Auch Ökostromanbieter müssen sich mehr und mehr anstrengen und um die Gunst ihrer Kunden buhlen. Mittlerweile beziehen über zehn Millionen Menschen in Deutschland schon Ökostrom. Das ist wenig verwunderlich, angesichts der Tatsache, dass der Grünstrom teilweise günstiger ist als der konventionelle Strom. Sind die Deutschen etwa ein Volk der Energiewende-Aktivisten? Leider ist es so einfach nicht.
Was ist Ökostrom?
Diese Frage lässt sich nicht ganz so leicht beantworten. Der Begriff ist noch nicht rechtlich geschützt, so die Angaben der Verbraucherzentrale. Verbindliche Standards gibt es noch keine, auch für die Umwelt gibt es keinen garantierten Nutzen. Aber genau das ist das wichtigste Kaufmotiv bei Stromkunden, die den Anbieter wechseln wollen. Die Werbeversprechen klingen gut. Da ist die Rede von zertifiziertem Ökostrom und Umweltschutz in einem Satz oder von „einem wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende“. Doch für Verbraucher ist das alles sehr undurchsichtig. Wer seinen Anbieter wechseln möchte, kann sich über einen Strompreisvergleich über die vielen verschiedenen Anbieter und deren Preise informieren. Um ganz sicherzugehen, dass nur Ökostromanbieter angezeigt werden, muss nur die entsprechende Schaltfläche bei der Suche aktiviert werden.
Label für mehr Transparenz
Mithilfe von Labels wollen die Anbieter klar definierte Standards vorgeben, damit sich die Verbraucher besser orientieren können. Das ist an sich eine gute Idee. Doch mittlerweile ist die Anzahl an Labels sehr groß und genauso groß ist die Zahl der verschiedenen Kriterien und Anforderungen. Verschiedene Verbraucherschutzorganisationen haben die wichtigsten Label bereits unter die Lupe genommen. Im Ergebnis gab es tatsächlich ein Label, das als sehr empfehlenswert einzustufen ist, und zwar das Grüner-Strom-Label. Auch das ok-Power-Label gilt als empfehlenswert. Alle weiteren Labels sind bedingt oder nicht empfehlenswert.
Ökostrom ist nicht immer gleich Ökostrom
Manchmal kommen auch Atomstrom oder der klimaschädliche Kohlestrom im grünen Mäntelchen daher. Wie das möglich ist?
Hersteller, die Strom aus regenerativen Energiequellen erzeugen, bekommen sogenannte RECS-Zertifikate. RECS steht für „Renewable Energy Certificate System“. Hersteller, die diese Zertifikate bekommen, können diese weiterverkaufen. Norwegen ist ein Land, dessen Stromversorgung fast ausschließlich aus Wasserkraft sichergestellt ist. Deshalb bekommen norwegische Firmen RECS-Zertifikate. Diese verkaufen sie an deutsche Firmen weiter. Mithilfe dieser Zertifikate ist es den deutschen Herstellern von Atom- oder Kohlestrom dann möglich, den billig hergestellten Strom umzuetikettieren und den Verbrauchern weißzumachen, dass es sich um Ökostrom handelt.
Wer hier ganz sichergehen will, sollte zu einem Anbieter wechseln, der sein Produkt mit einem anerkannten Ökostromsiegel verkauft, wie beispielsweise Greenpeace Energy oder Naturstrom. Bei diesen Anbietern gibt es ausschließlich grünen Strom aus erneuerbaren Energiequellen, wie beispielsweise aus Biomasse, Geothermie, Sonnenenergie, Wasser und Windkraft. Dabei ist es allerdings so, dass die reinen Ökostromanbieter teurer sind als die herkömmlichen Anbieter mit ihren Naturstrom-Angeboten.
Der Zusatznutzen ist ebenfalls wichtig
Nur darauf zu achten, dass der Anbieter auch tatsächlich Ökostrom anbietet, ist erst der Anfang. Der Anbieter sollte mit dem Geld, das die Kunden bezahlen, auch die Energiewende vorantreiben. Dazu ist es notwendig, in den Bau neuer Anlagen zu investieren oder sich zumindest an der Finanzierung zu beteiligen.
Die Praxis sieht häufig so aus: Viele Versorger produzieren ihren Strom gar nicht selbst. Sie beziehen ihn beispielsweise aus alten Wasserkraftwerken in Skandinavien. Sie bündeln den Strom nur auf dem Paper und kleben das Ökosiegel drauf. Allerdings verschweigen sie dabei, dass sie ihren Kunden eben nicht nur Ökostrom liefern. Ihr Energiemix besteht aus Ökostrom und zu gleichen Teilen auch aus Kohle- und Atomstrom. Daraus ergibt sich kein Vorteil für die Umwelt.
Die empfehlenswerten Labels hingegen garantieren ihren Kunden, dass ein festgelegter Teil der Einnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung Verwendung findet. Bei einigen Anbietern wandert von jeder Kilowattstunde, die verkauft wird, ein bestimmter Anteil direkt in einen Fonds. Beim Grüner-Strom-Label, das es bereits seit 1998 gibt und das eines der ältesten seiner Art ist, kommt ein halber Cent pro Kilowattstunden in einen Fonds. Von diesem Geld werden dann in Zukunft neue Anlagen gebaut. Das Grüner-Strom-Label wird von verschiedenen Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden unterstützt, wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) oder dem Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Nachhaltige Energie aus der Steckdose?
Ganz so einfach ist es nicht. Aus der Steckdose kommt immer der gleiche Strom, also keinesfalls reiner Ökostrom. Dabei spielt es keine Rolle, von welchem Anbieter die Verbraucher ihren Strom beziehen. Viele Verbrauchern denken nun (fälschlicherweise) so: Es spielt also doch gar keine Rolle, welches Label der Strom trägt. Auch das ist nicht ganz so einfach. Die Entscheidung der Verbraucher für Ökostrom hat dennoch Konsequenzen. Denn je mehr Verbraucher einen Anbieter auswählen, der seinen Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewinnt, umso höher wird der Anteil der regenerativen Energien am gesamten Stromaufkommen. Das heißt: Wenn sich viele Verbraucher für Ökostromanbieter entscheiden, dann fließt am Ende auch mehr Ökostrom in die Stromversorgung. Davon haben letztendlich alle etwas.
Der Wermutstropfen
Bei den verschiedenen Ökostromlabeln spielen Umweltaspekte eine wichtige Rolle. Die grünen Siegel sagen bisher aber nichts darüber aus, inwieweit bei Betrieb oder Errichtung der Anlagen Tiere Schaden nehmen, beispielsweise bei den Turbinen der Wasserkraftwerke. Das ist noch eine Marktlücke, die unlängst ein „veganer“ Stromversorger aus Ludwigshafen entdeckt hat. Allerdings gibt es dafür kein Siegel.
Autorin: Kerstin Schmitt