Tilman Weber
Gerade einmal für noch 467 Megawatt (MW) konnte die Bundesnetzagentur in der ersten Ausschreibungsrunde des Jahres 2019 für den Windkraftausbau an Land neue Zuschläge erteilen. Nur 67 gültige Gebote reichten die deutschen Windparkprojektierer ein, die aufgrund des ausbleibenden Wettbewerbs in der Auktionsrunde auch alle eine Vergütungszusage von der Bundesnetzagentur bekamen. Dabei genügt die nun bezuschlagte Erzeugungskapazität ähnlich wie erstmals im vorangegangenen Tender von Oktober 2018 nicht einmal ansatzweise. Nur zu 66,7 Prozent oder zu zwei Dritteln befriedigt das jetzt durch Vergütungszuschläge bestätigte Volumen die von den Ausbauzielen der deutschen Politik bestimmte Nachfrage von 700 MW . Die Politik sah bisher einen Ausbau von jährlich 2.800 MW brutto vor. Vereinfacht dargestellt ist das Ausschreibungsverfahren für 2019 daher in vier fast gleich große Tranchen von mal rund und mal genau 700 MW geteilt.
Erneut, wie schon in den zwei vorangegangenen Ausschreibungen in der zweiten Jahreshälfte 2018, näherte sich der durchschnittliche mengengewichtete Zuschlagswert folgerichtig nahe an den zulässigen Gebotshöchstwert. Auf 6,11 Cent pro Kilowattstunde (kWh) kommt der Windstrompreis der ersten Ausschreibungsrunde 2019 im so berechneten Mittel. Die höchsten bezuschlagten Gebote erhielten Vergütungszusagen für 20 Jahre von 6,2 Cent pro kWh. Das ist der Gebotshöchstwert und schöpft so den Preisrahmen voll aus. Hinzu kommen wie bei allen bezuschlagten Vergütungshöhen noch ausgleichende Vergütungs-Aufschläge oder im Einzelfall auch Vergütungs-Abschläge – jeweils abhängig vom Windreichtum am geplanten Windparkstandort. Der niedrigste Vergütungszuschlag betrug 5,24 Cent pro kWh.
Angebotslücke verfestigt sich
Die erstmals in dieser Größenordnung im vergangenen Oktober aufgerissene Angebotslücke hat sich damit bestätigt. Schon im Mai 2018 erreichten die gültigen Gebote mit 604 MW nur noch fast die Tendergröße von 670 MW. Und auch im August entsprachen sie mit 666 MW nur gerade so dem 670-MW Tender. Im selben Monat, im August, kletterte der mittlere Zuschlagswert bereits auf 6,16 Cent. Dabei schob er sich auf ein relatives Niveau von deutlich mehr als 95 Prozent des zulässigen Höchstgebotswertes, auf dem dieser Windstrompreis seither auch verharrt.
Im Oktober kam es schließlich erstmals zu einer den Wettbewerb vollständig aufhebenden Unterdeckung. Damals waren nur 57 gültige Gebote für eine Erzeugungskapazität von 363 MW statt der vorgesehenen 670 MW bei der Bundesnetzagentur eingegangen und von dieser bezuschlagt worden. Erstmals reichten die Bieter mit 6,3 Cent pro kWh erfolgreich Gebote auf dem maximal zulässigen Niveau des Gebotshöchstwertes ein. Der mengengewichtete mittlere Zuschlagswert stieg auf sogar 6,26 Cent pro kWh.
Regionale Unwuchten nehmen wieder zu
Zu all diesen Unwuchten im Auktionssystem gesellte sich jetzt, in der ersten Ausschreibungsrunde 2019, auch die schlechte regionale Verteilung wieder hinzu. Zuletzt hatte das auch in diesem Ausbauziel bisher gescheiterte deutsche Ausschreibungssystem noch zu einem räumlich etwas gleichmäßigeren Ausbaus geführt. Im Oktober waren sogar plötzlich mehrere Projekte in Süddeutschland an Zuschläge gelangt. Noch 2017 und Anfang 2018 waren Vorhaben in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Rheinland-Pfalz hingegen aufgrund höherer Entwicklungskosten im Berg- und Waldland regelmäßig völlig oder fast komplett leer ausgegangen.
Dieser Zustand kehrt nun offenbar wieder zurück - wenn auch unter anderen Vorzeichen: Anfang 2019 boten die Projektierer trotz massiver Unterdeckung der Nachfrage auch von sich aus kaum mehr Projekte aus chancenärmeren Regionen an. So gab es noch jeweils zwei Zuschläge für Projekte in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Gar kein Zuschlag entfiel auf das eigentlich windreiche Mecklenburg-Vorpommern, während auch Schleswig-Holstein mit drei Zuschlägen weiterhin nur sehr wenige neue Projekte mit gesicherten Vergütungen hinzugewann. Auch dem immer noch als Hoffnungsmarkt gehandelten Thüringen verblieben nur drei Zuschläge. Während das Windkraftschlusslicht Saarland mit einem Zuschlag und die „Stadtstaaten“ wenig überraschend ohne Zuschlag blieben, konzentrierten sich die erfolgreichen Gebote erneut auf Niedersachsen und Brandenburg mit jeweils 18 sowie auf Nordrhein-Westfalen mit 12 Zuschlägen. Den somit einzigen in den Wind-Onshore-Ausschreibungen erfolgreichen Großraum rundet Sachsen-Anhalt mit noch fünf Zuschlägen ab.
Klagen und Umplanungen der Projekte sind Ursachen
Für das geringe Angebot in den Windparkausschreibungen machen die Windenergieverbände die zunehmenden Klagen und Rechtsverfahren verantwortlich. Bei jedem zweiten Windparkprojekt drohen noch nach einer Genehmigung juristische Verfahren. Häufig gehen Windkraftgegner im Bündnis mit Anwohnern und Vogelschützern vor Gerichten gegen bereits genehmigte Bauvorhaben vor und stoppen diese für den Zeitraum der Rechtsverfahren. Windparkprojektierer warteten daher häufig die Verfahren ab, um nicht die zulässige Frist bis zum Netzanschluss des Windparks von rund zwei Jahren nach einem Ausschreibungszuschlag zu überschreiten und dadurch die gesicherte Vergütung wieder zu verlieren - so heißt es bei den Branchenverbänden.
Außerdem macht die Branche anfängliche und inzwischen korrigierte Unklarheiten des Ausschreibungssystems für das geringe Interesse der Projektierer an einer Teilnahme an den jüngsten Tendern verantwortlich. Diese Unsicherheiten hatten 2017 zwischenzeitlich zu einem dramatischem Absturz des Vergütungsniveaus bei neuen Windparkprojekten geführt. Viele Windparkplaner hätten daraufhin ihre Projektierungen angehalten und begonnen, diese für andere, größere und ertragreichere Windturbinen umzuplanen, betonen die Branchenverbände.
„Mangelnde Teilnahme an Ausschreibungen zeigt hohe Verunsicherung der Branche“, resümierte am Freitag der Bundesverband Windenergie (BWE). Tatsächlich haben die Projektierer massenweise für die Ausschreibungen zugelassene und genehmigte Windparkprojektierungen vorerst zurückgehalten - und nicht in eine Ausschreibung eingebracht. Immerhin seien Vorhaben mit 1.840 MW Windkraft an Land für die Teilnahme an der aktuellen Ausschreibung berechtigt gewesen, betont der BWE. „Der Ausbau der Windenergie an Land hat sich vom Fehlstart der Ausschreibungen in 2017 noch nicht erholt“, sagte BWE-Präsident Herrmann Albers. Eine schnelle Reform der Genehmigungspraxis, die derzeit im historischen Vergleich zu sehr langen Genehmigungsphasen führt, mahnte er außerdem an.