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Kommentar

Sagt mal, merkelt ihr noch was?

Ich will der alten Dame nicht alles in die Schuhe schieben. Schließlich haben wir sie lieb gewonnen, als sie für unsere Fußballjungs bei jedem Tor die Arm so niedlich hochriss. Nein, Angela Merkel war oftmals eine Wohltat während ihrer 16-jährigen Amtszeit. Vor allem dann, wenn die Erinnerung an ihren Vorgänger hochkam, den Genossen der Bosse. So eine war sie nicht. Im Gegenteil, die besten Momente hatte sie stets als ruhige Diplomatin, die international die großen Politikegoisten ohne viel Aufhebens zusammenführte. 

Gleichwohl… dieses Weihnachtsfest stand im Zeichen eines blauen Buchs, das als potenzielles, großzügiges, weil über 40 Euro teures, Geschenk auf den vordersten Büchertischen von Thalia und Dussmann glänzte. Die Merkel-Biografie. Und das so kurz vor Weihnachten. Das Buch versprach eine Zeitreise in eine quasi sorgenfreie Vergangenheit. Und danach sehnten sich plötzlich auch diejenigen zurück, die politisch nie viel von den konservativen Parteien zu erwarten hatten. 

Warum ärgert es mich, dass Merkel nun gefühlt unter jedem zweiten Weihnachtsbaum lag, während wir das Ave Maria anstimmten? Die Regenerativbranche hat die Erklärung selbst in den vergangenen drei Jahres der Ampelkoalition in jede Debatte hereingebracht: „16 Jahre Merkel, das waren 16 Jahre Stillstand.“ Sprechen wir an dieser Stelle nicht über die von ihrem Finanzminister Schäuble gehegte und gepflegte schwarze Null, die für eine marode Infrastruktur, ausgeblutete Schulen und Kindergärten und kaputte Kommunen gesorgt hat. Hier nur die Frage: War die Kernidee der schwarzen Null nicht, dass nachfolgende Generationen es besser haben sollen? Und das soll funktionieren, indem man am Bildungswesen spart? Wohl eher nicht. 

An dieser Stelle möchte ich aber den Fokus auf die erneuerbaren Energien lenken: Merkel und ihr Team haben 16 Jahre lang herumlaviert, ohne ernsthafte Schritt für die dringend erforderliche Energiewende einzuleiten. Stattdessen hat Merkel ihren Wirtschaftsminister Altmaier mit für die Branche zerstörerischen Ideen wie der Strompreisbremse gewähren lassen. Immer ging es dabei darum, den Bürger:innen ein negatives Bild der erneuerbaren Energien zu vermitteln. 

Übrigens: Gleichzeitig wurde international alles dafür getan, den Absatz der heimischen Verbrennenschlitten am Leben zu halten. Und auch jetzt, wo die Autobranche kriselt, möchte man am liebsten die ganze E-Mobilität in die Tonne treten. Unions-Bübchen Linnemann wünscht sich den Verbrenner zurück. Dass man durch Festhalten am Altbewährten nun in der E-Mobilität den Chinesen das Feld überlassen hat, macht es nicht besser. It‘s over, baby. Das Ende der Verbrenner ist besiegelt.

Und gleichzeitig haben wir eine hervorragende Regenerativbranche aufgebaut, die händeringend tausende von Mitarbeitern sucht. Jobs mit Zukunft – auch für ehemalige Autobauer... 

Also, bis auf Strompreisbremse und Co. ist der Merkelregierung zu den Erneuerbaren nicht viel eingefallen. Dann kam die Ampel und hatte einen Berg voll Arbeit vor sich, so hoch wie der Mount Everest. Und Wirtschaftsminister Habeck und sein Team haben seither massenweise Gesetze verabschiedet und Hürden aus dem Weg geräumt. 

Aber, wie heißt es so schön: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Ja, die Transformation des Energiesystems bringt Veränderungen mit sich. Veränderungen aber hat es 16 Jahre nicht gegeben. Kein Mensch kann sie leiden. Und wir sind sie auch gar nicht mehr gewöhnt. Lieber soll alles so bleiben, wie es ist. Oder so gut es geht, abgesehen vom Krieg in der Ukraine und vorher Corona. 

Und genau das ist es, was Merkel erreicht hat: Dass die Menschen es während ihrer Amtszeit verlernt haben, Veränderungen auszuhalten. Jetzt müssen wir hoffen, dass unsere Demokratie stark genug ist, um die Wut der Veränderungsunwilligen aufzulösen.  

Nicole Weinhold, Chefredakteurin Magazin Erneuerbare Energien

Silke Reents

Nicole Weinhold, Chefredakteurin Magazin Erneuerbare Energien