Kann man auf seine Mitglieder zugehen, um sie davon abzuhalten sich als Bürgerenergiegesellschaft auszugeben?
Hermann Albers: Für uns als Verband ist es wichtig, unsere Arbeit darauf auszulegen, sachlich und sachgerichtet für die Branche nutzgerichtet und mit den richtigen Instrumenten zu arbeiten. Dabei auf einzelne Unternehmen einzugehen, ist zunächst nicht unsere Aufgabe und ich glaube, das bringt uns auch nicht weiter. Das Erste, was die Bundesregierung dazu sagen würde, wäre: die zerfleischen sich gegenseitig. In der Tat hat die Branche eine Tendenz mit dieser Entwicklung der Ergebnisse möglicherweise sich selbst zu schaden.
Andere Verbände sehen das Ausschreibungsergebnis von 4,28 Cent im Durchschnitt relativ positiv. Können Sie das nachvollziehen?
Hermann Albers: Ich habe diese Entwicklung kommen sehen und es wird sich fortsetzen. Hinzu kommt die misslungene regionale Verteilung. Den Zahlen zufolge, sind nur zwölf Prozent der Zuschläge in die südliche Hälfte der Republik gefallen. Nordrhein-Westfalen ist nicht gut weggekommen. Das wird in diesen Bundesländern Kritik auslösen. Im Vorfeld gab es eine Debatte, ob die Umrechnungsfaktoren im Referenzvertragsmodell richtig gesetzt sind.
Zudem ist das Ausschreibungsinstrument gleichzeitig auch ein Wettbewerbsinstrument ist. Damit steht sozusagen frei, ob Gesetzgeber die Vergabe nur nach den tatsächlich vorgelegten Angeboten oder Preisen handhaben. 70 Prozent der Zuschläge sind an ein Unternehmen gegangen. Für mich ist es nicht leicht, das in einer öffentlichen Darstellung auch gegenüber der Vielzahl unserer Mitglieder zu vertreten. Das Ziel der Akteursvielfalt im Markt ist nicht erreicht worden.
Gäbe es denn eine Möglichkeit, die Ausschreibungen so umzugestalten, dass die kleinen bis mittelständischen Projektierer eine bessere Chance erhielten?
Hermann Albers: Das Instrument der Ausschreibung bringt für kleine bis mittelständische Projektierer große Probleme mit sich. Kapitalstarke Unternehmen können vorfinanzieren, weil für diese heute im Zweifelsfall keine Kredite anzunehmen sind. Für ein mittelständisches Unternehmen, welches zwingend auf eine Kreditfinanzierung angewiesen ist, wird es sehr schwer sein, mitzuhalten. Ob eine CO2-Bepreisung in den nächsten ein bis drei Jahren kommen wird, ist nicht gesagt. Sehr kapitalstarke Unternehmen können sich im Zweifel auch über längere Zeit vorfinanzieren oder sich bei Anlegern diese Mittel einholen. Oder Unternehmen haben heute schon Verträge in der Tasche oder sie können ihren erzeugten Strom erfolgreich vermarkten. Diese Verträge müssen allerdings eine lange Laufzeit haben.
Im Zweifel müssen wir aus der Mitte unserer Mitglieder und Verbände einen grünen Energieversorger aufbauen. Ansonsten stürzen wir uns in eine massive Abhängigkeit von Wettbewerbsunternehmen, die das schon können. Hier hat unsere Branche etwas versäumt, das sich in der Ausschreibung deutlich rächt.
Der BWE hatte sich vor Festlegung der Ausschreibungsbedingungen für eine De-minimes-Regelung eingesetzt, die kleine Projekte von Ausschreibungen ausschließt und in der Festpreisvergütung belässt. Das würde die jetzigen Probleme des Mittelstands auflösen, oder?
Hermann Albers: Wir werden spätestens nächsten Sommer, nachdem die ersten beiden Runden der Ausschreibungen mit Baugenehmigungen gelaufen sind, eine Zwischenauswertung der Ergebnisse machen. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung daran Interesse hat, die 2.800 Megawatt aufgrund von Mängeln im Instrument deutlich zu unterschreiten. Ein transparentes, einfaches Instrument wie De-minimes, bei dem weitere Definitionen nicht nötig sind, wäre sinnvoll. Definieren zu wollen was Bürgerenergie ist, kann dagegen keinem Gesetzgeber gelingen. Die Bundesregierung spricht jetzt von zehn Gesellschaftern. Wir haben Zurufe unserer Bürgerenergiegesellschaften, es müssten 50 oder sogar 100 sein. Eine diskriminierungsfreie, einfache und offene De-minimes-Regelung wäre hier die bessere Variante.
Wie bekommen mittelständische Unternehmen derzeit die Finanzierung überhaupt noch hin?
Hermann Albers: Inwieweit können sich die Banken hier noch Finanzierung vorstellen und wie verändert sich diese? Ob die Unternehmen, welche hier geboten haben, sich genau Gedanken gemacht haben, warum und wie sie das schaffen, das werden wir jetzt evaluieren.
Wird bei den Ausschreibungen mit einem künftigen Strompreis spekuliert?
Hermann Albers: Gutachten von Bloomberg und Energy Brainpool prognostizieren einen Strompreis von 5,5 bis 7 Cent im Jahr 2030. Abhängig ist die Annahme von dem tatsächlichen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Das muss im Sinne eines Ausstiegsplans entworfen werden oder über eine zielführende CO2-Bepreisung.
Große Versorger, die bei Ausschreibungen zum Zuge kommen, müssten also selbst für einen Kohleausstieg eintreten.
Hermann Albers: Ja, je mehr Zuschläge an die alte Energiewirtschaft gehen, umso größter dürfte das Interesse daran sein, tatsächlich alte Drecksschleudern aus dem Markt zu nehmen.
Sind niedrige Preise für einen weltweiten Durchbruch der erneuerbaren Energien im Fokus oder ist die Akteursvielfalt eher von Bedeutung?
Hermann Albers: Die Bundesregierung versucht derzeit den Spagat zwischen einem vollen Wettbewerb und den günstigsten, denkbaren Preisen, bei dem aber auch Akteure gefordert sind. Es ist eine Grundsatzentscheidung für eine dieser beiden Thesen, weil sie sich nicht vereinen lassen. Das ist auch ein Warnsignal an unsere mittelständische Branche und die realpolitische Perspektive unserer Bundesregierung.
Interview: Nicole Weinhold