Auch wenn die Neuinstallationen von Photovoltaikanlagen in diesem Jahr im Vergleich zu 2020 weiter zugelegt hat, ist das Wachstum dennoch in Gefahr. Denn die Unternehmen der Solarwirtschaft registrieren gegenwärtig einen deutlichen Auftragsrückgang bei gewerblichen Solardächern. Dies bestätigt auch eine neue Studie der Marktforscher von EUPD Research. Die Analysten haben ausgerechnet, dass die neu installierte Solarstromleistung auf Gewerbedächern – relevant sind hier Anlagen mit einer Leistung zwischen 30 und 750 Kilowatt – in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent zurückgegangen sind.
Investitionsbedingungen werden schlechter
Damit wird der Gesamtzubau in diesem Jahr vor allem von den vielen kleinen Anlagen auf privaten Hausdächern getragen. Doch warnen die Marktforscher von EuPD Research jetzt auch vor einem Einbruch des Marktes auch bei Solarenergie in Privathaushalten im nächsten Jahr. Sie sehen vor allem die kontinuierliche Verschlechterung der Investitionsbedingungen als wesentliche Ursache für den schleppenden Ausbau der Photovoltaik in dem wichtigen gewerblichen Segment und der Gefahr der Zurückhaltung durch die privaten Hauseigentümer.
Warnung: 2022 ein Drittel weniger Solarzubau
So sind die Marktprämien für neue Solarstromanlagen seit Anfang 2020 um 29 Prozent gefallen. Und sie sinken monatlich weiter. Im gleichen Zeitraum sind die Preise für Solarstromanlagen gestiegen. Die Installation neuer Solardächer werde damit wirtschaftlich zunehmend unattraktiver. „Es ist überfällig, den Anspruch des Gesetzgebers wieder einzulösen und die Fördersätze mit der Technologie- und Systempreisentwicklung sowie den verschärften Klimaschutzzielen politisch in Einklang zu bringen“, sagt Martin Ammon, Geschäftsführer und Studienleiter bei EUPD Research. „Ohne rechtzeitige politische Gegenmaßnahmen wird die Nachfrage nach Solardächern nicht wachsen, sondern im kommenden Jahr um ein Drittel einbrechen“, prognostiziert er.
Ausbauziel anheben
Entsprechend fordern der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) und der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMW) die Verhandlungsteams von SPD, B90/Grüne und FDP auf, die jährlichen Ausbauziele anzuheben, damit die Marktprämien und auch die Einspeisetarife für die kleineren Anlagen nicht mehr so schnell sinken. Der Branchenverband sieht ein jährliches Ausbauziel für angemessen.
Außerdem müsse das EEG sofort novelliert werden, damit die Voraussetzung geschaffen werden, dass dieses Ziel auch erreicht wird. Denn die Gewerbebetriebe stehen mit ihren Investitionen in den Startlöchern und warten nur darauf, dass sie sicher sein können, dass sich der Solargenerator rechnet. „Immer mehr Unternehmer wollen in Solartechnik investieren und ihren künftigen Energiebedarf aus erneuerbaren Energien sichern. Dabei treffen sie aber auf immer mehr Marktbarrieren und Bürokratie“, beklagt Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des BVMW.
Algorithmus funktioniert nicht
Das größte Hemmnis sehen die Verbände aber im sogenannten atmenden Deckel. Hier ist ein Algorithmus festgeschrieben, dass die Marktprämien und Einspeisetarife sinken, je mehr Solaranlagen errichtet werden. Die Idee dahinter ist, dass ein steigender Zubau ein Zeichen für sinkende Kosten sind und damit die neuen Anlagen weniger Vergütung brauchen, um wirtschaftlich zu sein. Die letzten Monate haben aber gezeigt, dass dieser Algorithmus nicht mehr funktioniert.
An verschärfte Klimaziele halten
Im Gegenteil: Er hat in Kombination mit zu geringen Ausbauzielen dafür gesorgt, dass der Zubau möglichst langsam geht. Deshalb solle der atmende Deckel in einem 100 Tage-Solarbeschleunigungsgesetz neu kalibriert werden, so dass er den Ausbau unterstützt und nicht behindert. Die Rahmenbedingungen müssten sich dabei klar an der Zielerreichung der erst jüngst verschärften Klimaziele orientieren. Rückendeckung erhält die Branche in dieser Frage auch vom Umweltbundesamt. Dieses hatte erst vor wenigen Wochen auf Basis einer Auftragsstudie des Öko-Instituts die Umwandlung des Deckels in eine Hebebühne gefordert, um den Investitionserwartungen von Unternehmern und privaten Verbrauchern wieder zu entsprechen.
Solarpflicht reicht nicht aus
Die von den Verhandlern einer Ampelkoalition geplante Einführung einer Solarpflicht kann Rahmenbedingungen nicht ersetzen, die zu mehr Ausbau führen. Denn dazu entfalte sie einen zu geringen Marktimpuls, um den seit Jahren bestehenden Reformstau in der Energiewirtschaft zu kompensieren. Die Branchenvertreter sehen in der Solarpflicht allenfalls eine flankierende Maßnahmen. „Wer den Klimaschutz ernst nimmt und eine Laufzeitverlängerung von Atom- und Kohlemeilern durch die europäische Hintertür verhindern will, muss den Ausbau der Solar- und Speichertechnologien jetzt massiv beschleunigen, ihre Finanzierung absichern und alle Bremsen lösen“, betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar.
Personenidentität beim Eigenverbrauch abschaffen
Neben dem atmenden Deckel müssen aber noch weitere Grundlagen für den Ausbau der Solarenergie verbessert werden. Dazu zählen die Anhebung der Ausschreibungsgrenze für solare Aufdachanlagen. Denn nach derzeitigen Regelungen müssen alle Anlagen ab einer Leistung von 300 Kilowatt eine Marktprämie in Ausschreibungen ersteigern. Außerdem fordern die Verbände, dass Solarstrom auch aus Anlagen mit einer Leistung von mehr als 30 Kilowatt ohne Zahlung der anteiligen EEG-Umlage vor Ort genutzt werden kann. Zudem müsse die Personenidentität beim Eigenverbrauch abgeschafft werden. Die neue Regierung muss dringend auch die bürokratischen Barrieren beseitigen und langfristige Planungssicherheit für Solaranlagenbetreiber schaffen.
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