Nicole Weinhold
In rund zwei Wochen soll die Kohlekommission ein letztes Mal zusammen kommen. Gerade hat es ein Treffen mit der Kanzlerin gegeben, wo es wiederum nicht um ein Kohleausstiegsszenario, sondern nur um Geld für die betroffenen Bundesländer ging. Wir fragten Professor Volker Quaschning von der HTW Berlin, wie er die Verhandlungen wahrnimmt und wie Deutschland in Bezug auf seine Klimaschutzziele da steht.
Welches Ausstiegsszenario wünschen Sie sich von der Kohlekommission?
Volker Quaschning: Ein Ausstiegsszenario, mit dem man überhaupt die Chance hat, die Klimaschutzziele zu erreichen. Ziel ist es, die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Im neuen IPCC-Report steht: wenn wir dieses Ziel sicher erreichen wollen, müssen wir 2040 klimaneutral sein. Und Kohle ist nicht gerade der Energieträger, der als letztes ersetzt werden sollte. Die Reihenfolge sollte sein: erst raus aus Kohle, dann aus Öl und zuletzt weg mit dem Gas. Mit der Kohle muss spätestens 2030 Schluss sein, wenn wir 2040 klimaneutral werden wollen.
Wie sind für Sie die Verhandlungen der Kohlekommission bisher verlaufen?
Wirkliche Ergebnisse wurden bisher nicht verkündet. Es geht natürlich um viel Geld. An der Kohle hängen einige Existenzen, aber Deutschland ist ein reiches Land, also kann man darüber reden, den betroffenen Menschen eine Absicherung zu geben. Auch der Strukturwandel in der Region muss finanziell unterstützt werden. Schade ist aber, dass das Bekenntnis zum Klimaschutz fehlt. Man sollte für den Klimaschutz endlich das tun, was erforderlich ist, dann schauen, was das für die Menschen bedeutet und das dann ausgleichen. Stattdessen versucht man es anders herum zu machen: Möglichst keine Veränderung für die Leute und dann schauen wir, was wir dann noch für den Klimaschutz machen können. Das sind komplett konträre Positionen, die nicht zusammen passen.
Klimaschutz ist zweitrangig…
Naja, vielleicht drittrangig. Wenn man sich NRW anschaut, spielt das Thema überhaupt keine Rolle. Schwarz-Gelb hat z.B. den Windenergieausbau gedrosselt und versucht am Hambacher Forst Fakten bei der Kohleförderung zu schaffen. Da gibt es kein Konzept, wie man überhaupt klimaneutral werden könnte. In den anderen Kohleländern wie Brandenburg sieht es ähnlich aus. Wenn wir weiter so vorgehen, werden wir nie klimaneutral.
Die Landesregierungen wurden von den Bürgern gewählt.
Genau. Bei der letzten Bundestagwahl war das Klimaschutz nicht mal mehr unter den Top-Ten-Themen. Und wenn ein Thema nicht wahlentscheidend ist, kann man nicht erwarten, dass eine Regierung das als hohe Priorität ansieht. Wir hatten den Dürresommer und jetzt die extremen Schneefälle. Man muss abwarten, ob die Warnsignale zum Umdenken führen. Die Menschen müssen aufgeweckt werden. Dass sie präventiv einen Plan unterstützen, kann man leider nicht erwarten. Es muss offenbar erst wieder wie bei der Kernenergie ein Unglück passieren, bevor die Leute schlau werden.
Wären die Klimaziele 2020 eigentlich noch zu schaffen?
Naja, jetzt ist 2019. Das dürfte schwer werden. Wir hatten 2018 einen Rückgang der Kohlendioxidemissionen von rund sechs Prozent wegen des Hitzesommers. Aber auch das reicht nicht. Wie können wir die 2020-Ziele noch schaffen? Mit einem noch größeren Dürresommer, mit einer Wirtschaftsrezession und wenn man dann noch die Kohlekraftwerke teilweise abschaltet. Hätte man gleich angefangen, bevor die Kohlekommission getagt hat, dann hätten wir noch eine Chance gehabt. Wenn man aber erst zwei Jahre redet, dann lässt sich das Problem auch irgendwann nicht mehr lösen. Die Weichen für das 2020-Ziel hätte man schon vor einigen Jahren richtig stellen müssen. Jetzt ist es zu spät.
Aber ist es nur politisch nicht machbar oder auch technisch?
Die Zeit reicht einfach nicht. Es fehlen nicht ganz zehn Prozent CO2-Einsparung. Aber wie sollen wir in nicht ganz einem Jahr ein Viertel der Einsparung erzielen, die wir seit 1990 nicht erzielt haben?
Wir exportieren immer mehr Kohlestrom. Wenn wir sagen würden, wir schalten die Kraftwerke ab, die für den Export arbeiten?
Das würde schon helfen. Das wären dann rund 50 Terawattstunden. Wir würden aber nicht alles abschalten können, weil wir europäische Verpflichtungen haben. Wenn wir einen kalten Winter bekommen, können die Franzosen sich nicht selber versorgen. Da kann man schlecht sagen: um die Klimaziele zu erreichen, lassen wir die Kohlekraftwerke aus. Wenn ein Winter mit minus 20 Grad kommt und man Netze abwerfen muss, dann würden wir massive Widerstände erleben. Wir wollen ja auch Versorgungssicherheit gewährleisten. Das bedeutet beim Kohleausstieg, man muss gewissen Reserven haben. Man kann einiges abschalten, fünf oder sechs Prozent CO2-Rückgang halte ich für nicht so problematisch. Aber zehn kriegen wir nicht aus dem Stehgreif hin.
Aktuelle Infos zu Klima und Energiewende finden Sie auf der Website von Volker Quaschning.