Manche sprechen schon spöttisch vom „neuen Rotmilan“- tatsächlich verhindert Belange des Denkmalschutzes rund zehn Prozent der Windenergievorhaben. Nachgefragt bei Marc Transfeld, Projektleiter Wind und Solar Deutschland bei Enertrag.
Wie viele Projekte sind bei Enertrag mit dem Thema Denkmalschutz konfrontiert und bei wie vielen ist das ein schwieriges Problem? Gibt es auch Klagen, so wie beim Naturschutz?
Marc Transfeld: Bei Enertrag sind insgesamt sieben Projekte in verschiedenen Bundesländern vom Denkmalschutz (im Regelfall durch Bodendenkmäler) betroffen. Das sind insgesamt 23 Windkraftanlagen (teilweise auch Einzelanlagen) mit einer Leistung von 124,5 MW. Der prognostizierte Ertrag beträgt 330.000.000 kWh/a.
Man könnte also vereinfacht sagen, dass Windkraftanlagen, die Strom für knapp 100.000 Haushalte produzieren könnten, aktuell mit dem Denkmalschutz konfrontiert sind und gegebenenfalls durch die Landesämter für Umwelt abgelehnt werden können.
Untersuchungsanforderungen nehmen gegen den Trend zu
Warum kommt das Thema jetzt gerade verstärkt auf?
Marc Transfeld: Das Problem an sich ist schon älter. Es gab schon vor einigen Jahren Wind-Projekte, die auch oder vor allem am Denkmalschutz gescheitert sind. Allerdings hat die Bundesregierung in diesem Jahr in vielen Bereichen die Weichen für den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren gestellt. Für viele der bisherigen Hemmnisse zeichnen sich entsprechend Lösungen ab, überall gibt es Bewegung. Nicht adressiert wurde jedoch der Denkmalschutz, der Ländersache ist und für rund 10 Prozent der blockierten Verfahren verantwortlich ist. Deshalb ist das gerade verstärkt ein Thema.
Hinzu kommt ganz konkret, dass die denkmalfachlichen Untersuchungsanforderungen der Behörden in den Genehmigungsverfahren in vielen Bundesländern in letzter Zeit gegen den allgemeinen Trend erheblich zugenommen haben – ohne, dass sich die Gesetze geändert hätten. So muss zum Beipiel in Brandenburg mittlerweile in einem Umkreis von 10 Kilometern um die geplanten Anlagen jedes Denkmal, jede Kirche, jedes Bauernhaus, jeder Schornstein eines Industriedenkmals zunächst einmal erfasst werden. Das ist ein erheblicher und nach unserer Auffassung auch überzogener Aufwand, der Verfahren verzögert und dem Denkmalschutz nicht dient.
Projektierer sollen Aufgabe der Denkmalpflege übernehmen
Welche „Art“ Denkmal macht die größten Probleme?
Marc Transfeld: Leider lässt sich das nicht auf bestimmte Denkmalarten begrenzen. Probleme können prinzipiell alle Denkmalarten machen – auch jene, bei denen man es auf den ersten Blick nicht erwarten würde. Die größten Problemfälle sind aus unserer Sicht aktuell Baudenkmäler.
Aber gerade in Brandenburg nehmen beispielsweise die von den Behörden behaupteten Konflikte mit den Gartendenkmälern zu. Dies sind Parkanlagen, denen Denkmalschutz zuerkannt wird, die aber leider aufgrund ihres Zustandes häufig gar nicht mehr als solche erkennbar sind. In deren Umgebung werden dann Windenergieanlagen von den Behörden abgelehnt, weil die Behörde sagt, es ist egal wie der Park aktuell aussieht, er könnte ja eines Tages auch wieder hübsch und denkmalgerecht hergerichtet sein. Das ist für uns ein Problem, weil von uns dann in der Projektierung verlangt wird, ein Idealbild dieses Parks zu entwerfen – was eigentlich nicht unsere Aufgabe ist, sondern jene der Denkmalpflege. Hier sehen wir die Gefahr, dass unsere Genehmigungsverfahren als Anlass genommen werden, diese Aufgabe auf die Projektierer abzuwälzen.
Was gegenwärtig auch zunimmt, sind die Konflikte mit Bodendenkmalen. So gibt es zum Beispiel bronzezeitliche Grabhügel – das sind letztlich leichte Erhebungen im Boden – wo dann im Abstand mehrerer hundert Meter keine Windenergieanlagen zugelassen werden, weil angeblich die Bedeutung des Grabhügels durch die Anlage in der Nachbarschaft leidet. Das sind die hauptsächlichen „Sorgenkinder“ auf dem Weg zur Genehmigung – und es sind keine Ausreißer, sondern momentan ernsthafte Debatten, die geführt werden und Windenergie ganz konkret verhindern.
Bayern präsentiert eine interessante Lösung
Denkmalschutz ist ja Ländersache. Ist das eine zusätzliche Hürde? Welche Länder sind kompliziert, wo läuft es besser?
Dass der Denkmalschutz Ländersache ist, ist Bürde und Grund zur Hoffnung zugleich. Bürde deshalb, weil es eine bundeseinheitliche, schnelle Lösung sehr erschwert. Es lässt sich nicht einfach per Bundesgesetz „durchregieren“, d.h. die Länder müssen aktiv werden und vor allem ihre Denkmalschutzgesetze einmal einem Modernitätscheck unterziehen – passt das, was ich vor fünf, zehn Jahren geregelt habe, noch zur heutigen Zeit? Das wäre dringend nötig, damit die Energiewende auch überall ankommt. In vielen Fällen ist das noch nicht geschehen.
Hoffnung ist die Landeszuständigkeit aber ebenso, weil es schon positive Beispiele gibt, die in die richtige Richtung weisen. So hat etwa Bayern in bisher ungewohnter Weise mit einer interessanten Lösung vorgelegt: Dort wird das Denkmalschutzgesetz geändert, es sollen nur noch 100 besonders landschaftsprägende Denkmale in Bezug auf Windenergieanlagen geschützt werden, darunter Schlösser und Burgen, wie etwa Schloss Neuschwanstein. Niedersachsen hat ebenso sein Denkmalschutzgesetz schon geändert, in Brandenburg ist das Anfang kommenden Jahres geplant – es ist also Bewegung in der Sache, was uns freut und was dringend nötig ist.
Die Schuld für verzögerte Projekte wird oft dem Denkmalschutz zugeschoben – ist es aber nicht eigentlich die Genehmigungsbehörde, die sich hier über eventuelle Bedenken hinwegsetzen könnte oder sogar müsste?
Ja, unter dem Strich ist das so. Im Ergebnis trägt die Genehmigungsbehörde die endgültige Verantwortung für die Entscheidung, sie erteilt die Genehmigung. Sie entscheidet. Das heißt, rechtlich ist die Genehmigungsbehörde sogar verpflichtet, sich auch über negative Stellungnahmen der Denkmalschutzbehörden hinwegzusetzen und die Genehmigung zu erteilen.
Dies findet allerdings in der Praxis häufig nicht statt. Der Hintergrund dafür ist, dass die denkmalrechtliche Prüfung mit einer Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen arbeiten muss: Das beginnt schon dabei, was überhaupt die schutzwürdige „Umgebung“ eines Denkmals ist und setzt sich fort in der Frage, wann eine „erhebliche Beeinträchtigung“ dieser Umgebung vorliegt? Dies sind oft auch fachliche Wertungsfragen und es ist eine nicht ganz einfache Abgrenzung, bei der sich die Genehmigungsbehörde häufig in der täglichen Praxis nach unserer Erfahrung leider nicht über die Ablehnung der Fachbehörde hinwegsetzt.
Wir hoffen, dass sich das gerade durch Einführung des neuen § 2 EEG ändert und dass hier eine notwendige Bewegung auf allen Ebenen einsetzt: Schon die Denkmalschutzbehörde muss nunmehr das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen selbst beachten und in ihre Stellungnahme einbeziehen. Tut sie es nicht, muss spätestens die Genehmigungsbehörde hier einschreiten und entsprechend agieren. Dabei hilft es natürlich, wenn wie in Mecklenburg-Vorpommern dazu eine einheitliche Anweisung aus dem Ministerium ergeht, wie mit § 2 EEG umzugehen ist. (kw)