In der gesamten Sitzungswoche hat das am Freitag zu Ende gegangene Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos klimapolitisch auf sich aufmerksam gemacht. Womöglich die bedeutendste der auf dem inoffiziellen Treffen von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen von ranghohen Vertretern unterstützten Forderungen ist die nach einem weltweit einheitlichen CO2-Preis. Die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation WTO Ngozi Okonjo-Iweala, sprach sich für ein in aller Welt geteiltes Regelwerk für die Bepreisung der Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) aus. „Ich bleibe überzeugt davon, dass ein weltweit geteiltes Rahmenregelwerk für die Kohlenstoff-Bepreisung das Beste wäre, um Sicherheit für die Wirtschaft und Vorhersagbarkeit für Entwicklungsländer zu gewährleisten“, sagte die Nigerianerin.
Internationale Wirtschafts- und Finanzorganisationen fordern gemeinsamen CO2-Handel
Die Veranstaltungsgesellschaft der WEF verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass WTO, Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa OECD zusammenarbeiten, um die weltweit unterschiedlichen CO2-Bepreisungssysteme in Übereinstimmung zu bringen. Es existierten aktuell 70 solcher Systeme. Dies führe zu Unsicherheit und zur Sorge um faire Wettbewerbsbedenken.
Eine Menge dringender Reformen zu Kohlenstoff-Bepreisung, Import-Tarifen und regulatorischen Angelegenheiten seien notwendig, um die Lieferketten in zeitlicher Übereinstimmung mit den 2030-(Klimaschutz-)Zielen zu dekarbonisieren. Die Länder müssten zudem daran arbeiten, ihre Steuersysteme umzustellen, die bisher häufig Erzeugnisse aus stärker Umwelt verschmutzender Produktion im Vergleich zu sauber hergestellten Gütern weniger belasteten. Diese Ungleichheit zu beenden, würde die weltweiten CO2-Emissionen um 3,6 Prozent vermindern, sagte Okonjo-Iweala.
IWF-Chefin Kristalina Georgieva warb zudem für eine weltweite Durchsetzung des CO2-Emissionsrechte-Handels als bessere Alternative im Vergleich zu sonst anstehenden CO2-Steuern. Zudem mahnte Georgieva dazu, weltweit die Notwendigkeit eines stetig steigenden CO2-Preises zu akzeptieren. Der Geschäftsführer der Standard Chartered Bank, Bill Winters, forderte einheitliche Standards zur Bemessung der Umweltschutzziele. Die Folge dieses fehlenden Maßstabs sei fehlende Akzeptanz: „Wir sind alle damit geplagt, dass wir auch dann des Greenwashings bezichtigt werden, wenn wir das Richtige tun.“
Neues Bankensystem soll Risiken der Energiewende absichern
Patrick Khulekani-Dlamini, Chef der südafrikanischen Entwicklungsbank, mahnte, die Förderbanken müssten für einen schnelleren Klimaschutz bei ihren Finanzierungen künftig mehr Risiken zulassen, die ein Systemwandel erfordere. Dafür müssten allerdings nationale und internationale Entwicklungsbanken besser zusammenarbeiten. Bisher sähen sie sich meist in Konkurrenz. Stattdessen müssten sie künftig ihre Daten teilen. Es brauche einen Pakt der internationalen Entwicklungsbanken zur Förderung erneuerbarer Energien.
Finanzsystem soll Investitionsfähigkeit der Entwicklungsländer sichern
Auch der Generalsekretär der Uno, António Guterres, verlangte mehr Transparenz bei den nationalen Plänen für den Übergang zu einer nachhaltigen Null-Emissions-Wirtschaft. Der oberste Repräsentant der Vereinten Nationen (UN) verwies auf eine von der UN ins Leben gerufene Expertengruppe für Bekenntnisse zu Netto-Null-Emissionen. Unternehmen sollten den dort erarbeiteten Richtlinien folgen.
Guterres wandte sich allerdings auch an die Finanzwirtschaft mit starker Kritik. „Ein moralisch bankrottes Finanzsystem sorgt für systemische Ungleichheiten“. Er verlangte eine neue Finanzarchitektur, die Zahlungsfähigkeit, Schuldenerleichterungen und Langzeit-Fremdkapital-Finanzierungen ermögliche und Entwicklungsländern das Investieren in ihre nachhaltige Entwicklung ermögliche.
EU will Führung bei „Clean Tech“ übernehmen
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erneuerte den von der Europäischen Union (EU) erhobenen Anspruch, weltweit führend in der Herstellung von Clean Tech zu sein – Technologie zur Reduzierung der CO2-Emissionen wie vor allem auch Erneuerbare-Energien-Technik. Zugleich verwies die Chefin der obersten EU-Verwaltungsbehörde auf das EU-Gesetz für eine Netto-Null-Industrie, das von Industrieunternehmen eine emissionsarme Erzeugung über die gesamte Lieferkette hinweg verlangt. Das Gesetz ist dabei nicht zuletzt dafür gedacht, den Wettbewerb insbesondere für chinesische Unternehmen beim Export von Zulieferkomponenten oder beispielsweise Erneuerbare-Energien-Anlagen zu erschweren, die soziale Standards, Arbeitsrechte oder Emissionsstandards nicht einhalten.
Auch der Chef des Chemiekonzerns Solvay, Ilham Kadri, verlangte eine Abwendung von chinesischen Materialien und plädierte für den raschen Aufbau internationaler differenzierter Lieferketten der Unternehmen wohl auch mit politischer Hilfe. Insbesondere bei den sogenannten Seltenen Erden, die für den Bau von Generatormagneten in Erneuerbare Energien-Anlagen sowie in Batterien notwendig sind. Sie sind nur mit hohem Aufwand und flächenintensiver Förderung bei viel Naturverbrauch zu bergen. Bisher sorgte China für das größte Volumen der weltweiten Förderung
Neue Länder für Rohstoff- und Energieimporte
Mehrere Entwicklungsländer aus Afrika und Südamerika boten sich für die Förderung von Seltenen Erden, aber auch die Produktion von grüner Energie wie wohl nicht zuletzt auch grünem Wasserstoff an. So bot der Präsident Tanzanias, Samia Suluhu Hassan, den Export der für Batterien und Generatoren ebenfalls wichtigen Rohstoffe Kupfer, Kobalt und Nickel an. Die Importländer könnten „in Afrika die Rohstoffe bergen, Fabriken eröffnen, Afrika mit Energie versorgen und Energie in andere Länder exportieren“. Insbesondere europäische Länder, vor allem auch Deutschland, suchen derzeit nach Partnerländern für den Import grünen Wasserstoffs. Länder mit mehr freien Flächen für große Erneuerbare-Energien-Anlagenparks, Windparks und Photovoltaik-Großanlagen etwa, würden dann Elektrolyseure errichten, die mit dem Grünstrom den emissionsfrei und vielseitig nutzbaren Energieträger Wasserstoff produzieren. Grüner Wasserstoff soll den Export von Erdgas insbesondere aus Russland für die Wärmeerzeugung oder Industrieprozesse ersetzen. Auch Kolumbien, Brasilien und Costa Rica zeigten ihre Bereitschaft, erneuerbare Energien zu exportieren.
Eine Vielzahl gesonderter internationaler Koalitionen und Kooperationsplattformen für mehr Klimaschutz machte außerdem auf sich aufmerksam.
Regierungschef der Niederlande: Bitte mit Atomkraft
Der niederländische Regierungschef Mark Rutte machte allerdings auch deutlich, dass Klimaschutz nach dem Willen vieler Regierungen in der EU nicht zur vollständigen Energiewende führen soll. Statt einer Versorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien ziehe er einen Energiemix mit einem wichtigen Anteil an Kernkraft vor. „Ich wäre nicht überrascht, wenn viele Länder wieder in nukleare Kapazitäten investieren“, sagte Rutte.