von Tilman Weber
Ein Dreivierteljahr nach den ersten Ankündigungen eines Anlagendesigns, das in einer neuen Drei-Megawatt-Turbinenserie zum Einsatz kommen wird, hat Deutschlands Marktführer Enercon auf der Industriemesse in Hannover letzte Feinheiten dazu bekannt gegeben. So werden die Anlagen wie berichtet (zum Beispiel in der von unserer Redaktion produzierten Messezeitung zur Husum Wind im vergangenen September) leichter, kostengünstiger, wartungsfreundlicher, weniger aufwändig in der Baustellenmontage und leiser als die bisherigen Windturbinentypen. Die alles übergreifende Kernreform besteht indes in einem neuen Ringgenerator ohne die bisher den gesamten Antrieb umspannende eiförmige Außenhülle.
Neues kosteneffizientes Anlagendesign
Die meisten Daten hierzu hatte das Unternehmen schon in den vergangenen knapp acht Monaten bekannt gegeben. In Hannover zeigte Enercon das ganze Bild der EP3 genannten Serie mit drei Anlagentypen: Erstens wird die bisher für eher küstenferne Standorte mit mittlerem Windaufkommen und hohen Luftturbulenzen eingestellte Anlagengröße E-115 – 3,2 Megawatt (MW) – im neuen Design als Starkwindturbine fungieren. Sie rückt somit von Windklasse IEC IIa in Windklasse IEC I vor. Enercon gibt für dieses Modell allerdings bislang weder weitere Daten noch einen Prototyp an. Zweitens erhält E-126 EP3 (Prototyp im August) denselben 127-Meter-Rotordurchmesser wie der an der Starkwindanlage der zuletzt eingeführten Vier-MW-Serie EP4. Doch soll die neue Variante ihren im Vergleich zur E-115 um 12 Meter Spannweite vergrößerten Rotor an IEC IIa-Standorten drehen lassen – als 3,0-, 3,5- oder 4,0-MW-Anlage. Mit noch einmal elf Meter Rotordurchmesser mehr soll drittens die E-138 EP3 (Prototyp im Dezember) mit 3,5 MW an turbulenzreichen IEC-III-Schwachwindstandorten zum Einsatz kommen.
Schmalerer Generator - künftig ohne Achzapfen
Der Generator wird zwar einen fast so großen Durchmesser wie der in der leistungsstärkeren Vier-MW-Anlagenklasse haben, aber schmaler und leichter ausfallen. Verantwortlich dafür ist der Wegfall der bisherigen Konstruktion mit einem sogenannten Achszapfen, auf dem der Generator der getriebelosen Anlagen ebenso steckte wie die Nabe. Jetzt dreht der rotierende Teil des Generators auf einer kurzen Lagerbuchse, die mit den Scheibenflächen des Generators eben abschließt. Der stehende Teil des Generators ist am Maschinenträger befestigt. Dieser trägt als Rahmenkonstruktion auch das wesentlich verkleinerte Maschinengehäuse, das hinter dem wie ein Kragen überstehenden nun eingekapselten Generatorring folgt. Die Nabe ist an der Vorder- beziehungsweise Läuferseite der Lagerbuchse befestigt. Weil kein Achszapfen mehr hineinragt, konnten die Enercon-Ingenieure die Blattverstellmotoren in die Nabe hineinbauen. Vorher waren sie im Spinner: dem Raum rings um die Außenseiten der Nabe, den dort die eiförmige Alu-Hülle ließ.
Der große Generatordurchmesser muss die Drehkräfte der wesentlich längeren Rotorblätter auffangen – sie erreichen schließlich fast die Länge der 4,2-MW-Schwachwindanlage mit 141 Meter Rotor. Zudem erhöhte Enercon das Drehmoment der EP3 zumindest in ihrer Schwachwindvariante. Dies lässt die Anlagen langsamer und dadurch geräuschärmer drehen. Die Maximalrotation gibt das Unternehmen für die EP3-Schwachwindanlage mit 10,8 Umdrehungen pro Minute an – im Vergleich zu 12,8 und 11,6 Umdrehungen pro Minute der bisherigen E-115 und der 4,2-MW-Starkwindvariante E-126 EP4. Nur die E-141 EP4 dreht mit 10,6 Umdrehungen etwas langsamer, während gleichwohl die Blattspitzengeschwindigkeit der neuen Schwachwindanlage der EP3-Serie dennoch leicht geringer ausfällt. Je geringer das Fahrtempo der Blattspitzen desto weniger Lärm verursachen die durch die Luft zischenden Flügel. Auch standardmäßig an den Rotorblättern nun angebrachte Zackenprofile wie Vortexgeneratoren oder Serrations jeweils zur Geräuschdämpfung zählen zum Standard der EP3-Serie.
Überall verfügbare Industriefertigung von Gleichteilen im Sinn
Weitere Änderungen: Die Rotorblätter haben die inzwischen branchenweit üblichen schlanken Profile und sind nicht mehr in der Länge geteilt, wie aus logistischen Gründen bei langen Enercon-Rotorblättern üblich. Die bisherige breite Blattwurzelausdehnung der Flügel fällt somit weg. Die Generatorwicklung ist nicht mehr von Hand aus Endlos-Kupferdraht eingelegt und maschinell nachverdichtet sondern aus Aluminium-Formspulen gefertigt. Sie stammen aus einer nach Enercon-Vorgaben durch Zulieferer standardisierten maschinellen Industrieproduktion. Dabei ist einerseits das neue Material Aluminium leichter als das ersetzte Kupfer. Der laut Enercon-Geschäftsführer Simon-Hermann Wobben sieben Meter Durchmesser große Generator mit 114 Polschuhen erreicht dank Material und dank gleichmäßigerer Fertigung mehr Fülldichte – also eine höhere Leistungsdichte beziehungsweise mehr Kraft.
Neue lastmindernde Steuerungsprogrammierungen sollten zudem in Kombination mit diesen Reformen das Einsparen von bis zu jeweils 30 Prozent Fundamentmasse und Turmkopfmasse führen. Während die bisherige Turmkopfmasse der E-115 mehr als 290 Tonnen betragen habe, sinke sie im neuen Design auf unter 250 Tonnen, betonte Wobben. Standard-Azimut-Motoren können nun den Kopf der Anlage in den Wind drehen.
Hallen- statt Baustellenfertigung
Große Vorteile versprechen sich die Auricher im Transport: Viele Montagearbeiten und Schlusstests an den Antriebsmodulen haben die Enercon-Entwickler mit dem neuen Design von der Baustelle in die Halle zurückverlagert. Nicht nur der Verzicht auf geteilte Rotorblätter gehört hierzu. Auch insbesondere der komplette Zusammenbau des Maschinenhauses findet im Werk statt anstelle eines Antransports in mehreren 20-Fuß-Containern von Alu-Platten zur Endmontage der „Ei-Hülle“ auf der Baustelle. Weil das Gehäuse nun aus Glasfaserkunststoff besteht, lässt es sich auch leichter in weniger entwickelten Absatzmärkten lokal herstellen, was Transport- aber wohl auch Lohnkosten spart.
Der Generator kommt zwar aufgrund des straßentransportwidrigen Durchmessers weiterhin in mehreren Teilen auf der Baustelle an. Dank intelligenter Aufteilung müssen ihn die Enercon-Installateure aber nicht mehr auf der Baustelle ausrichten, was viel Zeit und auch technische Schwierigkeiten erübrigt. Nun liefert Enercon einen Mittelteil des Generators an, der schon den Läufer- und Statorteil sowie die von diesen Generatorteilen umschlossene neuartige Lagerbuchse enthält. Die genaue Ausrichtung der Lagerung findet so schon im Werk unter besten Bedingungen statt. Ergänzend fahren die Lastwagen zu jedem Generatormittelteil zwei „Ohren“ jeweils von Läufer und Stator an: die Außen-Drittel rechts und links vom Generatormittelteil. Auch die Nabe ist bei Enercon erstmals im Werk komplett vormontiert. Mehrere Tage der ansonsten nach der Turminstallation noch eine Woche und länger dauernden Turbinenmontage will das Unternehmen so künftig einsparen.
Zusätzlich haben die Ostfriesen vom Kooperationspartner Lagerwey neue Vier-MW-Anlagen in ihr Portfolio übernommen. Die ebenfalls direkt, aber nicht wie bei Enercon durch elektrische Fremderregung sondern mittels Permanentmagneten betriebenen Turbinen des niederländischen Entwicklers sollen für die drei Windklassen die Rotordurchmesser 136, 147 und – neuer Binnenlandrekord – 160 Meter erhalten.
Antwort auf internationale Ausschreibungen
Dass die Ostfriesen ihr Sortiment so durcheinander wirbeln und technologisch reformieren ist eine Antwort auf den Kostendruck, den weltweit neu eingeführte Ausschreibungssysteme verursachen: Hier legen Windparkprojektierer sich auf besonders niedrige Mindest-Einspeisetarife fest, um möglichst viele Zuschläge in einem Tender bei nur begrenzten Ausschreibungsvolumen zu bekommen.
Enercon verlor in diesem globalen Wettbewerb jetzt deutlich an Volumen. Während das Unternehmen in Deutschland nach eigenen Angaben mit zwei Gigawatt (GW) 2017 noch einen Rekord einfuhr, errichtete es im europäischen Ausland nur noch 1,1 GW. Im Rest der Welt erreichte Enercon ebenfalls nicht viel an konkreten Installationen. So blieb der Weltranglistenfünfte und Deutschland-Primus weit unter dem zum wiederholten Mal vergeblich selbstgesetzten Ziel der Marke von vier GW. Zielmarken von 3,5, 3,6, oder 3,7 gelten den Aurichern offenbar als Wunsch für 2020. Ein Exportmarktanteil von mindestens 60 Prozent erscheint dafür notwendig.
Mit neuen Investitionen in globale Fertigungsstätten für Türme oder Gussformen sowie der Eröffnung eines Ingenieurbüros in Kiel zur Entwicklung weiterer Technologien will Enercon sich in einer neuen Breite aufstellen. Hierzu gehören Fertigungen von großen Containerstromspeichern zur Verstetigung der Einspeisung der Windparks und von Elektroautos. Intelligente Lösungen wie der von Enercon jüngst vorgestelle E-Charger – eine Elektro-Auto-Ladestation – sollen die Sektorkopplung fördern: Die Nutzung des in guten Wetterphasen überflüssig produzierten Wind- und Sonnenstroms in anderen Energieverbrauchssektoren wie Wärmeversorgung oder Treibstoffversorgung im Verkehr. Dies erschließt neue Einnahmequellen für die Windstromerzeuger, statt dass die Branche den Windstrom bei abgestürzten Börsenstrompreisen an den Handelsplätzen verschenken muss. Es sind auch neue Einnahmequellen für Enercon – wenn die Politik wie versprochen die bisher hohe Abgabenbelastung der Sektorkopplung reduziert oder entfernt.: