Nicole Weinhold
Okay, weder der Drehbuchautor Magnus Vattrodt noch Juli Zeh selbst, Autorin des Bestsellers Unterleuten, haben groß Ahnung von Windkraftplanung. Das merkt man eigentlich immer, wenn es um die Details geht. Aber egal. Unterleuten ist ein toller Gesellschaftsroman und der gleichnamige ZDF-Dreiteiler ist ebenfalls gelungen. Derzeit übrigens noch in der Mediathek abrufbar.
Worum geht es? Unterleuten ist ein fiktives Dorf in der brandenburgischen Provinz. Hier leben Wende-Gewinner und Wende-Verlierer zusammen, Ostalgiker, Kapitalisten, zugereiste Städter und Alteingesessene. Idylle ist ein Trugschluss. Fehden und Intrigen gären seit Jahrzehnten, während Neulinge meinen, einen Anspruch auf ländliche Naturidylle zu haben. Als ein Windpark in unmittelbarer Nähe zum Dorf entstehen soll, spaltet das die Bewohner. Veränderungen will niemand. Keiner weiß so richtig, was die Frau von der Windkraftplanungsfirma will, aber alle regen sich auf. Alles soll so bleiben wie bisher. Nur der Bürgermeister hofft, mit dem Windpark die klammen Gemeindekassen auffüllen zu können. Und dann gibt es noch diejenigen, die eine Chance wittern, durch die eigenen Ländereien profitieren zu können.
Landidylle, Neid und alte Feindschaften
Warum klappt es eigentlich mit der Energiewende in Deutschland nicht? Warum haben wir so viele Windkraftgegner? Unterleuten gibt darauf Antworten. In einer Szene etwa wird einem Protagonisten klar: Es geht hier gar nicht um den Windpark. Stattdessen hat jeder seine eigenen Überlegungen, die ihn antreiben. Die zugezogene Pferdenärrin will sich im Dorf beliebt machen und tritt deshalb gegen die Windkraft an. Zwei alte Kontrahenten wollen sich um jeden Preis nur gegenseitig das Geschäft kaputt machen, weil sie sich nicht ausstehen können. Ein Vogelschützer war kurz zuvor noch Hochschuldozent in Berlin und gibt sich seit Neuestem der Ornitologie hin. Dann aber auch mit allem Nachdruck, und ganz nebenbei kämpft er auch dafür, dass der Horizont hinter seinem Haus frei bleibt von Windkraft. Als dafür der seltene Kampfläufer nicht mehr ausreicht, fängt er an, Goldhamster in der Wiese zu suchen. Und seine Frau wiederum? Die fühlt sich plötzlich so wichtig und so nützlich, als sie anfängt, Unterschriften gegen die Windkraft zu sammeln.
Gemeinsam mit den Menschen vor Ort Windkraft planen
Was derweil überhaupt kein Thema ist, das ist die Energiewende. Und genau so muss man sich das vielleicht vielerorts vorstellen: Da kommt jemand mit Anzug und Laptop von irgendwo angereist und verkündet den Bau von 200 m hohen Windkrafanlagen in der Nähe des Dorfs. Die Dorfbewohner finden das nicht schön. Und darin steckt die Lektion: Nur wenn es gelingt, gemeinsam mit den Menschen etwas zu entwickeln, wovon jeder einzelne spürbaren Nutzen hat, dann gelingt die Energiewende.
Ein kleiner Trost: nach schwachem Windkraft-Zubau 2019 geht der Landesverband Berlin/Brandenburg des Bundesverbandes Windenergie (BWE) in diesem Jahr wieder von mehr Neuinstallationen aus. Ab 2021 droht jedoch der Rückbau von vielen Altanlagen. Mit Unternehmensansiedlungen wie der von Tesla oder BASF steigt insgesamt die Nachfrage nach erneuerbarem Strom aus Brandenburg.
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