die Stadtwerke hoffen, dass sie eine Baugenehmigung bekommen, bevor es mit den Ausschreibungen losgeht.
Die Planung von Regenerativprojekten – mit oder ohne Partner – könnte sich zum wichtigen neuen Geschäftsfeld für Stadtwerke entwickeln. Darüber hinaus werden sie künftig stärker die Rolle der Energiemanager in einem kleinteiligen, dezentralen Versorgungsgeschäft übernehmen, prognostiziert Rainer Saliger von der Firma Siemens, Bereich Dezentrale Energiesysteme. Die Vernetzung von Prosumern, Erneuerbaren und Verbrauchern sei ein Geschäft, das die Stadtwerke anbieten könnten. Spannende Themen seien Power-to-Heat und Power-to-Gas, aber auch die Stromstabilisierung werde immer wichtiger. Dafür sei eine Digitalisierung absolut erforderlich. Saliger sagt, sein Unternehmen wollen Kunden bei der Marktanalyse begleiten. „Wir bieten Stadtwerken Dienstleistung von Monitoring und Service bis hin zur Finanzierung von Projekten mit 100 Kilowatt bis 100 Megawatt an“, so Saliger. Finanzielle Unterstützung lässt sich also auch vonseiten der Industrie einholen.
Der Mannheimer Energieversorger MVV hat in diesem Jahr den Stadtwerke-Award gewonnen. Innovationsmanager Robert Thomann berichtet dem Publikum von der Idee der sogenannten Strombank. Dafür wird Stromspeicherkapazität in einem Pilotprojekt in einer Cloud angeboten. Gestützt wird das System von einem 100-Kilowatt-Lithium-Ionen-Speicher. „Die Kunden sind Prosumer“, erklärt er. Die Kunden geben und nehmen Strom je nach Bedarf. So muss nicht jeder PV-Dachbesitzer seinen eigenen Speicher haben, sondern kann den Speicher der Strombank nutzen.
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall sind Vorreiter, wenn es um die Energiewende geht. Seit vielen Jahren bauen sie den Anteil erneuerbarer Energien in der Region weiter aus. Inzwischen verfügen sie über 46,5 Megawatt Photovoltaik, 27,8 Megawatt Windleistung und 48 Blockheizkraftwerke. Sie haben einen Absatz von 140 Gigawattstunden im Wärmeverbund, wobei 44 Prozent aus Biomethan stammen. Nun arbeite sein Unternehmen an der Vermarktung von Mieterstrom, berichtet Geschäftsführer Ronald Pfitzer. Infrastruktur haben die Stadtwerke Schwäbisch Hall in Sindelfingen, dort sind sie mit 29,9 Prozent an den Stadtwerken beteiligt und dort werde man mit der Mieterstromidee starten. „Ich habe reflexartige Abwehr erlebt, wenn ich mit anderen Stadtwerken über Mieterstrom sprechen wollte“, so Pfitzer. Ein Nachteil seien geringe Gewinnmargen. Aber: „Es gibt bereits Landesregierungen, die über die Förderung unseres Modells nachdenken“, sagt er. Und: Das Potenzial sei mit eins bis anderthalb Millionen Mehrfamilienhäusern und gewerblichen Mietobjekten mit 17 Millionen Wohnungen in Deutschland gewaltig. 10 bis 20 Prozent seien für Mieterstrom geeignet. Auf der Suche nach neuen Perspektiven könnte sich also auch hier für Stadtwerke künftig ein Marktmodell herauskristallisieren. Vorerst wird das Feld von Vorreitern wie Schwäbisch Hall bestellt. (Nicole Weinhold)