Autor: Tilman Weber
Wieder waren es die sogenannten Bürgerwindprojekte, die den Wettbewerb diktiert hatten: 60 der 61 von ihr erteilten Zuschläge vergab die Bundesnetzagentur im November an die vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) definierten und in den Ausschreibungen begünstigten Bürgerenergiegesellschaften. Das entspricht einer Erfolgsquote dieses Modells von mehr als 99 Prozent, das beispielsweise von der EEG-Pflicht einer frühzeitigen Baugenehmigung zum Zeitpunkt der Ausschreibung befreit ist.
Wieder auch kamen die eingereichten Gebote mit nun 2.591 Megawatt (MW) auf mehr als das Zweieinhalbfache der bezuschlagten Erzeugungskapazität. Zum Vergleich: Bei der vorangegangenen Auktion im August brachten die Gebote noch 2.927 MW ins Spiel. An der Auktion vom 2. November hatten die Bürgerwindparks gemessen an der Erzeugungskapazität dieses Mal einen Löwenanteil von 89 Prozent. Im Vergleich zum August erhöhte sich der Andrang der Bürgerwindpark-Bieter damit noch: Damals hatten Bürgerwindparks einen Anteil von 84 Prozent.
Durchschnittlicher Gebotswert nur 3,4 Cent
Der durchschnittliche Gebotswert aller siegreichen Projekte betrug nun sogar nur 3,4 Cent pro kWh. Weil aber alle siegreichen Bürgerenergiegesellschaften nach dem Netzanschluss gemäß EEG mit dem höchsten bezuschlagten Gebotswert vergütet werden, erhalten laut heutiger Mitteilung der Bundesnetzagentur (BNetzA) auch alle siegreichen Bürgerwindparks noch 3,82 Cent pro kWh. Das niedrigste Gebot lag bei nur 2,2 Cent. Ob es von dem einzigen bezuschlagten Nichtbürgerwindpark kam und dadurch wirksam wurde, teilte die BNetzA nicht mit.
Die Bewertung der Branchenverbände fällt fast durchweg negativ aus. Der Bundesverband Windenergie (BWE) betitelt seine nach Bekanntgabe des Ergebnisses vom 22. November verschickte Analyse: „Ausschreibung Wind an Land verfestigt Fehlentwicklung – Gesetzgeber muss handeln“. Sogar der Maschinenbauverband VDMA gibt sich desillusioniert – nachdem er anders als der BWE immer die verfallenden Auktionspreise als Zeichen hoher Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Windenergie gewertet hatte. „ Ergebnis der dritten Ausschreibungsrunde gefährdet Ausbaupfad noch weiter“, betont VDMA. Nur beim Unternehmens-Netzwerk WAB lobte dessen Geschäftsführer Andreas Wellbrock: „Der noch einmal um zehn Prozent gesunkene Zuschlagswert zeigt eindrucksvoll, wie innovativ und wettbewerbsfähig die Windbranche ist.“ Doch moniert auch er die „wettbewerbsverzerrende Ausgestaltung“ durch die Bürgerenergie-Förderregeln.
Die Auswirtkung der Schutzregel für Bürgerenergie im EEG
So sieht die EEG-Bürgerwindregelung für Ausschreibungen als dritten wichtigen Vorteil dieser Gesellschaften eine um zwei bis zweieinhalb Jahre verlängerte Frist von bis zu viereinhalb Jahren vor, binnen der ein Windpark nach erteiltem Zuschlag am Netz sein muss. Der Effekt: Die Bürgerenergiegesellschaften berechnen ihre Gebote mit Turbinen, die in den kommenden zwei Jahren noch kaum produziert werden, die aber die Turbinenbauer als Neuentwicklungen in diesem Sommer bereits angekündigt haben. Mit noch einmal um 10 bis 20 Meter vergrößerten Rotordurchmessern und auf 4,x MW erhöhten Nennleistungen gelten sie erstmals als wirtschaftlich für Gebote auch unter fünf Cent pro kWh.
Als wettbewerbsverzerrend bezeichnen die klassischen traditionellen Windparkprojektierer die Bürgerenergiegesellschaften auch, weil hinter den oft erst neu gegründeten Bietergemeinschaften sich meist gewöhnliche Projektierer als Generalunternehmer verbergen. Sie setzten mit einem Kniff eigene Projekte zu Dumpingpreisen und mit dem Vorteil eines späteren Baus durch, lautet diese Kritik. Dabei nutzten sie Definitionslücken im EEG kreativ und unfair aus, indem sie Bürger in den Landkreisen der geplanten Projekte zur Tarnung zum Eintritt in diese Projektgesellschaften rekrutierten. Der Bundestag hat in Reaktion auf die Beschwerden vorerst ein Moratorium für die Bürgerenergie-Vorrechte der späten Genehmigung und der langen Baufrist erlassen. Es gilt für die ersten zwei der drei Auktionsrunden im kommenden Jahr. Doch die Windenergiegesellschaften fordern die endgültige Abschaffung beider Regeln. Außerdem drängen sie auf die Aussetzung einer weiteren EEG-Windkraft-Auktionsregel. Sie sieht vor, dass die erlaubten Gebotshöchstwerte auf ein Niveau knapp über dem Durchschnitt der Zuschlagswerte des Jahres 2017 fallen. Aufgrund des nun vorangegangenen unfairen Wettbewerbs will die Windbranche, dass die Politik noch die Ergebnisse der beiden nächsten Ausschreibungen ohne die umstrittenen Bürgerwindrechte abwartet.
Auch dieses Mal waren tatsächlich wohl viele Bürgerwindgesellschaften in der Hand professioneller Projektgesellschaften. So gab es Zuschläge für 17 Windparks mit abwechselnd den Zusatznamen Umweltgerechte Bürgerenergie oder Naturkraftwerke. Hinter beiden dürften gemäß bisheriger Erfahrung und laut öffentlichem Unternehmensregister die sächsische Projektierungsfirma UKA stecken. Sie hatte in der zweiten Ausschreibung sogar die Mehrheit aller Zuschläge gewonnen. Sechs Windparks in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen sind zudem ausweislich des Zusatznamens Regenerative Stromerzeugung ebenfalls offenbar einem als Generalunternehmer beteiligten Projektierer zugehörig. Wer dahinter steckt gilt noch nicht als enthüllt.
Windenergie in Süddeutschland nicht mehr rentabel?
Doch selbst, wenn die Bürgerwind-Regel ganz fallen sollte: Auch das zweite große Problem der bisherigeren Onshore-Ausschreibungen für Windkraft in Deutschland trat nun wieder auf. Die Zuschläge gehen an Süddeutschland fast komplett vorbei, weil die geringeren Windenerträge dort im Bieterwettbewerb sich als nicht mehr wirtschaftlich erweisen. Obwohl das EEG prozentuale Aufschläge auf das bezuschlagte Gebot für ertragsschwächere Standorte vorsieht, gingen im November sogar nur Zuschläge für drei Windparks beziehungsweise sechs Windturbinen in den Süden: Zwei Projekte in Rheinland Pfalz und eines in Bayern gewannen garantierte Vergütungen. Baden-Württemberg und Saarland gingen erneut leer aus. Auch ein Hinzurechnen von Thüringen zum Süden, bedeutet nur zwei weitere Zuschläge für vier Anlagen. Die vier siegreichen Windparks in Hessen finden sich hingegen alle im nördlichen Landesteil und daher weit im regionalen mittleren Drittel Deutschlands.
Die Ausschreibungen dürfen daher nach jetzigen Regeln auch nach Aussetzung der umstrittenen Bürgerwindparkregelungen als gescheitert gelten. Sie erreichen die Ziele eines regelmäßigen, verlässlichen und regional ausgewogenen Ausbaus mit hoher Beteiligung vieler verschiedener Akteure bis hin zur demokratischen Einbindung der Bürger nicht. Ein radikaler Einbruch des Ausbaus droht spätestens 2019, wenn alle noch nach altem EEG-Recht genehmigten und vergüteten Windparks am Netz sein müssen. Noch sorgen diese für hohe Zubauzahlen. Ab 2019 aber haben nur noch Projekte mit Zuschlägen aus den Ausschreibungen eine garantierte Vergütung. Weil es sich zunächst überwiegend um Bürgerenergieprojekte mit langer Baufrist handelt, dürften sie oft erst nach 2020 ans Netz gehen.
Für eine künftig gleichmäßigere räumliche Verteilung des Windkraftausbaus steht noch nicht einmal eine politische Initiative in Aussicht. Es dürfte wenige Gründe dafür geben, warum süddeutsche Bundesländer künftig besser abschneiden sollen. Zumal das gesunkene Limit für Höchstgebote einer Erholung des Auktionspreisniveaus entgegensteht. Nur ein Faktor könnte die Marktsituation der deutschen Ausschreibungen für Windenergie an Land ohne politische Hilfe entspannen: Wenn wie laut möglicher Erkenntnis aus dem Anlagenregister der BNetzA 2017 nur noch ein Volumen weit unterhalb der jährlich ausgeschriebenen Menge von 2.800 MW eine Genehmigung erhält. Hier waren bis Ende September Genehmigungen von nur 1,3 Gigawatt hinzugekommen. Dann käme der Einbruch beim Zubau freilich ebenso.
Abhilfe aus der Politik ist seit dem Scheitern der Jamaika-Koalitionsverhandlungen nicht abzusehen. Die Grünen hatten schon einen prinzipiell in Aussicht gestellten Kohleausstiegspfad ausgehandelt und offenbar die Zusage, dass das Ausschreibungsvolumen für Windkraft sich erhöhen müsse. Doch weder in einer theoretisch denkbaren CDU/CSU-Minderheitenregierung mit der FDP noch in einer neuerlichen großen Koalition von CDU/CSU und SPD sind die Willenskräfte für eine Stärkung der Windenergiewende groß. Weder die als Klimakanzlerin längst abgetretene Angela Merkel noch SPD-Wirtschafts- und Energiepolitiker zeigen Initiative. Zuwarten auf Neuwahlen – ohne Gewissheit, dass sie auch kommen – wäre für die erneut von einer Konsolidierungswelle bedrohte Branche verheerend. Sie muss den Aufgeschlossenen in der aktuell nur kommissarisch regierenden großen Koalition mit öffentlichem In-die-Pflicht-nehmen schnell Beine machen.