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Wärmewende

Namibia-Wärme für Hamburg?

Noch bis Ende dieses Jahres dürfen die Forscher und Entwickler des Konzepts im vom Entwicklungshilfeministerium geförderten Projekt „Nutzung von Busch-Biomasse“ daran arbeiten. Bis dahin soll „Nutzung von Busch-Biomasse“ sowohl den Wert und die Machbarkeit des Vorhabens belegen, als auch Umfang und Fahrpläne für die geplante Verfeuerung von Buschholz aus dem ehemals zu den deutschen Kolonien gehörenden Land darlegen. Träger des Projektes ist die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die GIZ ist dem deutschen Entwicklungshilfeministerium zugeordnet. Ihre Aufgabe ist es, Entwicklungspartnerschaften zwischen Deutschland und ärmeren Ländern mit auch für den schwächeren Partner wirtschaftlich und sozial und womöglich ökologisch vorteilhaften Geschäften aufzubauen.

Tatsächlich dringen Gestrüpp und Akazienbäume in Namibia auf Savannenland vor und reduzieren damit die für Viehzucht wichtige Savanne. Mit einer kontrollierten nachhaltigen Rodung ließe sich ausreichend Holz für den Export nach Hamburg gewinnen, so lautet die Arbeitsthese des Forschungsprojekts. Und mit diesem Holz als Brennstoff könnte die Fernwärmeversorgung in Hamburg nach dem Kohlekraftausstieg nachhaltig werden. Doch schon im vergangenen Jahr hatten viele Umweltschutzverbände in einem gemeinsamen Brief vor dem Projekt gewarnt. Nun protestieren erneut Umweltschutz-Organisation mit einem offenen Brief an Entwicklungshilfeminister Dirk Müller, die Klimakrise würde mit dem Projekt sogar „angeheizt“.

Die Verfechter der Buschholzverfeuerung in dem vom Kohlekraftausstieg betroffenen Heizkraftwerk Tiefstack stützen ihre Pläne darauf, dass die Ausbreitung der Buschgebiete weit schneller verläuft, als aktuelle Rodungen. Im Heizkraftwerk Tiefstack wiederum müsste gemäß bisherigen Planungen nach dem Wegfall der Kohleverbrennung die Fernwärmeleistung durch einen Umstieg auf den weniger CO2-intensiven, aber dennoch fossilen Energieträger Gas aufrecht erhalten werden. Um diesen zu ersetzen, genüge der Import von 0,3 bis 0,4 Millionen Kubikmeter „holzartige Biomasse“ im Jahr, so notierte es auch der Hamburger Energietisch (HET) im Frühjahr 2020. Der HET ist ein Gremium zur breiten Diskussion der Energiewende in der Hansestadt und befürwortet die Nutzung des namibischen Holzes auch tendenziell. Der Import für Tiefstack würde nur drei Prozent des derzeitigen jährlichen Zuwachses an Buschfläche in dem Land ausmachen, referiert der HET den Standpunkt der Projektakteure. Und ein Import von zusätzlich zwei Millionen Kubikmeter namibischen Buschholzes würde ein Fünftel des jährlichen Buschzuwachses dezimieren. Es würde aber in Hamburg auch noch erübrigen, dass einer der beiden Blöcke im schon stillgelegten Hamburger Steinkohlekraftwerk Moorburg ebenfalls noch auf Gasverfeuerung umstellen muss.

Die Unterstützer des Projektes seitens des GIZ und des Ministeriums argumentieren auch ökologisch. Die Savanne als offenes Grasland könne wesentlich mehr CO2 speichern, als das mit kargen Böden einhergehende Buschland. Außerdem verhindere es, dass die Bevölkerung mit umweltschädlichen Methoden auf eigene Faust die Rodung vorantreibe. Die Verbuschung sei ein großräumiges Problem in Namibia und betreffe bereits 30 Prozent der Landesfläche, so rechtfertigt die Befürworterseite das geplante Volumen auch aus Namibiasicht.

Der HET warnt allerdings auch, die Projektakteure würden bislang nicht alle Aspekte des Vorhabens transparent offenlegen. So sei die vorgelegte CO2-Bilanz lückenhaft, da „die klimarelevanten Vorketten“ – abgesehen vom Transport – noch nicht vollständig angegeben“ seien. Außerdem kritisiert der HET, dass die sich abzeichnende „Partnerschaft der Wärme Hamburg GmbH mit irgendwelchen undurchsichtigen Investoren“ der Namibia-Buschholz-Verwertung aus historischer Erfahrung keine gute Basis sei. So verweist HET auf einen früheren Anlauf des Moorburg-Betreiberkonzerns Vattenfall, der eine Holzimport-Partnerschaft zur Energiegewinnung mit Liberia zum Ziel hatte. Nach viel Kritik an den ökologischen Gefahren war das Projekt schließlich gescheitert. Der HET will daher, dass die Buschholz-Energieverwertung nur im Rahmen einer Partnerschaft zwischen dem Staat Namibia und der Stadt Hamburg entstehen darf.

Die Umweltschützer argumentieren in ihrem Schreiben vom 18. Februar auch, die GIZ-geförderte Studie genüge auch in Teilen den wissenschaftlichen Maßstäben nicht. Außerdem übersehe sie, dass durch die Holzentnahme nicht automatisch Naturvielfalt entstehe. Stattdessen drohe eine intensive Nutzung durch Rinderfarmer für den Fleischexport. In diesem Fall wäre von einer wieder zunehmenden Speicherung des Klimatreibhausgases Kohlendioxid (CO2) nicht viel übrig – wobei der vermehrte Anstieg von Methan-Emissionen durch die Rinder sogar zu noch klimaschädlicheren Emissionen führen könne. Auch überschätzt das GIZ gemäß der Umweltschützerkritik der wirtschaftliche Nutzen für die Partner in Namibia bei einer nur geringen Wertschöpfungstiefe und wenig Vorteilen für die regionale Entwicklung. Zuletzt könne ein Naturstoffexport in diesem Ausmaß auch nicht berücksichtigen, dass die Verbuschung bei nachhaltigerer aber kleinräumiger Pflege des Landes auch Lebensraum für viele Tierarten mit sich bringen könne.

Der geschäftsführende ehrenamtliche Direktor des Institutes IfaS (Institut für Angewandtes Stoffstrommanagement) hält die Kritik für unlauter. So betont Peter Heck, die Kritiker ignorierten die Art und Weise des Zustandekommens des Projektes sowie die sanfte Ausbeutungsstrategie: Der namibische Staat selbst habe vorneweg die Hansestadt Hamburg um Hilfe gebeten. Die Entbuschung stelle zudem keine Komplett-Rodung dar, sondern nur „eine Ausdünnung mit maximal 30-Prozent-Entnahme der Buschbiomasse nach strengen von der Regierung festgelegten Regeln“.