Nicole Weinhold
Viel Partizipation führe nicht automatisch zu hoher Akzeptanz, gab Uwe Hitschfeld, Büro für strategische Beratung, im Rahmen einer Debatte zu Akzeptanz auf dem Energiewende-Kongress der Dena zu bedenken. Das Thema treibt die Windbranche derzeit um. Eine kleine, gut organisierte Gruppe von Windkraftgegnern sorgt für Klagen gegen so viele Windkraft-Vorhaben, dass kaum mehr ein Windpark aufgebaut werden kann.
Akzeptanz durch klare Verfahren
"Ich glaube, es gibt keinen Mangel an Partizipation", so Hitschfeld. Akzeptanz fördere man vor allem durch klare Verfahren, so der Berater. Zudem müsse man Anliegen der Betroffenen ernst nehmen. "Partizipation ersetzt nicht Verantwortung in der Politik", gab er seinen Zuhörern noch auf den Weg. Und tatsächlich ist sich die Branche in weiten Teilen einig, dass eine Verbesserung der Situation eintreten würde, wenn die Politik sich deutlich und geschlossen hin die Windkraft - und damit hinter ihre eigenen Regenerativausbau-Ziele stellen würde. 65 Prozent Erneuerbare 2030 gelingen nur mit einem deutlichen Ausbau der Windkraft.
Hermann Hüwels von der DIHK betonte dies ebenfalls: beim aktuellen Verbrauch von 600 TWh Strom pro Jahr würden 3,5 GW Wind an Land jährlich an Zubau nötig sein. Berücksichtigt man noch den Ersatz alter Windenergieanlagen, seien es bereits 5.500 MW an Windzubau. Nimmt man dann noch einen Anstieg des Stromverbrauchs an, so Hüwels, sei man schon bei 6.500 MW Windzubaubedarf jährlich - allein onshore. Um Planung und Genehmigung zu beschleunigen, so Hüwels, sei eine bundesweit einheitliche Lösung beim Vogelschutz nötig - eine Technische Richtlinie, wie sie auch für Schall besteht.
14 Prozent würden gegen Windkraft demonstrieren
Moderatorin Hanne May, Kommunikationsleiterin der Dena, lieferte Zahlen zur Akzeptanz. Insgesamt ist die Zustimmung für Windenergie nach wie vor riesig, aber die Zahl verringert sich, sobald es um Projekte vor der eigenen Haustür geht. Bei Windenergie sei die Zustimmung auf 51 Prozent zurück gegangen – wenn es um Anlage im eigenen Wohnumfeld geht. Allerdings bei der Frage: Würden Sie auf die Straße gehen gegen einen Windparkbau im Wohnumfeld? sagten nur 14 Prozent, das würden sie tun. 82 Prozent würden nicht gegen Windkraft protestieren.
Akzeptanz durch Dialog
Der Bundestagsabgeordnete Bernd Westphal (SPD), erklärte: "Wenn man einen Dialog organisiert, dann würde es mehr Akzeptanz für Windenergie geben." Mit den derzeit diskutierten größeren Abständen der Windkraft zur Wohnbebauung werde dagegen der Ausbau gestoppt. Jetzt müsse die Politik klug handeln, fordert er: "Wenn wir die regenerative Industrieproduktion am Standort halten wollen, brauchen wir einen enormen Ausbau der Erneuerbaren."
Angst vor dem Fremden
Julia Verlinden, Klimaexpertin der Grünen im Bundestag, verwies beim Stichwort Protest gegen Windkraft darauf, dass mit den Fridays for Future längst mehr als doppeltsoviele Bürger für die Erneuerbaren auf die Straßen gehen als demonstrierende Gegner. Interessant Verlindens Hinweis auf eine AEE-Studie auch: Die Zustimmung derer, die schon auf Windparks schauen, sei deutlich höher als bei denen, die es nicht tun. Diese Erkenntnis lässt sich wahrscheinlich unter "Angst vor dem Fremden" verbuchen und erinnert daran, dass in den Bundesländern mit dem geringsten Ausländeranteil die Ablehnung gegenüber ebendiesen am größten ist. Tatsächlich lassen sich Windturbinen hinsichtlich der Akzeptanz leichter repowern als neu aufbauen, weil die Menschen den Anblick bereits gewöhnt sind.
Gefordert wurde in der Diskussionsrunde auch, dass es einen Dialog darüber geben müsse, wie mal als Kommune Klimaziele schafft – dass also auch die Gemeinden Verantwortung übernehmen. "Dann wird vielen plötzlich klar: Oh, so viele Dachflächen haben wir ja gar nicht", so Verlinden.
Ruth Brand-Schock. Leiterin des Enercon-Hauptstadtbüros, regte an, eine Vorgehensweise wie bei Windparkprojekten mit hoher Akzeptanz bundeseinheitlich gesetzlich festzuschreiben. "Die regionale Verankerung müsste multipliziert werden", so Brandt.
Wie soll die Politik in den Gemeinden kommunizieren? "Ein Politiker muss eine Haltung haben", betonte Westphal. Er sehe die Energiewende als Chance. Nur Dialog führe zu Vertrauen: "Wenn wir einen Ausbaupfad beschließen: das müssen wir in der Gesellschaft beschließen."
Verlinden verwies auf die Gefahren einer bestimmten Art von Dialog: "Die Diskussion ist vergiftet von bestimmten Akteuren, wenn etwa Vertreter der Union kein anderes Thema mehr haben, als dass Windenergie ganz, ganz schlimm ist."
Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der Genossenschaften, verwies darauf, dass Teilhabe die Akzeptanz verbessert. "Ohne Partizipation wird es nicht einfacher. Aber Genossenschaften kommen nicht zum Zuge!"
Mecklenburg-Vorpommern mit Bürger- und Gemeinden-Beteiligungsgesetz
Moderatorin May brachte in dem Zusammenhang noch das Bürgerbeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern ins Gespräch. Dort wurde gerade der erste Windpark nach dieser Machart errichtet. Der Projektentwickler Baywa RE hat diesen ersten Windpark unter dem 2016 in Mecklenburg-Vorpommern eingeführten Bürger- und Gemeinden-Beteiligungsgesetz (BüGem) errichtet. Der Windpark Schönberg zwischen Lübeck und Schwerin hat eine Gesamtleistung von 18,8 MW und wird in den nächsten Wochen vollständig in Betrieb genommen.
Der von der Umweltbank finanzierte Windpark wurde an die Bürgerwindpark Schönberg GmbH & Co. KG verkauft und geht damit in Bürgerhand über. Bei dem Repowering-Projekt wurden sieben Windenergieanlagen nach rund 20-jährigem Betrieb zurückgebaut und durch acht Enercon-Anlagen vom Typ E92 mit einer Nabenhöhe von 149 Metern und einer Leistung von je 2,3 MW ersetzt.
Der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, sagte, das Projekt sei der Beweis, dass eine stärkere Beteiligung von Bürgern und Gemeinden nicht nur sinnvoll, sondern auch in der Praxis umsetzbar ist. "Bereits vor Jahren haben wir erkannt, dass wir die Akzeptanz gegenüber neuen Windenergieanlagen vor Ort fördern müssen. Mit dem Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz haben wir Verantwortung übernommen – für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus.“
Fest steht: Es muss eine Best-Practice-Lösung her und diese wird in jedem Fall die Bürger stärker einbeziehen - sei es durch vergünstigte Stromtarife für die Anwohner von Windparks oder durch finanzielle oder tatsächlich genossenschaftliche Beteiligung.