Tim Brauckmüller
Eine nachhaltige Stadt ist digital: Sowohl Smart Regions als auch Smart Cities funktionieren digitalisiert, sind effizienter, grüner und nachhaltiger. Denn: Konzepte zur Entwicklung einer Smart City berücksichtigen innovative digitale Technologien genauso wie klimaneutrale und nachhaltige Lösungen für das Energiemanagement und den Verkehr. Es geht darum, die vorhandenen Ressourcen nach Bedarf zur Verfügung zu stellen und erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Zum Beispiel können intelligente Haushaltsgeräte wie Wasch- oder Spülmaschinen so programmiert werden, dass sie arbeiten, wenn das Angebot an Strom im Netz höher ist als der aktuelle Bedarf. Auf diese Weise werden Lastspitzen im Stromnetz ausgeglichen. Gleichzeitig wird in einer intelligenten Stadt eine dezentrale Energieerzeugung angestrebt – etwa durch Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern oder Blockheizkraftwerke in Schwimmbädern und Einkaufszentren. So können Smart Cities maßgeblich zur Energiewende beitragen. Und diese Chance haben dabei nicht nur große Metropolen, sondern auch Kleinstädte und Kommunen: Aus einzelnen Gemeinden werden vernetzte Smart Regions. Die Digitalisierung unserer Umgebung ist damit unabhängig von der Größe des Ortes, in dem wir leben.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Infrastrukturen von Smart Cities mit digitalen Technologien aufgerüstet. Diese Technologien helfen, aktuellen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel oder der Verkehrs- und Energiewende zu begegnen. Zudem kommen große Mengen an Daten zum Einsatz, die Entscheidungs-, Planungs- und Managementprozesse modernisieren und effizienter gestalten. Bei einer Smart City ist die gesamte Stadt mit Sensoren versehen, die wertvolle Daten auf Plattformen zusammenführen, auswerten und so digitale Services sowie eine permanente Vernetzung von Institutionen und Personen ermöglichen.
Dabei ist die Digitalisierung ein Querschnittsthema und betrifft alle Bereiche einer Kommune:
• Mobilität
• Verwaltung (E-Government)
• Energiemanagement
• Abfallwirtschaft und Wassermanagement
• Wohnraum und Baumanagement
• Bildung (E-Learning)
• Gesundheit (E-Health)
• lokaler Handel
• Tourismus
• Sicherheit
Zahlreiche Szenarien zeigen, wie vielseitig die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Städte sein werden. Schon heute bieten einige Städte und Gemeinden ein freies, öffentliches WLAN an oder steuern die Straßenbeleuchtung nach Bedarf statt nach festgelegten Zeitfenstern. Touristen können bei einer Stadtführung per App die örtlichen Sehenswürdigkeiten entdecken und erhalten spannende Angebote von lokalen Geschäften und Museen direkt auf das Smartphone. Auf den Bürgerämtern müssen die Einwohner nicht länger Wartenummern ziehen, sondern reichen Anträge und Formulare online ein, die dann von den Verwaltungsmitarbeitern digital bearbeitet werden.
In Smart Cities lernen die Kinder in digital aufgerüsteten Klassenzimmern das Programmieren. Das Energiemanagement – Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Verbrauch – läuft automatisch und intelligent. Energieverbraucher werden gleichzeitig zu Energieerzeugern, indem sich Haushalte, Unternehmen und Behörden aus eigenen klimaneutralen Energiequellen mit Wärme und Strom selbst versorgen. Mülltonnen melden dem städtischen Abfallentsorger automatisch, wenn sie geleert werden müssen und das Müllauto berechnet selbstständig die optimale Route, um alle vollen Mülltonnen effizient anzufahren. Eine App zeigt die freien, mit Sensoren ausgestatteten Parkplätze in der Innenstadt an – selbstverständlich mit dazugehöriger Ladestation für Elektroautos. Die Krankenhäuser sind miteinander vernetzt und lassen die Belegung ihrer freien Betten und OP-Säle durch intelligente Algorithmen koordinieren. In einer Smart City fahren klimaneutrale Autos autonom und die Strecken des öffentlichen Nahverkehrs richten sich nach der Verkehrslage und der individuellen Nachfrage durch die Bürger. Smarte Gebäude melden selbstständig Schäden, leiten Wartungs- und Instandhaltungsprozesse ein, schließen eigenständig die Fenster bei Regen und fahren den Sonnenschutz bei starker Sonneneinstrahlung aus.
Damit wird die Smart City zum Idealbild der Stadt der Zukunft.
11 Tipps eine erfolgreiche Smart City-Strategie:
1. Klare Zuständigkeiten definieren – am besten einen Chief Digital Officer (CDO) als zentrales Entscheidungsorgan für die Stadt benennen, der die Smart City-Strategie federführend entwickelt und umsetzt.
2. Grundlagen schaffen: ein gut ausgebautes Breitbandnetz im gesamten Stadtgebiet.
3. Bestandsaufnahme aller bestehenden digitalen Services und laufenden Digitalisierungsprojekte und Einbindung dieser in die neue Strategie.
4. Keine Einzellösungen planen und entwickeln, sondern den Blick für das Ganze behalten und alle Maßnahmen miteinander kompatibel gestalten.
5. Klare Aktionsfelder definieren und dabei alle Bereiche der Daseinsvorsorge berücksichtigen
6. Weiterbildung aller Personen im Umgang mit digitalen Anwendungen – das heißt, alle Bürger sowie Verwaltungsangestellte, Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, Lehrer, Mediziner etc.
7. Bürger beteiligen und Feedback einholen.
8. Vernetzung mit anderen Kommunen, um sich über Herausforderungen und Lösungen auszutauschen.
9. Privatwirtschaft mit einbeziehen und Investitionen zulassen.
10. Datensicherheit gewährleisten und bei Bedarf Daten anonymisieren.
11. Ethikgrundsätze für den Umgang mit Daten definieren.
Wien als digitalisierte Vorreiterstadt
Einige Städte setzen diese Zukunftsvisionen bereits um, aber noch gibt es weltweit keine Stadt, die in allen Bereichen smart ist. Eine Vorreiterposition auf dem Weg zur konsequenten Smart City nimmt Wien ein. Die österreichische Hauptstadt führt zum zweiten Mal den Smart City Strategy Index des Beratungsunternehmens Roland Berger an. Für den im März 2019 veröffentlichten Index wurden 153 Smart City-Strategien verglichen. Spitzenreiter Wien wird dabei gefolgt von London und Singapur.
Auch deutsche Städte entwickeln Smart City-Strategien
Die deutschen Städte sind noch nicht ganz so weit wie Wien – doch es bewegt sich etwas. Viele Kommunen in Deutschland haben bereits Smart City-Strategien entwickelt und beginnen mit der Umsetzung. Das zeigt der Smart-City-Atlas, den der Bitkom e.V. zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) im März 2019 veröffentlicht hat. Für diese Studie wurden die Smart City-Strategien von 50 deutschen Städten untersucht. Der Großteil der betrachteten Digitalen Agenden befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Lediglich 19 der 50 Strategien sind bereits ausformuliert und verabschiedet. Inhaltlich umfassen die Strategiepapiere meist Digitalisierungsvorhaben in der Verwaltung (98 Prozent), im Mobilitätssektor (90 Prozent) sowie im Bereich Energie und Umwelt (86 Prozent). So wollen einige Städte beispielsweise Projekte zur intelligenten Erfassung und Aufbereitung von Energieverbrauchswerten umsetzen.
Grundsätzlich haben die deutschen Städte also die Notwendigkeit der eigenen Digitalisierung erkannt, doch umfassen die bereits formulierten Strategien nicht alle Bereiche zur Daseinsvorsorge in ausreichendem Maße. Zudem müssen die Digitalen Agenden an die Besonderheiten der jeweiligen Stadt angepasst werden. Damit benötigt jede Stadt und jede Gemeinde eine eigene, maßgeschneiderte Smart City-Strategie. So kann für eine Stadt die digitale Koordination von Großveranstaltungen ein wichtiges Feld sein, während eine andere Stadt eher Digitalisierungsmaßnahmen für den Hochwasserschutz benötigt.
Breitband ist die Grundlage für Smart Cities
Grundlage für die erfolgreiche Einführung von Smart City-Lösungen sind ein schnelles Breitbandinternet und – zukünftig – ein gut ausgebautes 5G-Netz. In Deutschland sind wir auf einem guten Weg, denn der Breitbandausbau schreitet sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen voran. Wir dürfen aber nicht warten, bis das letzte Glasfaserkabel in der Erde liegt, sondern müssen schon heute tragfähige Konzepte für unsere Smart Cities der Zukunft entwerfen.
Die großen und kleinen Städte in Deutschland dürfen mit dieser umfangreichen und zukunftsweisenden Aufgabe nicht allein gelassen werden. Ein erster richtiger Schritt der Bunderegierung ist die Förderung von ausgewählten Smart City-Modellprojekten in Deutschland. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) will in einem Zeitraum von zehn Jahren rund 50 Modellprojekte mit insgesamt 750 Millionen Euro fördern. Die Grundlage für diese Modellprojekte bildet die Smart City-Charta, die 2017 von der Nationalen Dialogplattform Smart Cities verabschiedet wurde. Die Charta definiert Leitlinien für eine nachhaltige Smart City. Die ausgewählten Modellkommunen sollen mithilfe der Leitlinien beispielhafte Smart City-Ansätze entwickeln und umsetzten – und so zu Vorbildern für weitere Städte und Gemeinden werden. Bis zum 17. Mai 2019 können sich Kommunen und Gemeindeverbände online für die erste Runde bewerben.
Ebenso wichtig wie wirksame Förderprogramme ist der nationale und internationale Austausch zwischen den Städten. So können sich Städte und Gemeinden bei erfolgreichen Smart Cities Ideen, Hilfe und Hinweise holen. Zwar hat jede Stadt individuelle Voraussetzungen und Bedürfnisse, doch alle haben das gleiche Ziel: eine intelligente und nachhaltige Stadt zu werden.
Digitalisierungsexperte Tim Brauckmüller (40) ist geschäftsführender Gesellschafter der atene KOM GmbH. Die atene KOM beschäftigt sich im Auftrag der Öffentlichen Hand mit Infrastruktur- und Regionalentwicklung speziell für den ländlichen Raum. So ist die atene KOM unter anderem Projektträger des Bundesförderprogramms für den Breitbandausbau des Bundesverkehrsministeriums und Betreiber des Breitbandbüros des Bundes, des deutschen Kompetenzzentrums für die digitale Infrastruktur. Die atene KOM ist zudem Manager zahlreicher europäischer Projekte zur Regionalentwicklung.