Erst hatte das Windenergieunternehmen Westfalenwind im Januar die Beherbergung eines wichtigen Rechenzentrums des Fernsehdienstleisters Zattoo im Fuß einer Enercon-Turbine im Windpark Lichtenau-Asseln bekannt gegeben. Der Server des TV-Streaming-Anbieters mit Sitz in der Schweiz und Berlin profitiert nun von drei Dingen: von der kühlen Atmosphäre in dem Windradgebäude gut zehn Kilometer südlich von Paderborn, von der schnellen Glasfaser-Datenverbindung, die Westfalenwind im Windpark und von dort zu den Fernüberwachungs- und Fernsteuerungsstellen benötigt – und von der Sicherheit die eine Stromanlage durch Schließ- und Schutztechnik gegen kriminelles Eindringen Dritter bietet. Das Windenergie-Unternehmen wolle die Dienstleistung für Rechner künftig ausweiten und zu einem wichtigen Wirtschaftsbereich des Windparkbetriebs werden lassen, hatte Westfalenwind sofort angekündigt.
Nun liefert Westfalenwind nach: Nach Verhandlungen mit der Stadt Paderborn lassen die ortsansässigen Windenergieunternehmer nun auch die digitale Kommunikations- und Unterrichtsplattform der Paderborner Schulen, Lernstatt, ihre Datenkabel nutzen. Zwar ist die westfälische Stadt schon seit 2017 innerhalb eines Förderprogramms des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen die Leitkommune der digitalen Modellregion Ostwestfalen-Lippe. Doch unter der starken Nutzung der Plattform im nur noch online über Computer stattfindenden Schulunterricht während der Coronapandemie und aufgrund von Hackerangriffen brechen die Datenströme immer wieder ein. Das System reicht für einen akzeptablen Ablauf der Schülerbildung nicht mehr aus.
Dienstleister für die Datenverbindungen und für die Digitalisierung städtischer Einrichtungen wie auch der Schulen ist das kommunale Unternehmen GKD. Dessen Rechenzentrum findet sich im Paderborner Technologiepark – einem Entwicklungs- und Ansiedlungsgebiet für moderne Unternehmen. Weil auch der Windparkbetreiber dorthin mit einer Glasfaserverbindung vernetzt ist, konnten die Macher von Westfalenwind binnen drei Tagen die GKD-Datenflüsse auf die eigene Internetverbindung umschalten. „Ein klein wenig Einbau von kleineren Übertragungsgeräten bei unserem neuen Kunden und dann war nur noch das Umswitchen der IT-Verbindung auf unser Kabel notwendig“, sagt ein Sprecher bei Westfalenwind. Nach einem Zehn-Tage-Testlauf könne die Datenübertragung für GKD und damit für die Schulen nun 440 Mal schneller als bisher erfolgen.
Rechenzentrum Windpark: Weit mehr geplant
Möglich wird dieser gewaltige Schub für die Digitalisierung der Universitätsstadt Paderborn durch eine direkte Glasfaserkabelverbindung zum weltweit angeblich größten internationalen Internetknoten in Frankfurt. Denn als vor wenigen Jahren der zuständige Telekommunikationskonzern eine neue Glasfaserfernübertragungsstrecke in der Region verlegte, boten die Windparkbetreiber an, eine eigene Verstärkerstation für die neue Datenroute am Windpark zu bauen und zur Verfügung zu stellen. Diese für Datenfernübertragungen notwendigen Einrichtungen erhöhen in regelmäßigen Abständen die über lange Distanzen nachlassenden Impulse wieder. Die Kabelverlegung erfolgte unweit des Windparks und Westfalenwind sicherte sich im Hinblick auf die Verhandlungen mit dem ersten Kunden Zattoo inzwischen auch die Kapazität eines dieser Fernkabel.
Auf dieser Verbindung wollen die Windenergieunternehmer nun noch weitere Unternehmen mitnehmen – deren Daten zumindest. Ein von der Stadt Paderborn unterzeichneter langfristiger Nutzungsvertrag sichert die neue Beziehung ab. Überlegungen beziehen nun bereits die mögliche Anbindung auch von Gewerbegebieten an das Datenkabel von Westfalenwind mit ein.
Zudem befinde sich das Windenergieunternehmen bereits in aussichtsreichen Verhandlungen sogar mit weiteren Rechenzentrumsbetreibern in Frankfurt, die ihre Rechner wie bereits Zattoo auslagern könnten. Dass ausgerechnet Frankfurter IT-Dienstleister ihre Kapazitäten an ein Kabel verlagern wollen, das über mehrere 100 Kilometer die Daten dann an ihren eigenen Standort Frankfurt transportiert hat allerdings durchaus einen tieferen Sinn, der das Gesamtprojekt besonders nachhaltig erscheinen lässt. „Die Unternehmen wollen nachweisen, dass sie wirklich klimafreundlich sind und können bei uns den direkten Windstrombezug nachweisen“, erklärt der Sprecher. Bisherige Modelle funktionierten hingegen nicht mehr, bei denen Internetriesen und Datenverarbeiter nur Grünstromzertifikate bei Wasserstromerzeugern in Norwegen oder Österreich kauften, um auf dem Papier gut dazu stehen. Dass der Strom dabei in Wirklichkeit der Graustrom im deutschen Stromnetz mit hohen Anteilen aus fossilen Kraftwerken ist, wissen die Verbraucher inzwischen.
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