Nicole Weinhold
Am 19. März findet der Mitteldeutsche Windbranchentag in Halle statt. Und er verspricht spannend zu werden. Martin Maslaton, Rechtsanwalt für erneuerbare Energien mit Sitz in Leipzig, über die Herausforderungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Welche besondere Situation gilt für Windparkplaner, die in Mitteldeutschland – sprich in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – planen wollen? Gibt es etwas, das in allen drei Bundesländern gleichermaßen zutrifft?
Martin Maslaton: Alle drei haben etwas Schreckliches gemeinsam: Sie sind von einer irrationalen AfD-Paralyse durchfressen. Das wird deutlich an Reiner Haseloffs Äußerungen zur Kohle: Schon zu Beginn der Verhandlungen sagte er, der Ausstieg koste allein in Sachsen-Anhalt Milliarden Euro. Das kann nur aus Angst vor der AfD zustande kommen, denn die Kohle ist in Sachsen-Anhalt ehrlich gesagt vollkommen egal. Aber was die AfD in Sachsen-Anhalt zum Thema Kohle von sich gibt, ist ein Grund, dass man sich da so verhält. In Thüringen fürchtet die Regierung um ihre Mehrheit. Deshalb kommen dort diese Irrationalitäten hoch. In Sachsen hat die AfD die Anti-Windkraft-Politik zum wichtigsten Thema neben dem Ausländerhass gemacht. Ministerpräsident Michael Kretschmer hat zum Kohlekompromiss in einem Interview gesagt, beim Thema Windenergie bestehe die Hauptaufgabe darin, regelnd einzugreifen, um den Windwuchs zu verhindern. Seit Jahren ist das Innenministerium in Dresden für diese vernichtende Regelung verantwortlich. Das ist AfD-getrieben.
Kommunalwahlen stehen im Mai an und Landtagswahlen im September und Oktober in Sachsen und Thüringen. Das macht sich also in der aktuellen Windkraftpolitik in diesen Ländern bemerkbar?
Martin Maslaton: Massiv. Als es um diese Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Privilegierung der Erneuerbaren ging, die ja von Brandenburg initiiert wurde, da hat auch Sachsen mitgemischt. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus.
Wie soll man diesen Bewegungen begegnen? Haben Sie ein Patentrezept?
Martin Maslaton: Ein Patentrezept fehlt. Wir sollten versuchen, die baurechtlichen Vorschriften in Paragraf 35 zu unseren Gunsten zu verändern. Es gibt einen sogenannten Abwägungsabschichtungsvorbehalt. Hinter diesem Wortmonster verbirgt sich, dass Dinge, die in der Regionalplanung abgewogen wurden, in weiteren abwägungsrelevanten Vorgängen nicht mehr abgewogen werden. Also wenn man sich in der Regionalplanung um den Denkmalschutz gekümmert hat und gesagt hat, Denkmalschutz spielt keine Rolle, dann darf das eigentlich nirgendwo eine Rolle spielen. Das gilt aber nur für Ermessensentscheidungen. Die Erteilung einer BImSchG-Genehmigung, einer Baugenehmigung, ist eine gebundene Entscheidung und deshalb wird rechtlich zu Recht gesagt, dass die ganzen Entscheidungen, die für uns in der Regionalplanung getroffen wurden, im immissionsschutzrechtlichen Verfahren auch gegen uns getroffen werden können. Und da müsste der Gesetzgeber einfach nur sagen, dass Entscheidungen, die in der Regionalplanung getroffen wurden, inhaltlich bindend für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sind. Das ist das juristische Kleinwerkzeug. Und was ich als Message rüberbringen will im Rahmen der Privilegierung, dass mir das viel zu passiv ist. Man müsste sagen, wir wollen im Sinne des Fortschritts die Privilegierung für uns verändern. Das ist Bundesrecht. Das müsste auf Bundesebene geändert werden, schlägt aber in allen Ländern durch, weil die Regionalplanung wiederum Länderrecht ist.
Gibt es weitere Möglichkeiten, wie das Bundesrecht auf problematische Länder positiv wirken könnte?
Martin Maslaton: Ja, dafür müsste das Bundesrecht allerdings verändert werden. Ich glaube, wir alle warten darauf, was denn jetzt in Umsetzung der Kohlekommission-Kompromisse rechtlich gemacht werden soll. Ihr Ergebnis ist ein bisschen wie das Orakel von Delphi. Jeder interpretiert das hinein, was er will. Ich meine, gerade für Sachsen muss man dafür sorgen, dass dem Geben von Milliarden an eine Regierung, die seit Minimum 20 Jahren die Windenergie verhindert, fest vereinbarte Leistungen gegenüberstehen. Übrigens wird auch in der jetzigen Koalition Windkraft verhindert, obwohl man ja vor fünf Jahren gesagt hat: Was die CDU auf Bundesebene will für den Windenergieausbau, das machen wir auch. Man hat diese Politik zielgerichtet im Innenministerium verhindert.
Während die Erneuerbaren bundesweit bei 40 Prozent angekommen sind, dümpelt Sachsen bei 22 Prozent herum.
Martin Maslaton: Die Ausbauziele sind nie ernst gemeint gewesen. Im ersten Jahr wurde gesagt: Wir können jetzt nichts machen, weil die Landräte gewählt werden. Dann hat man gesagt: Die Zahlen stimmen nicht. Wir müssen noch neue Erhebungen machen. Für die neue Erhebung müssen wir eine Ausschreibung machen. Als wir die Ergebnisse hatten, musste das in der Regionalplanung umgesetzt werden. Ich will das jetzt nicht alles weiterleiern, aber Tatsache ist: Es hat sich nichts getan.
Und welche Gegenleistungen müssten jetzt beim Kohlekompromiss vereinbart werden?
Martin Maslaton: Da fordere ich wirklich für den Landesverband – und das sollte in allen Ländern sein, wo Geld für die Kohle hingegeben wird –, dass es davon abhängig gemacht wird, dass die Windenergie dort vorwärts kommt. In den alten Abbaugebieten haben sie wunderbare Möglichkeiten zur Aufstellung von Windenergieanlagen. In Sachsen-Anhalt gab es ein Atomkraftwerk, das allerdings nie in Betrieb genommen wurde: Auf diesem alten Gelände kann keine Windenergie gebaut werden. Wenn dieses Land Kohleentschädigung haben will, muss damit ein Ausbau von Windkraft einhergehen. Und ich weiß, dass das in der Kohlekommission gefordert wurde, aber das wurde nirgends festgeschrieben. Das ist die große politische Aufgabe für die Windbranche in Mitteldeutschland: die Umsetzung des Kohlekompromisses und wie die Windenergie davon profitieren kann.
Wäre das etwas, das außerhalb der Ausschreibungen stattfinden müsste?
Martin Maslaton: So sehe ich das. Zum einen sind das Genehmigungshindernisse. In Sachsen-Anhalt muss zum Beispiel das Straßenrecht dringend geändert werden, damit es dort vorwärtsgeht. In Sachsen muss fast alles geändert werden. In Thüringen müsste das Klimaschutzgesetz quantitativ ergänzt werden. Das heißt: Wie viel Fläche wird für die Windkraft zur Verfügung gestellt? Was die Ausschreibungen anbelangt: Wenn wir die Ziele erreichen wollen, muss da drinstehen, dass es ein bestimmtes Kontingent gibt, das nicht ausgeschrieben wird. Das ist derzeit nicht durchsetzbar. Aber Milliarden zu verschenken, um dann nur eine Teilnahmemöglichkeit für die Ausschreibungen zu eröffnen, das ist zu wenig. Wo übrigens die drei Bundesländer die Antwort bisher schuldig geblieben sind: Was ist denn, wenn demnächst alte Anlagen in großer Stückzahl vom Netz gehen? Wie soll dieser Rückgang der Windkraftleistung aufgefangen werden?
Dieser Artikel ist in der Sonderpublikation von ERNEUERBARE ENERGIEN zum Mitteldeutschen Windbranchentag erschienen.