Ein Pilotprojekt in Brandenburg soll zeigen, wie die dauerhafte Lieferung von Blindleistung mit erneuerbaren Energien funktionieren kann. Der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz und die Enertrag SE als Betreiberin haben dazu EE-Erzeugungsanlagen mit einer Gesamtleistung von 500 MW an ein Umspannnwerk angeschlossen.
Die Bereitstellung von ausreichend Blindleistung ist Grundlage für ein stabiles Stromnetz. Bisher haben vor allem konventionelle Kraftwerke Blindleistung während ihres Betriebs bereitgestellt. Erneuerbare-Energien-Anlagen müssten jedoch nach derzeit geltenden Regelungen in den Zeiten, in denen sie keine oder weniger als 10 Prozent Wirkleistung bereitstellen, keine Blindleistung liefern, heißt es in einer gemeinsamen Presseinformation der beiden Unternehmen. Dies stelle die Stromnetzbetreiber vor die Herausforderung, dass sie in diesen Zeiten zur Spannungshaltung die nötige Blindleistung durch andere technische Anlagen kompensieren müssen.
Moderne WEA könen auch ohne Wind Blindleistung liefern
Moderne Windenergieanlagen sind jedoch technisch in der Lage, Blindleistung zur Verfügung zu stellen, auch wenn nur wenig oder kein Wind weht. Im Pilotprojekt wollen Enertrag und 50Hertz mit Blick auf einen künftigen Blindleistungsmarkt erproben, wie der Blindleistungsabruf technisch in der Praxis funktioniert und vertraglich ausgestaltet werden kann. Auch Photovoltaik-Freiflächenanlagen könnten über ihre Wechselrichter Blindleistung bereitstellen, wenn zum Beispiel nachts keine Sonne scheint, so die beiden Unternehmen.
„Im Zuge der Energiewende sind innovative Lösungen für den zuverlässigen Stromnetzbetrieb absolut notwendig“, sagt Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb bei 50Hertz. „Die permanente Blindleistungsbereitstellung durch EE-Anlagen ist dabei technologisches und regulatorisches Neuland. Von den Erkenntnissen, die wir hier sammeln, profitieren daher auch Netzbetreiber auf der Verteilnetzebene, bei denen der Großteil der EE-Anlagen direkt angeschlossen ist.“
Beispiel für Verteilnetze
In dem Pilotprojekt lieferten unterschiedliche EE-Erzeugungsanlagen Blindleistung zur Stabilisierung des Übertragungsnetzes, betonte Thorsten Leske, Abteilungsleiter Elektrische Netze bei Enertrag. „Dies ist gleichzeitig ein Beispiel für unterlagerte Verteilnetze, in denen die technischen Möglichkeiten der EEA noch nicht ausgeschöpft werden. Ein nächster Schritt sollte die Etablierung eines Marktmodells für die Bereitstellung von Blindleistung sein“, so Leske.
50 Hertz verfolgt nach eigenen Angaben noch weitere Ansätze, um mit immer weniger konventionellen Kraftwerken die erforderlichen Systemdienstleistungen zur Spannungs- und Frequenzhaltung erbringen zu können. In anderen Pilotprojekten seien etwa mit einem Umrichter der Deutschen Bahn und dem Pumpspeicherwerk Wendefurth Blindleistungsquellen im Verteilnetz mit Wirksamkeit im Höchstspannungsnetz erschlossen worden. Zudem investiere das Unternehmen im Zuge der Modernisierung von Umspannwerken in den kommenden Jahren in Anlagen zur Blindleistungskompensation, die entweder dynamisch oder statisch zur Spannungsregulierung an wichtigen Punkten im Netz beitragen. (kw)
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