Die Strom- und Gaspreiskrise ist vor allem eine Krise von „fossilen und konventionellen Energieträgern”. So formulierte es kürzlich nicht zuletzt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) auf Anfrage des Tagesspiegels[1] zum Thema Gewinnmargen der Erneuerbaren-Energien Branche für das Jahr 2021. In der Tat sind die Kosten für die Stromerzeugung durch Kohle und Gaskraftwerke in den letzten Jahren erheblich angestiegen und drücken in der Konsequenz die Preise nach oben. Hinzu kommen ein stockender Ausbau der erneuerbaren Energien gekoppelt mit Steuern und Umlagen sowie die derzeit hohe Energienachfrage der Industrie.
Ein schneller und forcierter Ausbau der erneuerbaren Energien stellt künftig die beste Absicherung gegen weitere Preisanstiege dar – sowohl an der Strompreisbörse als auch bei Stromtarifen für Endkunden. Dafür spricht das angekündigte Klimaschutz-Sofortprogramm der Ampelkoalition, welches im Rahmen einer Plattform zum klimaneutralen Stromsystem auch eine Änderung des bestehenden Strommarktdesigns vorsieht. Das bestehende Marktmodell hat bislang preisliche Entlastungen an der Strombörse durch erneuerbare Energien verhindert. Der Grund ist eine gleitende Marktprämie, welche im Falle von niedrigen Börsenpreisen Mindestpreise für erneuerbaren Strom festschreibt. Überschreiten die Börsenpreise jedoch diesen Mindestwert, so gehen die zusätzlichen Gewinne vollständig an den Betreiber. Eine Alternative stellen Contracts for Difference (CfD) dar, welche eine Einspeisevergütung vorab festlegen und etwaige Gewinne darüber hinaus einbehalten. Laut aktuellen Berechnungen des DIW[2] ließen sich somit die Kosten für Strom signifikant mindern.
Nicht nur an der Strombörse könnte der steigende Anteil an erneuerbaren Energien jedoch künftig zu Entlastungen führen. Stadtwerke kämpfen seit Jahren mit dem steigenden Wettbewerb am Anbietermarkt und sinkenden Absatzmengen für Strom und Gas. Mit eigenen Erneuerbaren Anlagen oder langfristigen Stromlieferverträgen (PPA’s) lassen sich eine gewisse Unabhängigkeit von der Börse und den extremen Preisschwankungen erreichen und Wettbewerbsvorteile generieren. Auch für Gewerbe und Industriekunden ist das Ausfallrisiko gegenüber Verträgen mit kurzfristig beschaffter Energie externer Versorger geringer, wenn Energieversorgungsunternehmen langfristig auf Strom von regionalen Anlagen zurückgreifen können.
PPA’s stellen hierbei eine marktbasierte Variante eines Stromliefervertrags dar, welche eine langfristige Einspeisevergütung für die erneuerbare Energie festlegt und damit das Strompreislevel absichert. Seit letztem Jahr ist in Deutschland ein Paradigmenwechsel in Bezug auf PPA’s zu beobachten. Power-Purchase Agreements können zudem den weiteren Ausbau von Anlagen fördern, da die Verträge eine Sicherung für kreditgebende Banken darstellen, dass der Kredit zurückgezahlt werden kann.
Besonders Stadtwerke stehen mit Blick auf die Energiewende vor großen Herausforderungen. Der deutsche Energiemarkt ist im Ländervergleich stark dezentralisiert. Somit spielen lokale Energieversorgungsunternehmen eine tragende Rolle bei der Transformation der Energiewirtschaft hin zu Klimaneutralität, begleiteten und organisieren zum Teil aktiv den Umstieg auf neue Erzeugungstechnologien und grüne Energieträger. Gleichzeitig stehen die Unternehmen noch mehr als früher im privaten Wettbewerb und sind auf neue Geschäftsfelder angewiesen, da die Einnahmen aus dem Commodity Geschäft allein nicht mehr ausreichen. Genau an dieser Schnittstelle sind geeignete Plattformen wichtig, die einerseits zur Unterstützung und Visualisierung der Integration von EE-Anlagen dienen, aber auch PP- Anlagen verwalten können, um letztendlich einen hohen Grad an Automatisation zu erzielen. (nw)
[1] https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/geldregen-fuer-die-erneuerbaren[2]
Autor: Sven Neldner, Head Business Development, Alliander AG