Nicole Weinhold
Wie sieht der Alltag in Zeit des Coronavirus bei einem mittelständischen Regenerativunternehmen aus? Beispiel Enertrag. „Die Schutzmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie greifen auch stark in unseren Arbeitsalltag ein. Unser Corona-Team prüft täglich die Lage, informiert Kollegen, verteilt Passierscheine, sorgt für regelmässige Desinfektion, schafft Lösungen für mobiles Arbeiten und Heimarbeit. Der tägliche Weiterbetrieb der Energieanlagen fordert Einsatz und Kreativität wie nie zuvor. Sicherheit steht dabei nach wie vor an erster Stelle“, erklärt Enertrag-Vorstandsvorsitzender Jörg Müller.
Ernezgungsanlagen warten und prüfen
Windenergie-, Photovoltaik-, Biogasanlagen, Umspannwerke, Stromnetze, Speicher und Anlagen zur Wasserstofferzeugung werden von Enertrag betrieben und instand gehalten. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten die Mitarbeiter der Warte, die Tag und Nacht über 1.000 Windkraftanlagen überwachen. Ebenso wichtig ist die Arbeit der Service- und Inspektionsteams, die täglich vor Ort an den Maschinen arbeiten. Überall gelte es dabei laut Müller, möglichst viel Abstand voneinander zu wahren und durch permanentes Informieren und Rückfragen mögliche Infektionen im beruflichen oder privaten Umfeld so früh wie möglich zu erkennen. „Das ist für uns alle eine erhebliche Arbeitsmehrbelastung“, erklärt Jörg Müller weiter.
Zeitverzug auf der Baustelle
Aber auch der Bau und die Planung neuer Anlagen dulden laut Enertrag keinen Zeitverzug. Der Ausbau erneuerbarer Energie hat oberste Priorität – was nütze ein Sieg über das Virus, wenn danach keine preiswerte, saubere Energie zur Verfügung steht? Es gibt offenbar erste Lieferverzögerungen, welche, wenn sie lange andauern, die Stromproduktion spürbar verteuern. Ein großes Problem ist laut dem Energieunternehmen auch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, zumal Enertrag international tätig ist. "Unsere Mitarbeiter im Service, Anlagenbetrieb, Bau und in der Projektierung müssen über die Landesgrenzen hinweg tätig sein. Gerade errichten wir 38 Windenergieanlagen mit insgesamt 186 Megawatt Leistung in Dargikowo und Karlino an der polnischen Ostseeküste. Eine solche Großbaustelle kann nicht ohne erhebliche Mehrkosten angehalten werden", erklärt Müller. Der Zeitverzug, der durch einen Stopp entsteht, sei am Ende vielfach größer als die Zeit des Baustopps selbst.
Verlängerung der Realisierungsfrist für Windenergieprojekte
Es gibt dabei laut Enertrag zentrale regulatorische Vorgaben, die seitens der Bundesregierung zu lockern sind. So müssen nach derzeit geltendem Recht Windfelder innerhalb von 24 Monaten nach dem Zuschlag in Ausschreibungen ans Netz gehen. Bislang ungenehmigte Bürgerwindprojekte aus dem Jahr 2017 haben 48 Monate Zeit. Um beim Ausbau der Windenergie nicht einen Rückwärtsgang einzulegen und eine ganze Zukunftsbranche zu gefährden, ist es daher notwendig, eine Verlängerung der Realisierungsfrist für Windenergieprojekte zeitnah sicherzustellen. Ohne diese droht nach der Zwangspause durch Corona das vorläufige Ende des Zubaus.
„In Zeiten von Corona benötigen wir umso mehr ein entschlossenes Handeln der politischen Entscheidungsträger, den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Sektorkopplung als Motoren für eine zukunftsfähige Beschäftigung und die Transformation der Gesellschaft – denn ohne Energie ist alles nichts.“, appelliert Jörg Müller an die Bundesregierung.