Der von der Windbranche erwartete Zubau von knapp drei Gigawatt (GW) wurde erreicht: 2.998,4 Megawatt (MW) neu installierter Leistung haben Windparkprojektierer und Turbinenbauer im vergangenen Jahr alleine an Land errichtet. „Der Zubau liegt damit 29 Prozent über dem Wert von 2012“, betont Thorsten Herdan, der Geschäftsführer der Energiesparte Power Systems im Maschinenbauverband VDMA.
Die Beschleunigung des deutschen Windkraftausbaus ist sogar noch beeindruckender, wo die Statistik auch den Anschluss neuer Windturbinen auf See hinzurechnet. So nahm die installierte Leistung von weit draußen auf der Nordsee bis zur bayerischen Alpengrenze im Jahr 2013 um insgesamt 3.238,4 MW zu. Im vorvergangenen Jahr 2012 hatte die Branche 2.415 MW neu installiert. Somit hatte diese 2013 beim Zubau sogar 34 Prozent mehr Kapazität ans Netz gebracht als im Vorjahr.
Statistische Restunsicherheit: Rekord von 2002 knapp über- oder untertroffen?
Damit blieb die deutsche Windenergie nur denkbar knapp unter dem historischen Höchstwert des Rekordjahres 2002, damals waren 3.247 MW installiert worden. Wobei das damals mit der Bilanz beauftragte Deutsche Windenergieinstitut anders als die heutige Statistik-Dienstleisterin Deutsche Windguard alle installierten Anlagen zählte statt nur die auch wirklich im Bilanzjahr ans Netz angeschlossenen Turbinen. 2013 waren im 400-MW-Windpark Bard die bisher noch fehlenden 240 MW ans Netz gegangen. Der Netzanschluss von Offshore-Windkraft im Vorjahr 2012 belief sich auf 80 MW und bezog sich ebenfalls nur auf den Bard-Windpark. Die derzeit errichteten nächsten Meereswindparks mit Repower-, Areva- und Siemensanlagen werden erst in diesem Jahr 2014 einspeisen.
2013 ist erstes Erntejahr der Energiewende
Die von den Hauptbranchenverbänden Bundesverband Windenergie (BWE) und VDMA gemeinsam präsentierte Bilanz ist laut BWE-Präsidentin Sylvia Pilarsky-Grosch eindeutig das erste spürbare Resultat der Atomkraftwerks-Katastrophe im japanischen Fukushima. Die in Reaktion auf die damalige Reaktorhavarie noch Mitte 2011 Energiewende mitsamt Kernenergieausstieg habe 2013 erstmals Wirkung zeigen können, argumentierte die BWE-Chef-Repräsentantin. Die damals neu geplanten oder wieder neu in Angriff genommenen Projekte seien 2013 realisiert worden.
Auffällig ist tatsächlich der inzwischen auf knapp 60 Prozent erhöhte Anteil des Windturbinenzubaus in Mittel- und Süddeutschland. Dieser hatte sich bereits abgezeichnet. Alleine in Bayern, wo die Windenergiewende durch die Landespolitik schon ein gutes Jahr vorher eingeläutet worden war installierten die Anlagenhersteller bereits im dritten Jahr in Folge wieder eine zusätzliche dreistellige Kapazität. So errichtete die Branche dort 251,6 MW, fast so viel, wie in Brandenburg mit 255 MW hinzukamen. Das ostdeutsche Bundesland wurde damit vor Bayern erneut das fünftwichtigste deutsche Windenergieland. Deutlich mehr zugebaut wurde noch in Niedersachsen (390 MW) sowie in den Ländern mit jeweils knapp über 400 MW neu ans Netz angeschlossener Windleistung: Schleswig-Holstein (428 MW), Rheinland-Pfalz (413 MW) und Mecklenburg-Vorpommern (402 MW).
Vor allem ein Rekordergebnis beim Repowering, beim Austausch alter gegen leistungsstärkere neue Windturbinen, dürfte Schleswig-Holstein zu diesem Ergebnis verholfen haben: Bei einer hinzugebauten Leistung von deutlich über 750 MW in diesen Windparks und einer deinstallierten Kapazität alter Windturbinen von über 250 MW hatte das besonders stark in dem Nord-Bundesland betriebene Repowering erstmals mehr als 400 MW zur Gesamtbilanz beigetragen.
Warum der Zubau mancherorts weiter auf sich warten lässt
Nicht überall machte sich indes die Windenergiewende nach Fukushima bereits bemerkbar. In Thüringen und Sachsen ist sie von der Landespolitik schlicht kaum oder gar nicht geplant. So erreichten dort die Leistungszuwächse an Windkraft am Netz mit 105,5 und 35,5 MW nur ganz knapp einen dreistelligen oder gar nur einen tiefen zweistelligen Megawatt-Wert.
In Baden-Württemberg sah sich hingegen die Grün-Rote Landesregierung unmittelbar nach Präsentation der Windguard-Statistik gedrängt, eine positive Interpretation der eigenen 31,6 MW hinterherzureichen. In einer Pressemitteilung erklärte die von den Politikern einer Umweltschutzpartei angeführte Administration, trotz des seit dem Regierungswechsel 2011 zum dritten Mal auf einem Niedrigstniveau verbliebenen Zubauwertes zeigten die Anträge für neue Projekte deutlich nach oben. Landesumweltminister Franz Untersteller betonte, 69 neue Anträge auf den Bau von zusammen 227 Windturbinen bedeuteten bereits eine Verdoppelung des Interesses im Vergleich mit dem Vorjahr. Alle Anträge zusammen zielten auf einen Zubau von bereits 600 MW. Aufgrund eines Neustarts des Windenergieausbaus in dem Südwestland nach einer von den konservativen Vorgängerregierungen auf Null abgebremsten Bautätigkeit kommt die Branche in dem Bundesland nur schwer wieder in Fahrt. Hinzu kommt, dass die Grünen mit der SPD eine besonders starke kommunale Mitbestimmung in die Windpark-Ausbauregelungen hinein geschrieben haben. Dies sowie eine sorgfältige Ausarbeitung der Naturschutzregeln haben die Ausweisung neuer Genehmigungsflächen wohl länger dauern lassen.
Verschobene Marktanteile
Der starke Zubau geht auch einher mit einer Neugewichtung bei der Marktaufteilung an die Turbinenhersteller. So hat das bisherige Marktführerduo Enercon und Vestas nach ERNEUERBARE ENERGIEN vorliegenden Daten zwar erneut den Löwenanteil des Geschäfts erledigt. Mit voraussichtlich zusammen deutlich über zwei GW haben der Turbinenhersteller aus Aurich sowie sein auch in Deutschland produzierender dänischer Wettbewerber erneut zwei Drittel aller Netzanschlüsse auf sich vereint. Im Vorjahr hatten Enercon und Vestas zusammen jedoch sogar drei Viertel der gesamten neu ans Netz angeschlossenen Leistung hinzugebaut. Alleine auf die Aufstellungen an Land bezogen fällt diese Entwicklung etwas weniger deutlich aus. Doch bedeuten die gemessen an der Kapazität dennoch unter 75 Prozent Marktanteil gebliebenen Netzanschlüsse an Land gleichfalls, dass andere Turbinenbauer aufgeholt haben.
Tatsächlich schlossen Repower und Nordex wieder etwas auf. So installierte das Anfang 2014 in Senvion umgetaufte Repower 2013 mit 486 MW fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Am Geschäft an Land partizipierte Senvion-Repower so mit deutlich mehr als 15 Prozent. Und Nordex brachte nach eigenen Angaben hier 251 MW oder 8,4 Prozent auf die Waage. Die übrigen Hersteller dürften zusammen bis zu 100 MW neu ans Netz gebracht haben.
Aufgrund der Unsicherheit über die Neugestaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und der EEG-Vergütungen wagen die Branchenverbände für 2014 nur die Prognose eines Ausbaukorridors. Der fällt laut VDMA und BWE je nach Ausgang der EEG-Novelle aber mit 2.500 bis 3.000 MW dennoch respektabel aus.
(Sina Graßhoff, Tilman Weber)
Lesen Sie ab 4. Februar mehr im Februarheft von ERNEUERBAR ENERGIEN