Verliehen wird der Preis vom Bundesumweltministerium, dem Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Fraunhofer ISI für innovative Projekte, die dem Klima- und Umweltschutz dienen. Für Lichtblick eine Adelung und eine Genugtuung. Denn die Hamburgischen Mikro-Blockheizkraftwerke wurden seinerzeit bei Bekanntgabe, dass man sie auf den Markt bringen werde, vom Bundesindustrieverband Deutschland, Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) abgetan. Nun wurde das Zuhausekraftwerk ausgezeichnet. Und es scheint so, dass sich die ersten Eindrücke verdichten. Dass die Leute den Hamburgern die Bude einrennen.
Zum Start. Im September 2009 holt der Ökostromanbieter Lichtblick AG aus Hamburg, der sich in Marketing-Aktionen mit Partnern wie der Deutschen Post oder Bild zur Akquise von Ökostromkunden zusammentut zum nächsten Paukenschlag aus. Jetzt wollen die Hamburger nicht nur Ökostrom und Gas anbieten, das einen Anteil Biomethan besitzt, sondern selbst ein Kraftwerk bauen – geliefert wird dies von VW. Aber nicht in einem Stück. Es handelt sich um Mikro-Blockheizkraftwerke (Mikro-BHKW), die in Wohngebäuden installiert werden sollen und die Strom und Wärme produzieren. Die Vision von Lichtblick: Zusammen setzen soll sich das Kraftwerke aus 100.000 Mikro-BHKW an 100.000 Orten. Wenn also 100.000 Kunden ein solches BHKW besäßen, dann stellten sie eine elektrische Leistung von zwei Gigawatt dar. Das ist so viel wie zwei Atomkraftwerke. Sie erzeugen Strom und sie nutzen die Abwärme zur Wärmeversorgung ihres Gebäudes.
Der Strom, den die 100.000 dezentralen Gigawattler erzeugen, bezeichnet Lichtblick als Schwarmstrom. Lichtblick leitet den Begriff Schwarmstrom von einem Fischschwarm ab, der in eine Richtung schwimmt, je nachdem, wie es die Strömung vorgibt. Das Blockheizkraftwerk wird von VW produziert. Im Motorenwerk Salzgitter als "EcoBlue"-BHKW und von Lichtblick als Zuhausekraftwerk vertrieben. Lichtblick hat mit VW diesbezüglich einen Exklusivvertrag abgeschlossen. Unter der Markenbezeichnung BlueMotion Technologies entwickelt VW umweltfreundliche Automobiltechnologien, unter anderem mit dem Ziel der Reduktion des CO2-Ausstoßes. Jetzt in Kooperation mit Lichtblick ein Mini-BHKW.
Schwierigkeit der Akzeptanz von Marketingprosa?
Vielleicht geht dem BDH solche Marketingprosa zu weit. Jedenfalls teilt er den Marktoptimismus von Lichtblick bezüglich seiner kleinen Kraftwerke nicht. „Die Lichtblick-BHKW eignen sich aufgrund ihrer großen Dimensionierung sicherlich für Mehrfamilienhäuser oder Schwimmhallen, aber keineswegs für Ein- oder Zweifamilienhäuser. Daher sind dies BHKW Spezialanwendungen in einem sehr kleinen Markt“, sagte BDH-Hauptgeschäftsführer Andreas Lücke. Der Markt dürfte wenige 100 Stück im Jahr ausmachen, prognostiziert der BDH. Keinesfalls 100.000. Produzieren die Hamburger Utopia? Bislang hat der BDH noch Recht.
Lichtblick selbst gibt auf seiner Homepage in einem Punkt dem BDH, was die Dimensionierung des Kraftwerks und die Einsetzbarkeit betrifft, Recht. Dort heißt es, an mögliche Interessenten gerichtet: „Sie verbrauchen mindestens 45.000 Kilowattstunden Gas beziehungsweise 5.000 Liter Öl im Jahr. Das entspricht dem Wärmebedarf von sehr großen Einfamilienhäusern oder Zweifamilienhäusern.“ Doch Lichtblick ergänzt: „Auch Mehrfamilienhäuser, kleine Unternehmen, Kirchen, Schulen oder öffentliche Gebäude sind geeignet.“ Und die Hamburger arbeiten daran, dass es sich beim Kraftwerk nicht um Utopia handeln wird.
Hanseatische Vorgehensweise: In der Ruhe liegt die Kraft
Zugegeben sind die 50 Anlagen, die Lichtblick seit Start seiner ZuhauseKraftwerk-Aktion im Herbst 2010 mit Beginn zunächst in Hamburg bis zum heutigen Tag installiert hat, nur 0,5 Promille bezogen auf die Zielgröße 100.000. Doch gut Ding will Weile haben. Die Hamburger entwickeln ihr Geschäftsfeld mit hanseatischer Ruhe und Akribie. Folge: Die Zahlen steigen. Zunächst installierten die Hamburger nur ein bis zwei Anlagen pro Woche. „Jetzt sind es mittlerweile 10“, sagt Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. Zudem wird das Vertriebsgebiet erweitert. Mitte des Jahres soll Berlin dazu kommen, sukzessive weitere Regionen. Kampwirth zählt auf: Stuttgart, Essen, Bremen. In Wolfsburg mache man schon Verträge, sagt Kampwirth. Der Hamburgische Optimismus manifestiert sich weiterhin darin, dass 80 von den 100 Mitarbeitern, die im vergangenen Jahr von Lichtblick am Firmensitz am Zirkusweg eingestellt wurden, für das ZuhauseKraftwerk eingestellt wurden.
Parallel schult Lichtblick Handwerksbetriebe in der Installation der Kraftwerke. In Hamburg gibt es bereits acht Einbauteams. „Auch in Berlin schulen wir schon“, sagt Kampwirth. Es hätten sich deutschlandweit Hunderte Installationsbetriebe bei m Ökostromanbieter beworben. Auf Fachmessen sei der Lichtblick-Stand umlagert, berichtet Kampwirth. Von Wohnungsbaugesellschaften, Architekten und Hausbesitzern. Die Hamburger akquirieren Großkunden und Privatkunden. Demnächst soll ein Wohnviertel im Zuge einer Gebäudesanierung auf ZuhauseKraftwerke umgestellt werden. Die Hamburgische städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga hat bereits fast zwei Dutzend Mikro-BHKWs eingebaut. Tropfen auf den heißen Stein? Beispiele, die Schule machen sollen, argumentiert Lichtblick. Eine Strategie des Ökostromanbieters ist: Leuchtturmprojekte auffahren, die in die Republik ausstrahlen. „Wir rollen das aus in den nächsten zwei Jahren“, sagt Kampwirth und in Richtung Kritiker: „Es gibt viele am Markt, die gegen uns reden.“
Strom aus Erdgas-KWK ist in Deutschland Ökostrom
Was offenbar mehr und mehr Interessierte nicht davon abhält, Verträge abzuschließen. Es fallen Kosten in Höhe von 5.000 Euro an für jeden, der ein Zuhausekraftwerk haben will. Außerdem ist ein Wärmeliefervertrag mit Lichtblick über zehn Jahre abzuschließen. Im Gegenzug erhalten sie durch jede BHKW-Kilowattstunde Strom einen Rabatt auf den Wärmepreis. Die bei der Stromproduktion anfallende Wärme wird in einen Wärmespeicher geladen, aus dem der Kunde die Wärme zur Wärmeversorgung seines Hauses bezieht. Das Kraftwerk ist wärmegeführt: Strom wird laut Lichtblick nur dann produziert, wenn der Wärmespeicher signalisiert, dass er beladen werden kann. Der eingesetzte Brennstoff ist Erdgas.
Das Zuhausekraftwerk offenbart damit noch etwas anderes: Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung mit dem Energieträger Erdgas wird in Deutschland als Ökostrom gehandelt. „Es gibt derzeit keine allgemein gültige Definition von Ökostrom“, sagt Kampwirth. Schwarmstrom gilt als Ökostrom. Begründet wird das mit der Energieeffizienz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), zumal, wenn es sich um dezentrale Energieerzeugung handelt. Mit der KWK-Ökostrom-Definition ist Lichtblick nicht der einzige Ökostromanbieter. Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben zum Beispiel auch KWK-Strom aus Erdgas im Strommix. Die Ökostrombranche bezeichnet den KWK-Strom aus Erdgas als Brückentechnologie. Mittel- bis langfristig strebt Lichtblick dabei mehr und mehr den Ersatz von fossilem Erdgas durch Biomethan aus Biogasanlagen an. Möglicherweise ein großes Aktionsfeld für den expandierenden Biomethan-Produzenten Verbio AG aus Zörbig: Die Hamburger werden bereits von Verbio mit Biomethan für das Gasangebot von Lichtblick beliefert. (Dittmar Koop)