Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Gastbeitrag Landesplanung

Neue Wege für Schleswig-Holsteins Windenergie!

Die Vorgeschichte

Am 20. Januar diesen Jahres hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig mit zwei Urteilen entscheidend und weichenstellend in die Landesplanung für den Windkraftausbau in Schleswig-Holstein eingegriffen. Für zunächst zwei von fünf Planungsräumen wurden die Teilfortschreibungen der Regionalpläne aus dem Jahre 2012 für unwirksam erklärt. Diese Teilfortschreibungen waren vom Landesgesetzgeber als besondere Entwicklungsplanung für die Windenergie gedacht. Betroffen sind zunächst die Kreise Herzogtum Lauenburg, Pinneberg, Plön, Rendsburg-Eckernförde, Segeberg und Stormarn sowie die Städte Kiel und Neumünster. Aus der Fülle der Antragssteller in diesen Verfahren sind besonders Windkraftanlagenbetreiber zu nennen, deren Projekte bzw. Flächen nicht in die Fortschreibung der Regionalpläne aufgenommen worden waren. Hinsichtlich der weiteren drei Planungsräume liegen die Urteile nicht vor; sie werden absehbar inhaltsgleich lauten.

Die Richter folgten – ohne alle Argumente abschließend abzuarbeiten – einigen zentralen Argumenten der Kläger, die sowohl Fehler im Verfahrensablauf als auch bei der inhaltlichen Festlegung der Windeignungsgebiete in den Regionalplänen beanstandet hatten. Im Kern störte sich der zuständige erste Senat des OVG an drei Punkten:

1. Die zuständige Behörde hatte nach der Auswertung eingegangener Stellungnahmen Pläne stellenweise erneut geändert, ohne ein weiteres Beteiligungsverfahren durchzuführen.

2. Bei der Auswahl von Zonen, in denen die Windkraftnutzung untersagt ist (sogenannte Tabuzonen), wurde nicht hinreichend zwischen harten und weichen Kriterien unterschieden und der Ausschluss anschließend für das Gericht nicht nachvollziehbar begründet. Hierzu verwies das OVG detailliert auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Es erfolgte eine strikte Übernahme ablehnender Gemeindevoten bei Gebietsausweisungen in den Regionalplänen. Lag ein negatives Votum in einer Gemeinde vor, wurden die Flächen pauschal als Ausschlussgebiet qualifiziert.

Das Gericht ließ eine Revision nicht zu. Die Landesregierung legte zunächst eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein, die ein nach der Verwaltungsgerichtsordnung verbleibendes Rechtsmittel ist. Dieses Rechtsmittel führte dazu, dass die Urteile des OVG keine Bestandskraft entwickelten.

Die Folgen

Die Folgen des Urteils wurden und werden intensiv und kontrovers diskutiert. Unstrittig schien Folgendes: Wird das Urteil des OVG rechtskräftig, verlieren die bestehenden Teilfortschreibungen der Regionalpläne ihre Gültigkeit. In diesem Fall würden die Windeignungsbiete durch die zeitlich früheren Regionalplanungen beschrieben werden, die aus den Jahren 1998 und 2000 stammen. Dies hätte folgende Auswirkungen:

  • Die zukünftig verfügbare Flächengröße wäre deutlich reduziert. In den Plänen waren rund 0,8 Prozent der Landesfläche als Windeignungsgebiete ausgewiesen. In den Regionalplänen von 2012 sind es doppelt so viele Flächen.
  • Außerhalb der Eignungsgebiete wäre die Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen untersagt.

Für Schleswig-Holstein bedeutet dies: Bis zum Erlass neuer (wirksamer) Regionalpläne wäre der Planungsstand landesweit auf denjenigen der Jahre 1998 bzw. 2000 zurückgeworfen. Daran müssen sich dann auch neue Anträge orientieren und solche, die sich im Genehmigungsverfahren befinden. Soweit allerdings Windkraftanlagen bereits genehmigt worden sein sollten, genießen diese Bestandsschutz. Mit anderen Worten: Die nachträgliche Änderung der Rechtslage wirkt sich nicht mehr negativ auf diese genehmigten Windenergieanlagen aus. Besonders pikant ist die Situation also bei den Anlagen, die noch nicht abschließend genehmigt wurden. Nach Auffassung der Landesregierung handelt es sich um privilegierte Bauten im Außenbereich, die unter den Voraussetzungen des Paragraph 35 des Baugesetzbuches (BauGB) zu bewerten und ggf. zu genehmigen sind. Dann wäre eine Errichtung auch außerhalb der Eignungsgebiete von 1998 und 2000 grundsätzlich denkbar. Landespolitik und Landesplanung befürchten vor diesem Hintergrund einen „Wildwuchs“ von Windenergieanlagen, der neben anderen damit verbundenen Problemen die bislang hohe Akzeptanz der Windenergie in Schleswig-Holstein schmälern könnte. Es müssen daher aus Sicht der Landesregierung Maßnahmen ergriffen werden, die den Ausbau der Windenergie zugleich fördern und steuern können.

Die Idee: Änderung des Landesplanungsgesetzes

Sehr rasch und intensiv hat sich der Kieler Landtag vor diesem Hintergrund im Mai dieses Jahres mit neuen planungsrechtlichen Vorgaben für Windkraftanlagen beschäftigt. Am 20. Mai wurde über die Novelle des Landesplanungsgesetzes im Landtag debattiert. Am 22. Mai wurde es bereits in zweiter Lesung verabschiedet. Das Gesetz trat durch Veröffentlichung im Landesgesetzblatt am 5. Juni in Kraft. Ein bemerkenswerter Durchlauf, der von der Opposition im Landtag (Piraten und FDP) als unnötige Hast kritisiert wurde. Die Landesregierung (SPD, Bündnis 90/Die Grünen und SSW) wollte indessen unbedingt vermeiden, dass ein rechtlicher Schwebezustand entsteht, bevor endgültig Klarheit über die Rechtskraft der OVG-Urteile besteht. Die CDU hat diese Weichenstellung im Landtag mitgetragen.

Die Gesetzesänderung sieht inhaltlich maßgebliche Änderungen der Raumordnungsplanung in Schleswig-Holstein vor. Nach dem novellierten Gesetz ist die Errichtung von Windkraftanlagen für einen Zeitraum von zwei Jahren unzulässig. Damit führt der Gesetzgeber eine sogenannte „landesplanerische Veränderungssperre“ ein und konkretisiert das Raumordnungsgesetz (ROG) des Bundes. Parallel beginnt die Landesplanung mit der Neuaufstellung von Teilregionalplänen mit der Spezifikation Windenergienutzung, die in zwei Jahren verabschiedet werden sollen. Innerhalb dieser Zeitspanne können Windkraftanlagen ausnahmsweise zugelassen werden, wenn sie den in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung in den neuen Regionalplänen nicht widersprechen.

Das zukünftige Verfahren und die Ziele der Raumordnung wurden in einem gesonderten Planungserlass und einem Ausnahmen-Katalog mit den vom OVG Schleswig angemahnten harten und weichen Tabukriterien festgelegt. Erlass und Katalog wurden vom Kabinett am 23. Juni verabschiedet und am 6. Juli im Amtsblatt veröffentlicht. Gleichzeitig zog die Landesregierung ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück.

Die Auswirkungen auf die Windbranche

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Landesregierung in dieser Situation moderierend und steuernd in den Ausbau der Windenergie eingreift. Es ist zu hoffen, dass ein Kriterienkatalog auf Verordnungsebene wirklich bessere juristische Qualität bietet als das integrative und abwägende Instrument der Regionalplanung. Dazu zählt die politisch mit Brisanz versehene Fragestellung, welchen Stellenwert negative Gemeindevoten bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten haben. Die Raumordnungsplanung ist ein staatliches Ordnungsinstrument, welches in einem langen und abwägenden Prozesses mit Öffentlichkeitsbeteiligung die Steuerung raumbedeutsamer Nutzungen koordiniert und festsetzt. Es ist auch zu diskutieren, ob der Doppelsprung über Gesetz und Erlass diesen Planungsvorgang rechtssicher ersetzen kann und sich betroffene Akteure nicht übergangen fühlen. Dies birgt die Gefahr, dass es zu Klagen kommt.

Kritiker vertreten zudem den Standpunkt, dass die Vorgehensweise ein Verstoß gegen das Bundesrecht sei, weil die Privilegierungswirkung für die Errichtung von Windenergieanlagen nach Paragraph 35 BauGB eine abgewogene Regionalplanung oder eine kommunale Flächennutzungsplanung voraussetze. Diese Vorgabe des Bundesgesetzgebers wird durch den jetzt von der Landesregierung favorisierten Weg wohl unterlaufen.

Eine mögliche Brisanz liegt auch in der Ausgestaltung des Kriterienkataloges. Werden Kriterien zum Beispiel beim Artenschutz zu eng und pauschal angewandt, wird die Errichtung von Windparks zukünftig erschwert. Nach Veröffentlichung des Planungserlasses werden nun alle vorliegenden und neuen Anträge bei der Landesplanung auf die Möglichkeit einer Ausnahmeerteilung geprüft. Hier gilt es, die betroffenen Mitarbeiter möglichst schnell und umfassend mit den neuen Dipl.-Umweltwiss. Martin Kopp LL.M., Geschäftsführer des Branchenclusters windcomm schleswig-holstein e. V. (Husum)Regelungen vertraut zu machen, damit die regionale Energiewende nicht zum Erliegen kommt. Immerhin möchte Schleswig-Holstein bis 2020 rechnerisch 300 Prozent seines Strombedarfes aus erneuerbaren Energien decken. 200 Prozentpunkte fehlen noch!

 Nähere Informationen finden Sie auf der offiziellen Informationsseite der Landesregierung

DIE AUTOREN:

Dr. jur. Jürgen Punke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Take Maracke und Partner (Kiel, Lübeck, Henstedt-Ulzburg, Wismar)

Dipl.-Umweltwiss. Martin Kopp LL.M., Geschäftsführer des Branchenclusters windcomm schleswig-holstein e. V. (Husum)