Wir müssen reden. Nicht über Trump. Nicht jetzt. Nicht über dessen wenig überraschenden Angriff nach seinem Dienstantritt als US-Präsident auf die von seinem Vorgänger Obama eingeleitete Klimaschutzpolitik der USA. Nicht über mögliche Energiewende-freundlichen Koalitionsmöglichkeiten hierzulande – nach der Bundestagswahl im September. Auch wenn theoretisch aus anderen Fraktionen zusammengesetzte Koalitionen - jenseits von Schwarz-Rot - falsche Reformen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurücknehmen könnten. Auch nicht über Sigmar Gabriel. Jedenfalls nicht darüber, ob es nach ihm im Energieministerium besser oder nicht besser für die Erneuerbaren werden kann.
Wir, die an einer stetig voranschreitenden Energiewende in Deutschland interessierten Menschen, müssen über das Desinteresse der Führungsfiguren in der SPD an der Energiewende reden. Das betrifft zunächst tatsächlich Gabriel: Der SPD-Parteivorsitzende und Wirtschafts- und Energieminister will seiner SPD nicht mit seinen schlechten Popularitätswerten im Weg stehen. Er wird daher nicht der Kanzlerkandidat im Wahlkampf im Sommer sein. Und außerdem will er vorher noch als Außenminister seinen Parteifreund Frank-Walter Steinmeier ablösen. Dieser soll bei der SPD als Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten zum ranghöchsten Mann im Staat werden.
Ausgerechnet beim Kongress „Energiewende“ der Wirtschaftszeitung Handelsblatt gab Gabriel vorgestern, am Dienstag, diese Pläne bekannt. Nur die Wochenillustrierte Stern wusste es schon vorher, denn die veröffentlichte da im Internet schon ein mit Gabriel geführtes Interview, in dem er bereits seine hier skizzierten Personal-Schachzüge erläuterte.
Beim Handelsblatt-Kongress war für Gabriel zwar auch die Energiewende Thema. Was hätte sie auch anderes sein sollen, bei einem Kongress, der Energiewende heißt. Doch nach einer Bilanzrede darüber, was alles angeblich unter seiner Amtsführung als Energieminister für sie erreicht worden ist, wurde Gabriel rasch unkonkret. Er sagte nichts Konkretes dazu, wie die Energiewende denn weiter gehen soll.
Wie von unserer Gastautorin Hanne May berichtet, hatte Gabriel im Wesentlichen erklärt, dass er in den vergangenen drei Jahren als zuständiger Minister Ordnung in die Energiewende gebracht habe: Den Ausbau der Erneuerbaren auf das Tempo abgebremst, das den Netzausbauern das Aufholen erlaubt auf den hohen Anteil schon heute am Stromnetz angeschlossener Wind- und Solarenergieleistung. Außerdem habe er die vorher vielen, nebeneinander drehenden Rädchen der Energiewende zu einem funktionsfähigen Getriebe zusammengebaut.
Dass sich Gabriel lobt, ist hierbei natürlich nicht zu beanstanden.
Doch negativ muss auffallen: Gabriel unterließ jeglichen Aufruf an seine von ihm ausgerufene Nachfolgerin: Seine Noch-Staatssekretärin und frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, ebenfalls SPD. Wie er die von ihm gesetzlich abgebremste und eingehegte Energiewende in den nächsten Schritten durch flankierende Gesetze im Gesamt-Stromsystem komplettiert sehen will, sagt er nicht. Auch zur Sektorenkopplung wird er nicht konkret: Mit ihr soll nach dominierender Meinung bei zu reichlich Stromproduktion aus Wind und Sonne die überflüssige Elektrizität in Wärmebrennstoff wie Windgas umgewandelt werden, oder in Treibstoff wie Wasserstoff oder eben in Batteriestrom fürs Elektroauto. Das erhöht die Nutzbarkeit der Erneuerbaren und lässt sofort höhere regenerative Anteile an der Energieversorgung zu.
Auch die von Gabriel berufene Nachfolgerin, Zypries, hat bisher noch nichts zum Thema gesagt. Außer dass sie sich auf das neue Amt freut.
So viel Schweigen zur Energiewende ist vielsagend. Gilt sie doch als zentrales Element der Regierungspolitik unter Schwarz-Rot. Auch der neue Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, hat sich seit Dienstag nicht zur Energiewende geäußert.
Daher liegt Katrin Göring-Eckardt ganz richtig. Die Parteivorsitzende der Grünen liegt ganz richtig, wenn sie zur Frage nach ihren Gefühlen zur Kanzlerkandidatur durch Schulz statt Gabriel sagt: Das sei noch nicht zu beurteilen. „Schulz muss erst erklären, was er für Deutschland will“.
Zur Energiewende hat er seither noch nichts gesagt. Zugleich will die SPD auch nichts zu ihren Koalitionswünschen verlautbaren. Dabei dürfte bekannt sein, dass eine neuerliche schwarz-rote Koalition den Erneuerbaren-Ausbau nicht besser als bisher fördern würde.
Ohne den Wunsch des scheidenden Wirtschaftsministers, welche Gesetze die Energiewende noch dringend braucht, ohne eine Aussage Gabriels/von Schulz zur gewünschten Koalition nach der Wahl, ohne Interesse der kommenden Wirtschaftsministerin an fortschrittlichen Reformen des Energiesystems – ohne all das, kann die SPD in der Energiepolitik nicht mehr glaubwürdig irgendein Interesse vortäuschen.
(Tilman Weber)