„Mit dem Lastenrad werden wir das Klima nicht retten“, spotteten im Wahlkampf prominente Politiker über den Vorstoß der Grünen, die Anschaffung von Lastenrädern finanziell stärker zu unterstützen. Doch jetzt stellt sich heraus: Die Spötter haben unrecht. Eine neue Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur gewerblichen Nutzung von Lastenrädern belegt, dass die vielfach belächelten und geschmähten Vehikel einiges zur Entlastung des Verkehrs in Städten beitragen können.
Ein Drittel der Teilnehmer steigt auf Lastenrad um
Mehr als 750 Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Vereine haben am Projekt „Ich entlaste Städte“ des DLR-Institut für Verkehrsforschung teilgenommen. Jeder Teilnehmer testete über drei Monate - zeitlich versetzt - eines von insgesamt 152 Lastenrädern, die in verschiedenen Bauformen und Modellen zur Verfügung standen. Im Gegenzug nahmen sie an mehreren Befragungen teil und zeichneten die Fahrten mit einer App auf, die das Mobilitätsverhalten erfasst und analysiert. Das Ergebnis: Rund zwei Drittel der Beteiligten bewerteten die Lastenräder für ihre dienstlichen Zwecke als gut bis sehr gut. Ein Drittel der Teilnehmenden stieg langfristig auf ein Lastenrad um.
„Mit unserem Projekt konnten wir zeigen, dass Lastenräder das Potenzial haben, gewerbliche Fahrten mit dem Auto zu ersetzen – sowohl in der Stadt als auch in kleineren Gemeinden“, sagt Projektleiter Johannes Gruber. Insgesamt legten die Teilnehmer 307.000 Kilometer und 30.000 aufgezeichnete Wege zurück. Im Durchschnitt nutzten sie das Lastenrad in der rund dreimonatigen Testperiode für 412 Kilometer ihrer Wege.
Zwei Drittel der Radfahrten ersetzten eine Autofahrt
Bei etwa zwei Drittel der 30.000 Fahrten sowie der damit verbundenen Fahrleistung ersetzte das Lastenrad tatsächlich die Fahrt mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Somit konnte das Projekt auch zur Senkung von Treibhausgasemissionen beitragen – und tut dies über die Projektlaufzeit hinaus: Lastenrad- Käufer sparen durch die Nutzung im Mittel rund 400 Kilogramm CO2 jährlich ein.
Die Befragung ergab, dass die Hälfte der Teilnehmenden am Ende der Testphase erwog, ein eigenes Lastenrad zu kaufen, ein Drittel schaffte sich tatsächlich ein Lastenrad an. Die Unternehmen begründeten ihren Umstieg auf das Lastenrad vor allem mit dem Umweltschutz, das Einnehmen einer Vorbildrolle und das Interesse an technologischen Innovationen. Allerdings führten die hohen Anschaffungskosten dazu, dass sich letztlich nur ein Drittel und nicht die Hälfte der Unternehmen zum Kauf eines eigenen Lastenrades entschieden. Hier können finanzielle Unterstützungen bei der Anschaffung, wie die bis zu 2.500 Euro der Lastenrad-Förderrichtlinie des Bundes zu Beginn des Markthochlaufs hilfreich sein, so das DLR.
Hemmende und fördernde Faktoren
Insgesamt bewerteten rund zwei Drittel der Beteiligten die Eignung von Lastenrädern für ihre dienstlichen Zwecke als gut bis sehr gut. Gleichzeitig sahen fast 80 Prozent der Befragten an dem von ihnen getesteten Lastenradmodell noch Optimierungsbedarf - insbesondere was die Transportkiste, die Fahrzeughandhabung und den Fahrkomfort betrifft. Dies könne als Aufforderung an Hersteller, Zulieferer und Dienstleister verstanden werden, noch mehr in die Verbesserung von Fahrzeugen und Services zu investieren, schlussfolgert das DLR. Weitere Hemmnisse waren die eingeschränkte Nutzbarkeit bei Regen und bei mangelhaften Fahrradwegen. Dies biete aber eine Chance für die Fahrradbranche, die darauf reagieren und schließlich profitieren könne, meinen die Wissenschaftler des DLR.
Insgesamt stärker als die Hemmnisse wurden jedoch solche Faktoren bewertet, die eine Nutzung motivieren und begünstigen. Hier zeige sich, dass einerseits operative Aspekte wie die Unabhängigkeit von Parkplätzen, die Wendigkeit und die Erreichbarkeit gesperrter Gebiete (zum Beispiel Fußgängerzonen) zu den großen Stärken des Lastenrads zählt, so das DLR.
Gleichzeitig punktete die gewerbliche Fahrradnutzung auch bei den sogenannten weichen Faktoren wie etwa Firmenimage, Mitarbeitergesundheit und Spaßfaktor. Zehn der insgesamt elf abgefragten Treiber-Faktoren behielten auch nach dem Langzeittest ihre hohe Wirkstärke. Dies war für viele der Projektteilnehmenden Anlass genug, ein eignes Lastenrad anzuschaffen.
Großes Interesse an der Teilnahme
Das Interesse und die Bandbreite der teilnehmenden Branchen waren laut DLR sehr groß: Ursprünglich sollten 450 Teilnehmer dabei sein. Am Ende nahmen 755 Organisationen teil. Neben privaten Unternehmen, Handwerksbetrieben, Freiberuflern hätten auch öffentliche Einrichtungen und Vereine das Angebot des Lastenradprojektes genutzt. „Wir hatten mit 2.000 Bewerbungen mehr Anfragen als wir letztendlich bedienen konnten und es zeigte sich, dass es nicht die eine prädestinierte Branche für den Lastenradeinsatz gibt, sondern für Organisationen aller Couleur und Größe infrage kommt“, kommentiert Johannes Gruber das große Interesse der Tester.
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