„Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind die Übertragungsnetzbetreiber gefordert, Stromangebot und -nachfrage im Netz stets im Gleichgewicht zu halten. Sie müssen deshalb wissen, wie viel Energie in den nächsten Stunden und Tagen in welcher Region eingespeist werden wird«, umschreibt Dr. Jan Dobschinski, der am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel die Forschungsgruppe Prognosen für Energiesysteme leitet, die Herausforderungen. Dabei verlassen sie sich auf Wetter- und Leistungsprognosen – die allerdings längst nicht immer korrekt sind: „Prognosefehler sind mit Blick auf die Netzsicherheit ein echtes Problem für Übertragungsnetzbetreiber“, sagt EWeLiNE-Projektleiter Dr. Malte Siefert.
Praxistests zeigten, dass sich die vom IWES und DWD entwickelten neuen Progenosemodelle durch eine sehr hohe Vorhersagegenauigkeit und an den Netzbetrieb angepasste Wetterwarnungen auszeichneten, heißt es in einer Presseerklärung des IWES. Damit seien sie den üblicherweise angewandten Verfahren überlegen. Zudem lieferten sie Daten in einer höheren zeitlichen und räumlichen Auflösung. „Mit unseren Modellen können die Übertragungsnetzbetreiber die Einspeisung für jedes einzelne der mehreren hundert Umspannwerke in Deutschland prognostizieren. Die Netzsteuerung wird damit einfacher und sicherer. Auch beim Handel mit Strom profitieren sie von verlässlicheren Prognosen“, sagt Siefert.
Bessere Voraussage für Hochnebelkonzentrate
Ein zentraler Ansatzpunkt des EWeLiNE-Projekts lag auf der Anpassung der Wettermodelle an die spezifischen Anforderungen und Bedingungen der erneuerbaren Energien. So ermöglichen die Modelle jetzt zum Beispiel exakte Vorhersagen der Windverhältnisse in Höhe der Windrad-Naben. Vor allem den Tagesgang konnten die Wissenschaftler deutlich verbessern.
Bei der Photovoltaik lässt sich nun die Hochnebelkonzentration genauer vorhersagen –ein großer Vorteil für die Netzbetreiber, da schon kleine Änderungen der Nebeldichte große Auswirkungen auf den Ertrag der Anlagen haben. Dabei liefern die Modelle auch eine Risikokarte für das Auftreten von Hochnebel. Dazu kommt eine höhere zeitliche Auflösung der Vorhersagen: Strahlungsdaten werden jetzt im 15-Minuten-Rhythmus berechnet, so dass die Prognosen einen schnellen Wechsel der Bewölkung berücksichtigen.
Prognosen bilden Leistungswahrscheinlichkeiten ab
Neben den Wettermodellen haben die Forscher auch die Leistungsprognosen für Windenergie- und Solaranlagen weiterentwickelt, unter anderem durch eine höhere räumliche Auflösung bei der Photovoltaik. Die neuen Modelle verwenden selbstlernende Algorithmen, die Echtzeit- und historische Daten verbinden, um die Vorhersagen zu verbessern. Im Zusammenspiel mit den Wetterprognosen gewinnen die Netzbetreiber so wertvolle Informationen für die Steuerung der Netze sowie den Stromhandel.
Mit den neuen Wetter- und Leistungsmodellen sind die Anwender auch in der Lage, probabilistische Prognosen vorzunehmen: Statt pauschal eine eingespeiste Leistung für einen bestimmten Zeitpunkt vorherzusagen, können sie Wahrscheinlichkeiten – zum Beispiel, dass die Windleistung mit 80 Prozent Wahrscheinlichkeit unter 500 Megawatt und mit 15 Prozent Wahrscheinlichkeit unter 200 Megawatt liegt – ermitteln. „Das ist ein echter Mehrwert für die Netzbetreiber, da die probabilistischen Prognosen Unsicherheiten abbilden. Die Unternehmen können so besser abschätzen, ob sie einen Puffer brauchen, um das Netz stabil zu halten. Und auch für die Vermarktung von Strom ist die Angabe von Wahrscheinlichkeiten ein Vorteil“, sagt Siefert.
Folgeprojekt "Gridcast"
Nach dem Abschluss von EWeLiNE, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde, werden die Partner ihre Entwicklungsarbeit in dem Folgeprojekt „Gridcast“ fortsetzen. „Wir werden hier gezielt daran arbeiten, die Prognosen für die einzelnen Umspannwerke zu verbessern“, erklärt Siefert. Neben den Wetterdaten sollen dabei auch weitere Informationen wie etwa Satellitenbilder für die Solarprognosen integriert werden.
Darüber hinaus werden die Forscher mit Gridcast untersuchen, wie sich die Abweichung zwischen der möglichen Erzeugung einerseits und der realen Einspeisung andererseits in die Prognosen integrieren lässt. „Immer öfter werden Windräder abgeregelt, etwa wegen Netzengpässen oder Natur- und Schallschutzauflagen. Bei der Photovoltaik nimmt der Eigenverbrauch zu, ebenso die installierte Speicherkapazität. Diese Entwicklungen müssen bei den Einspeiseprognosen berücksichtigt werden“, macht Dobschinski deutlich.
Neben IWES, DWD und den Übertragungsnetzbetreibern werden sich auch der Windenergieanlagenhersteller Enercon sowie zwei Verteilnetzbetreiber bei Gridcast engagieren. „Den Verteilnetzbetreibern kommt bei der Sicherung der Netzstabilität eine immer größere Bedeutung zu, da die erneuerbaren Energien auf dieser Netzebene eingespeist werden“, sagt Dobschinski. (Katharina Wolf)