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Interview

Erdgasnetze als Massenspeicher

Klaus-Dieter Maubach, Vorstand für Technik und Entwicklung bei Eon, spricht mit uns exklusiv über das Potenzial der neuen Technologie, die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens und die Auswirkungen auf den erforderlichen Netzausbau. Windgas ist auch das Titelthema der Märzausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN.

Herr Professor Maubach, was bedeutet Power-to-Gas (PtG) für den Ausbau der erneuerbaren Energien?

Maubach: PtG kann in langfristiger Perspektive die Integration der erneuerbaren Energien in das Energieversorgungssystem unterstützen. Wenn Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten den Anteil fluktuierender Wind- und Sonnenergie an der Stromerzeugung wie geplant erhöht, werden die heute verfügbaren Speichermöglichkeiten -  insbesondere in Pumpspeicherkraftwerken - nicht mehr reichen. „Windgas“ könnte eine Speichertechnologie sein, mit der sich auch in einem überwiegend von Erneuerbaren geprägten Erzeugungssystem ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage erreichen lässt.

Wann und wie könnte das Verfahren konkurrenzfähig werden?

Maubach: Das ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Wir errichten derzeit eine Pilotanlage im brandenburgischen Falkenhagen. Ab 2013 wollen wir hier durch Elektrolyse pro Stunde rund 360 Kubikmeter Wasserstoff produzieren und in das Ferngasnetz einspeisen. Dieses Projekt gibt uns die Möglichkeit, die Technologie intensiv zu testen und weiterzuentwickeln. Auf Basis dieser Erfahrungen werden wir dann unser weiteres Vorgehen im Rahmen von PtG entscheiden und uns mit möglichen Geschäftsmodellen befassen.

Muss Ihrer Meinung nach eine Marktprämie gezahlt werden, damit Investoren in die Technologie einsteigen?

Maubach: Marktprämien bergen grundsätzlich immer eine Gefahr, dass am Ende nicht die wirtschaftlichste und wettbewerbsfähigste Lösung realisiert wird. Bei PtG wäre es aber ohnehin noch zu früh, darüber nachzudenken. Wir wissen ja noch nicht, wie künftige Geschäftsmodelle für die Energiespeicherung aussehen. Deshalb erforschen wir derzeit auch unterschiedliche Technologien für Speicherung und Lastausgleich – die Gewinnung von Wasserstoff aus überschüssigem Windstrom ist nur eine davon.

Apropos Wasserstoff, wie viel Prozent können nach heutigen Erkenntnissen ins Erdgasnetz eingespeist werden?

Maubach: Wir gehen davon aus, dass Wasserstoff eher im einstelligen Prozentbereich dem Erdgas beigemischt werden kann. 

Ist Methanisierung sinnvoll oder sollte der Wasserstoff besser direkt eingespeist werden?

Maubach: Der wesentliche Vorteil der Methanisierung liegt darin, dass es keine Anteilsbeschränkung für die Beimischung zum normalen Erdgas gibt. Zudem sind weder technische noch organisatorische Anpassungen nötig.
Allerdings wird der Wirkungsgrad der Umwandlung durch die Methanisierung auch etwas abgesenkt. Die Entscheidung, Methanisierung ja oder nein, basiert also letztendlich auf einer Abwägung zwischen technischen und wirtschaftlichen Kriterien.

Alle scheinen von der Idee Windgas begeistert zu sein, gibt es auch kritische Stimmen?

Maubach: Für die Idee kann ich mich auch begeistern: Mit den Erdgasnetzen steht prinzipiell schon ein „Massenspeicher“ und damit ein sehr großer Teil der nötigen Infrastruktur zur Verfügung. Einen Anlass für Euphorie sehe ich dennoch nicht, denn wir stehen, wie gesagt, erst am Anfang einer technologischen Entwicklung und haben ehrlicherweise noch keine Vorstellung davon, wie sie künftig wirtschaftlich genutzt werden kann

Möglicherweise sind weitere Vorteile in Sicht. Kann durch PtG ein Teil des nötigen Netzausbaus eingespart werden?

Maubach: Aktuell dürfen wir auf keinen Fall der Versuchung erliegen, die jetzt notwendigen Maßnahmen in der Hoffnung auf eine „Wunderlösung“ Windgas zu unterlassen. Stromnetze und Speicher müssen zügig ausgebaut werden, um die steigende Menge an Strom aus Erneuerbaren bestmöglich zu nutzen. Deshalb investiert Eon aktuell sowohl in eine Erweiterung der Pumpspeicherkapazitäten  in Deutschland als auch in den Ausbau unserer Verteilnetze, die sich in Folge des rasant zunehmenden Anschlusses von regenerativer und dezentraler Erzeugung nach und nach zu intelligenten Netzen entwickeln werden. Langfristig sehen wir ein Optimierungspotenzial durch PtG eher auf der Ebene der Stromübertragungsnetze als in der regionalen Verteilung.

(Niels Hendrik Petersen)