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Brandenburg

SPD-Landesvater kontra Windpark-Privilegierung

Woidke hatte am Mittwoch beim Ostdeutschen Energieforum in Leipzig angekündigt, er wolle im Bundesrat, dem Parlament der Regierungsvertreter der Bundesländer, eine Initiative zusammen mit Kollegen anderer Länder gegen die bisherige Regelung im Baugesetzbuch einbringen. Ziel sei es, den bisherigen Paragraf 38 und die privilegierte Zulassung von Windturbinen außerhalb von Städten und Gemeinden zu streichen. Das Ostdeutsche Energieforum ist eine von klassischen Energiekonzernen und Kohlekraft-Unternehmen dominierte Tagung.

Der Verband der Windenergiebranche BWE immerhin reagierte am Folgetag. Am Donnerstag vergangener Woche erklärte der BWE, falle die gemeinte Passage im Baugesetzbuch von Paragraph 35, Absatz 1, Nummer 5, so wären Windenergieanlagen danach im Außenbereich erst einmal grundsätzlich nicht mehr erlaubt. „Ihre Zulässigkeit könnte nur durch Aufstellung von kommunalen Bebauungsplänen herbeigeführt werden“, wenn die Privilegierung gestrichen werden sollte, sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Dann käme den Gemeinden „eine große Blockademacht zu. Was es bedeutet, den Ausbau der Windenergie vom Willen und den planerischen Möglichkeiten der Gemeinden abhängig zu machen, hat sich durch die Einführung der 10H-Regelung in Bayern gezeigt. Dort machen Gemeinden nur sehr vereinzelt von den ihnen gewährten Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch.“

Der BWE verweist damit auf eine Sonderregelung in Bayern, wonach Windparks grundsätzlich erst ab einer Distanz des Zehnfachen der Anlagenhöhe (10 H) eines Windparks von Ortsgrenzen erlaubt sind. In Bayern ist spätestens seit Anfang 2018 der zuvor sehr starker Windenergieausbau weitgehend eingebrochen.  

Albers warnte außerdem: „Herr Woidke gefährdet langfristig nicht nur den Umbau der brandenburgischen Energieerzeugung, sondern agiert auch gegen die Position der Bundes-SPD, die sich im Koalitionsvertrag eindeutig zu Sonderausschreibungen und einem weiteren Ausbau der Windenergie an Land bekannt hat.“

Der die gesamte Energiewirtschaft in Deutschland verkörpernde Verband BDEW legte am Freitag mit Kritik nach. So sagte der Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Stefan Kapferer : „Ohne die jetzigen Regelungen wären Windkraftprojekte zunächst automatisch unzulässig“. Dann müssten sich Windpark-Projektierer für jedes Vorhaben als Bittsteller an die Kommunen wenden, damit diese eine Fläche für das Projekt auswiesen. „Der Fortschritt der Energiewende wäre dann vom Gutdünken jeder einzelnen Kommune abhängig“, sagte Kapferer.

Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies, wie Woidke Sozialdemokrat, erklärte, der Vorstoß aus Potsdam löse bei ihm „Irritation und Verwunderung“ aus. Zu einem Zeitpunkt, an dem Windrad-Hersteller wie Enercon in Niedersachsen derzeit Arbeitsplätze streichen, wolle Woidke offenbar neue Hürden errichten. „Das verstehe wer will“, sagte Lies.

Woidke äußert sich auch zu einem Zeitpunkt, in dem die im März neu zusammengetretene Regierung durch eine gerade gemäß einer Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD einen Plan zum Beenden der Kohleverstromung erarbeiten. Eine dafür gerade frisch zusammengesetzte Kohle-Ausstiegs-Kommission aus Experten, Vertretern von Energieunternehmen, Naturschutz, Arbeitnehmern und Politikern soll bis Jahresende einen Vorschlag dazu vorlegen. Zugleich gehört Woidke in der SPD dem „Kohle-Lager“ an: Als Ministerpräsident des Bundeslandes mit noch großen Braunkohlereviere unterstützt er einen noch langen Abbau des Rohstoffs in dem Bundesland. Zugleich wurde der Start der Kohlekommission in den vergangenen Wochen schon von weiteren Vorschlägen über die Abschaffung von Windkraft-freundlichen Regelungen begleitet. So äußerten sich mehrere Vertreter der CDU mit der Forderung, den Einspeisevorrang von erneuerbaren Energien und insbesondere der Windkraft abzuschaffen. Bisher dürfen Windparks dem Gesetz nach immer ihren Strom ins Netz leiten, so lange die Leitungskapazitäten alleine für Erneuerbare-Energien-Strom noch reichen. In Engpasssituationen müssen stattdessen Kohle- und Atomkraftanlagen zuerst ihre Leistung drosseln. Weil das aufgrund der mangelnden Regelbarkeit der konventionellen Kraftwerke unrealistisch ist, drosseln die Netzbetreiber oft Windparks – die dafür aber eine gesetzliche Entschädigung erhalten.

Weitere Unmutsäußerungen gegen den Vorstoß aus Brandenburg gegen die Privilegierung der Windkraft sind bisher nicht verbreitet worden. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) beispielsweise hat bisher noch keine Presseerklärung hierzu abgegeben. Auch die Pressestellen anderer Bundesländer-Regierungen hielten noch still.

(Tilman Weber)

Das Foto darf nach der Lizenz 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0) verbreitet werden