Noch am Freitagvormittag hatten die drei Spitzen von Eon, RWE und Innogy, Johannes Teyssen, Martin Schmitz und Uwe Tigges sich bei einem Treffen zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengerauft. In einem Grundsatzpapier hielten sie an die Adresse der Beschäftigten insbesondere bei Innogy fest, dass bestehende Tarifverträge bestehen bleiben. Betriebsbedingte Kündigungen sollten „praktisch ausgeschlossen“ sein. Auch die Führer der Dienstleistungs- und Energieindustrie-Gewerkschaften Verdi und IGBCE, Frank Bsirske und Ralf Sikorski, sowie die Betriebsratschefs der Unternehmen waren bei der Verhandlung am Freitagmorgen dabei.
Das Signal zum Wochenende dürfte aus Sicht der Vorstände von Eon und RWE allerdings nicht nur als Botschaft an die Adresse der Arbeitnehmer wichtig gewesen sein. Die Belegschaften von Eon und Innogy sind seit Bekanntwerden der Pläne von Eon und RWE spätestens durch ein markiges Statement des Eon-Chefs in Unruhe geraten, der den Abbau von rund 5.000 Stellen durch die Pläne schon angekündigt hatte. Aber auch Innogy-Chef Tigges selbst hatte sich zusammen mit weiteren Innogy-Vorständen und Innogy-Aufsichtsratsmitgliedern fast offen ablehnend gezeigt. Aufhorchen ließ auch die Kritik von Seiten der Innogy-Führung, Eon und RWE würden viele Details schuldig bleiben. Die genauen Pläne seien aber Geheimsache, was ein Urteil über den Deal erschwere..Mit der Einbindung von Tigges in die Beschäftigungszusage an die Belegschaften mögen die Führungen von Eon und RWE daher das bisherige negative Signal der Innogy-Spitze in seiner Außenwirkung etwas abgeschwächt haben.
Dabei hatten die Führungen von Eon und RWE seit März über ihre Pläne schon einiges verraten. So wollen sie das Unternehmen Innogy zerschlagen, das mittlerweile als größter deutscher Energiekonzern mit leicht größerem Umsatz als Eon und RWE zählt. RWE soll sich aus Innogy das Erzeugungsgeschäft der Innogy-eigenen Erneuerbare-Energien-Anlagen und Grünstrom-Kraftwerksparks herausnehmen. Auch von Eon soll RWE die Erneuerbare-Energien-Erzeugung großteils übernehmen. Eon darf sich im Gegenzug die Vertriebssparte im Endkundengeschäft von Innogy einverleiben sowie das lukrative Verteilnetzgeschäft von Innogy. Außerdem soll RWE noch einen knapp 17 Prozent großen Anteil an Eon erhalten.
Die Aktienkurse aller drei Konzerne veranschaulichen vielleicht am schnellsten, wie groß der Handlungsdruck durch enttäuschte Erwartungen am Kapitalmarkt geworden war. Alle drei Konzerne verzeichnen bestenfalls Seitwärtsbewegungen ihrer Wertpapier-Wertkurven. Zwar hatte das Innogy-Wertpapier bis Ende 2017 einen stabilen Aufwärtstrend erlebt – seit Ende des Gründungsjahres 2016 dieses Konzerns, der zu über drei Vierteln ja im Besitz von RWE verblieb. Doch dann brach der Kurs um ein Viertel ein, weil der Stromvertrieb insbesondere im britischen Geschäft deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. RWE wiederum konnte sein Negativimage nie loswerden, weil der Konzern weiterhin an fossilen Kraftwerken festhält. Eon wiederum litt unter Belastungen beziehungsweise Abschreibungen aus der Trennung von der Sparte mit den fossilen Kraftwerken, die Eon 2016 in den neuen Konzern Uniper auslagerte.
Gerade beim Blick in die Innogy-Geschäftsberichte lassen sich indes die Tendenzen erkennen, die möglicherweise zu den wahren Motiven des Eon-RWE-Deals führen. Mit einer Erzeugungskapazität von zwei Gigawatt (GW) der Innogy-Windparks an Land und 925 Megawatt (MW) der Innogy-Windparks im Meer gehört das Unternehmen zu den größten Grünstromerzeugern in Deutschland. Doch trotz eines wieder windreicheren Jahres 2017 und eines Zubaus der Erzeugungskapazität der Windparks an Land um noch einmal 100 MW nahm die Onshore-Windernte nicht zu. Die Stromerlöse aus Erneuerbare-Energien-Anlagen blieben vergleichsweise verschwindend gering mit 617 Millionen Euro im Vergleich zu mehr als neun und mehr als 22 Milliarden Euro Erlösen aus dem Geschäft mit Netz und Infrastruktur sowie aus dem Vertrieb.
So scheint ein Motiv der beiden Konzerne Eon und RWE zu sein, mit mehr Masse der Erzeugung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen die dort zunehmend geringen Margen wettzumachen – und das Geschäftsfeld weiter zu professionalisieren. Indem sich das Erneuerbaren-Geschäft auf RWE konzentriert, soll dies demnach geschehen. Die zuletzt gesehenen Rückgänge im Vertriebsgeschäft bei Innogy will Eon hingegen stoppen, indem der Konzern zugleich auf die Verteilnetze zugreifen und große Angebote auch bei intelligent gesteuerten Netzen ausbreiten kann.
Dass es um die schiere Masse geht, darauf könnte auch die neueste Übernahme des Erneuerbare-Energien-Projekt-Entwicklers Vortex durch Eon hindeuten. Anfang Mai hieß es von Seiten Eons, mit der geplanten Übernahme des Unternehmens aus Kassel werde Eon einen Kraftwerkspark von 300 MW übernehmen sowie viele neue Projektierungen im Frühstadium. Solche Projekte gelten als ideal für Energiekonzerne: Diesen fehlt der Zugang zu den Bürgermeistern und Bodeneigentümern auf dem Land, die ungern mit Konzernen und lieber mit mittelständischen Projektierern über den Aufbau neuer Windparks verhandeln. Doch mit ihren großen Unternehmensstrukturen können die Energiekonzerne die Projekte mit bereits erworbenen Standortrechten dann sehr schnell vorantreiben und genehmigen lassen. Mit der Übernahme von Vortex hätte Eon noch mehr interessante Werte für RWE einzubringen.
Andererseits könnte RWE auch noch darauf spekulieren, als großer Grünstromanbieter den zeitgleichen Weiterbetrieb fossiler Kraftwerke besser verkaufen zu können: Als Infrastruktur zur Stabilisierung des Netzbetriebs bei wachsender volatiler Einspeisung aus erneuerbaren Energien.
(Tilman Weber)