Spekulationen über COP26: Wird die Weltklimakonferenz in Glasgow ein Flop? Tanja Gönner hofft, dass Glasgow nicht wie einst Kopenhagen wird: Hohe Erwartungen und dann Riesenenttäuschung. Die Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, erinnert daran, dass Entwicklungsländer durch Corona zurück geworfen wurden. „Technicalities“, Detailfragen, seien nun zu klären.
Um „Klimaneutralität als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ ging es auf einem Panel während des Dena Energiewende-Kongresses in Berlin. Mit Moderator Andreas Kuhlmann (Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Energie-Agentur, Dena) diskutierten Tanja Gönner, Henrik Müller ( Lehrstuhl Wirtschaftspolitischer Journalismus am Institut für Journalistik, Technische Universität Dortmund), Armin Nassehi (Inhaber eines Lehrstuhls für Soziologie, Ludwig-Maximilians-Universität München), Bernd Ulrich (Stellvertretender Chefredakteur, Die Zeit) und Karen Pittel. Die Leiterin des Ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen an der Universität München, geht davon aus, dass die COPs noch lange gebraucht werden, zumal es um einen grundsätzlichen, weltweiten Umbau gehe. Gönner hält es dem gegenüber für möglich, dass in Glasgow eine der letzten COPs stattfindet und diese eingestellt werden können, wenn die Pariser Klimaziele und der Weg dorthin auf die Staaten übertragen sind. Dann sei nur noch ein gutes Monitoring nötig.
Bernd Ulrich, frisch aus Glasgow zugeschaltet, sieht positive Aspekte etwa beim Waldschutz und beim Kohleausstieg. Aber auch beim Methan. Der Journalist verweist allerdings darauf, dass die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels eine „unglaubliche Aufgabe“ sei. Auch Deutschland habe das Ziel vereinbart, aber in den derzeitigen Koalitionsverhandlung sei davon nichts zu merken. Karen Pittel verweist ebenfalls auf die Last der Industriestaaten: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt.“ Nun sein ein Grundsignal nötig und dann müsse man fragen: welche Instrument haben wir?
Armin Nassehi sieht eine große Bedeutung im CO2-Preis. Dieser müsse der Gesellschaft aber erklärt werden. Man dürfe den Menschen nicht einfach nur sagen: Das ist jetzt so, das muss so sein. Das reiche nicht. Die Menschen würden ihr Verhalten beim Konsum umstellen, wenn das für sie attraktiv ist.
Henrik Müller hat 2008 das Buch „Die sieben Knappheiten“ geschrieben, viele dort beschriebene Probleme seien inzwischen akut, wie Andreas Kuhlmann betont. Warum seither so wenig passiert ist beim Klimaschutz, erklärt Müller mit der ständigen Priorisierung anderer, kurzfristig akuter Krisen. „Es ist immer etwas anderes los: Finanzkrise, Flüchtlingskrise…“ Die Gesellschaft sei damit überfordert. Bernd Ulrich, der zusammen mit der Fridays For Future Aktivistin Luisa Neubauer das Buch Noch haben wir die Wahl verfasst hat, erklärt, die „Methode der Allmählichkeit“ im Zusammenhang mit dem Klimaschutz in den vergangenen 30 Jahren für gescheitert. Nun würden die Folgen des Klimawandels Zwänge erzeugen. 30 Milliarden Euro hätte allein die Flutkatastrophe verschlungen. Tanja Gönner sieht derweil in der Methode durchaus auch Berechtigung, die Bevölkerung setze sich aus vielen älteren Menschen zusammen, die ein hohes Tempo nicht leisten können. Andererseits bleibt für die Transformation nicht mehr viel Zeit, angesichts der Tatsache, dass auf dem gesamten afrikanischen Kontinent gerade zehn Gigawatt an erneuerbaren Energien verbaut wurden.
Karen Pittel verweist noch auf ein psychologisches Phänomen: Die Mehrheit der Bevölkerung sei für Klimaschutz und zum Beispiel auch gegen Kinderarbeit. Doch wenn es weniger abstrakt wird, denkt jeder an seinen eigenen Vorteil. Mehr zahlen will niemand. Müller fügt an, man wolle sich nicht schuldig machen und fange an zu rechnen: Wenn ich auf Fleisch verzichte, kann ich in den Urlaub fliegen. Man müsse aber aufpassen, dass die Menschen nicht zynisch werden und sich einer extrem rechten Partei anschließen, die sagt: Fahr doch einfach den schmutzigen Diesel.
Die Antwort darauf, wie man der Gesellschaft am besten einen Verzicht zugunsten des Klimas abverlangt, ist noch nicht gefunden. Das wird in der Diskussion. Mit zunehmendem Klimawandel werden Ängste und Zwänge treibende Kräfte. Zuvor muss es eine mutige Politik sein, die mit gesetzlichen Vorgaben ebenso wie mit einem CO2-Preis und anderen finanziellen Mitteln lenkt.
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