Die Firma Novawind hat gerade die Genehmigung für den Bau eines 60-Megawatt-Windparks im russischen Trunovykiy erhalten. Das liegt in der Region Stawropol im südlichen Teil Russlands, im Nordkaukasus, und hat rund 2,7 Millionen Einwohner. Novawind JSC ist eine Tochter von Rosatom. Der sogenannte Medvezhenskaya Windpark entsteht zudem neben Novawind als gleichberechtigter Anteilseigner eines Joint Ventures mit dem niederländischen Windturbinenbauer Lagerwey, der seit 2018 zum deutschen Turbinenhersteller Enercon gehört. Das Joint Venture - Red Wind B.V. - wurde im November 2017 gegründet und ist verantwortlich für die Lieferung schlüsselfertiger Windkraftanlagen und die Herstellung von Windkraftanlagenkomponenten in Wolgodonsk. Gebaut werden sollen L100-Turbinen von Lagerwey mit jeweils 2,5 MW und drei Turmhöhen (75, 99 und 135 m). Dabei werden wesentliche Komponenten der Lagerwey-Anlagen, einschließlich des Generators, für diesen Windpark von Enercon-Produktionspartnern in Deutschland produziert und nach Russland geliefert. Wegen der in Russland bestehenden „Local Content“-Anforderungen werden für die zukünftigen Teilprojekte die Komponenten durch Red Wind auf Grundlage einer Lizenzvereinbarung in einer neuen Fabrik in Volgodonsk gefertigt.
Die staatliche Atombehörde Rosatom ist seit 2016 mit Windkraft befasst. Nach Unternehmensangabe habe Rosatom das Wissen und die materiellen Voraussetzungen, um einen signifikanten Anteil an diesem neuen Markt zu haben. „Es geht darum, eine komplett neue Industrie in Russland aufzubauen. Der Staatskonzern macht es sich nicht nur zur Aufgabe, Windkraftanlagen zu errichten, sondern auch die technischen Regularien zu erarbeiten, die Mitarbeiter zu schulen, die Standortsuche, Zertifizierung und Forschung und Entwicklung voranzubringen. Wir wissen am besten, wie man neuen Industrien schafft, da wir ständig solche Aufgaben bei der Entwicklung von Atomkraft in Russland und weltweit bewältigen müssen“, heißt es auf Anfrage aus dem Unternehmen.
Die für Red Wind vereinbarte Zusammenarbeit hat einen Umfang von 1 Gigawatt / 388 WEA, die bei insgesamt vier Projekten an verschiedenen Standorten installiert werden sollen. Erste Windparks aus dieser Kooperation sind bereits erfolgreich ans Netz gegangen: Im Projekt Adygea wurden insgesamt 60 Anlagen vom Typ L100/2,5 MW (insgesamt 150 MW) installiert. Derweil ist Enercon nach eigenen Angaben mit Novawind in konstruktiven Gesprächen über eine weitere Zusammenarbeit auch in anderen Ländern Osteuropas. Das Joint Venture aus Lagerwey und Novawind hat 2020 auch die Installation für das zweite Teilprojekts umgesetzt. Für den 210-MW-Windpark wurden im Bezirk Kochubeyevsky in der Region Stawropol im Nordkaukasus 84 x L100 LP2/2,5 MW installiert.
Windpark parallel zum Bau von Atomkraft umsetzen
Zunächst werde man die traditionellen Territorien von Rosatom in Angriff nehmen, wo Rosatom bereits Atomkraft entwickelt, denn dort gebe es bereits Baukapazitäten und Infrastruktur. Das Unternehmen erstehe sehr gut, wie der Windmarkt funktioniert. Der Bau von Atomkraftwerken sei sehr langwierig, parallel könne man mit seinen Partnern sehr gut Windkraftprojekte umsetzen. Allein der Name Rosatom dürfte auf viele aus der Regenerativbranche schon abschreckend sein. Sie leitet die zivile und militärische Atomindustrie des Landes und kontrolliert 151 Produktions- und Forschungsstätten des atomaren Bereiches. Nach Schätzungen von Experten des Europaparlamentes kontrolliert die Agentur 98 Prozent des nuklearen Materials in Russland. Auch die Unbefangenheit gegenüber der Vermischung der Technologien Windkraft und Atomkraft ist etwas ungewohnt. Obwohl natürlich viele Konzerne genau diesen Weg vor vielen Jahren gegangen eingeschlagen. Zum Beispiel Siemens. Letztlich muss man es wohl positiv sehen, dass Russland sind der Windkraft öffnet und Erfahrungen mit ihr sammelt.
Das passiert natürlich längst nicht nur, um die lange Wartezeit zu überbrücken, während ein Atomkraftwerk entsteht. Die Russen blicken zu den Weltmächten China und USA und sehen, dass diese beim Ausbau der erneuerbaren Energien seit Jahren ein immer höheres Tempo einlegen. Sie selbst wirken dem gegenüber in alter Technologie verhangen. Sie wissen, dass sie langfristig weder das Auslandgeschäft noch die eigene Versorgung mit ihrem Gas und Atomkraft bewältigen können. Die Preise für Erneuerbare sind längst unter den Neubau von Atomkraft gefallen – wenn man denn doch irgendwann auch über eine nachhaltigere Entsorgung von nuklearem Restmaterial nachdenkt, statt es im Meer zu verklappen. Und zu guter Letzt hat Russland sind auch dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet und fängt nun allmählich an darüber nachzudenken, was das bedeutet.
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