Anfangs waren in Europa diejenigen nationalen Energiemärkte beim Abschluss langfristiger Stromlieferverträge führend, in denen es keine staatlich abgesicherte Einspeisevergütung durch die Netzbetreiber gab. Inzwischen nimmt das Volumen der durch so genannte Power Purchase Agreements (PPA) jährlich neu von Wirtschaftsunternehmen oder Stromhändlern unter Vertrag genommenen Grünstromkapazitäten auch hierzulande stark zu. So war Deutschland 2023 nicht weit hinter Spanien und weit vor anderen Ländern schon zweitwichtigster PPA-Markt Europas. Dies bilanzierte im Januar der Schweizer PPA-Vermittlungs- und Marktanalysedienstleister Pexapark.
Zunächst waren hierzulande vor vier Jahren erste Altwindparks an Land mit dem Ende ihres 20-jährigen gesetzlichen Mindestvergütungstarifs in PPA-Verträge mit wenigen Jahren Laufzeit gewechselt, wobei die oft nur zweijährigen Stromlieferzeiten die mittelfristig ungewisse Restlaufzeit der Altturbinen berücksichtigen. Gut ein Jahr später konnten die nach Grünstrom hungernden Wirtschaftsunternehmen sich auch Offshore-Windpark- und ein wenig später große Photovoltaik-Freiflächen-Projekte mit fünf- bis zehnjährigen PPA als künftige Elektrizitätslieferanten sichern. Denn bei beiden – Meereswindkraft und Freiflächen-Photovoltaik (PV) – drückt ein scharfer Wettbewerb der Investoren die Gebote für spätere Vergütungen in den Keller – so sehr, dass sie PPA als Ergänzung für den wirtschaftlichen Betrieb benötigen. Und nun werden Stromlieferverträge auch in Deutschland zusätzlich für neue Windparks an Land interessant, wie das PPA für einen 50-Megawatt-Windpark im Harz des Energieversorgers Engie belegt.
67 Prozent seines Stroms liefert demnach Windpark Holtensen-Hullersen mit 49,5 Megawatt (MW) Nennleistung ab April fünf Jahre lang dem kunststoffverarbeitenden Industrieunternehmen Rehau. Der Engie-Windpark aus neun hochmodernen bis zur oberen Flügelspitze 240 Meter hohen Anlagen soll so 24 Prozent des Jahresverbrauchs in den Werken der Teilkonzerne Rehau Automotives, Rehau Industries und Raumedic abdecken.
Es handelt sich bei dem Vertrag um ein so genanntes Off-Site PPA, wie die Partner noch im Februar bekannt gaben. Hierbei speist der Windpark an seinem Standort nahe der niedersächsischen Stadt Einbeck den Strom ein, den Rehau an seinen Werksstandorten wieder aus dem Netz zieht. Betreibendes Unternehmen des Windparks ist das unabhängige Energie produzierende SAB Wind Teams.
Ein Problem der PPA mit wetterabhängig produzierenden Grünstromanlagen bleibt freilich im Grundsatz die nicht von Windkraft- oder PV-Technik alleine steuerbare Erzeugung. Denn natürlich können Windparks und PV-Freiflächenfelder oder gar PV-Dächer die gewünschte Elektrizität nicht immer liefern. Um dann nicht zu möglicherweise hohen Kosten den fehlenden Strom auf kurzfristigen Spotmärkten nachkaufen zu müssen, setzten Projektentwickler beim PPA zuletzt auf Hybridprojekte. Hier ergänzen sich Wind- und PV-Anlagen, weil sie zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten saisonal jeweils mehr und jeweils weniger Strom erzeugen. Andere setzen auch auf eingebaute Speicher, um die Energieeinspeisung zu puffern und so zu verstetigen.
Die Attraktivität zeigt sich bereits im Kleinen, wie beim Juwi-Projekt Wind + Speicher aus zwei Windenergieanlagen vom Typ V136 mit jeweils 4,5 MW Nennleistung sowie einer Drei-Megawattstunden-Batterie. Ein PPA sichert hier die Stromabgabe an die Stromhandelsschwester MVV Trading im Juwi-Mutterkonzern ab. Die Hamburger Investmentgesellschaft CEE-Gruppe kaufte das Projekt mitsamt PPA 2021 schon ein Jahr vor der Fertigstellung.
Auch Abo Wind aus Wiesbaden kombiniert Hybridanlagen mit PPA, erstmals bei einem Fünf-MW-Projekt aus Photovoltaikanlagen und einem Batteriespeicher, wie Firmensprecher Alexander Koffka mitteilt. Seit sie 2021 eine neue Abteilung für Energievertrieb eingerichtet hatten, schlossen die Südhessen zudem langfristige Lieferverträge für 14 Erneuerbare-Energien-Parks in Finnland, Spanien, Frankreich, Kolumbien und Deutschland ab und vertiefen ihr PPA-Engagement mehr und mehr. Nun denken sie Hybrid offenbar auch weiträumig: So kamen zuletzt zwei Abnahmeverträge zeitgleich mit einem US-amerikanischen Technologieübernehmen zustande für einen modernen 30-MW-Windpark aus V162-Vestas-Turbinen in Finnland und einen 50-MW-Solarpark in Spaniens Zentralprovinz Guadalajara.
In skandinavischen Ländern wie Finnland und auch Schweden, wo frühere staatlich abgesicherte Vergütungstarife von mehr marktwirtschaftlich ausgerichteten Stromhandelsregelungen abgelöst sind oder ein Zertifikatehandelssystem die vertragliche Absicherung direkter Stromlieferungen attraktiv macht, sammeln sich unterschiedlichste Unternehmen schon regelmäßig ihre Stromkapazitäten zusammen. So meldete Windparkprojektierer WPD vergangene Woche, dass Internet- und Computertechnik-Konzern Microsoft den Strom des frisch in Betrieb gegangenen Windparks Stöllsäterberget mit 47,2 MW Gesamtleistung abnimmt.
Doch auch wo Akteure die Stromlieferverträge gemäß eher vorsichtiger Kalkulation noch auf große Offshore-Windparks, PV-Freiflächenparks oder über 20 Jahre alten Windparks an Land begrenzen, sind die Zahlen beeindruckend. So hat das bayerische Vielzweck-Erneuerbaren-Unternehmen Baywa RE nach eigenen Angaben seit 2021 „für Anlagen mit einer Größe von 2.150 MW PPA abgeschlossen“, davon ein Großteil als „Kurzfrist-PPA für Anlagen im Weiterbetrieb“, ebenso wie viele „Langfrist-PPA für Greenfield-Anlagen“ bei PV. Nicht berücksichtigt seien hierbei „Mengen, die wir als Festpreis-Absicherung oder die wir als Downstream für Industriekunden abgeschlossen haben.“ Weiterhin seien in Deutschland PPA „vor allem für Altwindparks, für die keine EEG Vergütung mehr gezahlt wird, wirtschaftlich interessant oder für Solarparks jeden Alters“.
Die somit alleine in den vergangenen drei Jahren durch Baywa RE abgeschlossenen PPA verteilten sich im Wesentlichen mit 1,7 GW auf Windkraft und 0,4 GW auf PV.
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