Weil in Frankreich seit November ein Großteil der Atomkraftkapazität nicht zur Verfügung steht, hat sich der Stromexport ins Nachbarland massiv erhöht. Am 20. Dezember hatte das vom Fraunhofer-Institut Fraunhofer Ise betriebene Strommarkt-Monitoring-Portal Energy-Charts.de um 8 Uhr morgens einen aktuellen Höchststand des französischen Stromimports aus einer Erzeugungsleistung von 12,7 Gigawatt (GW) angezeigt, davon mit genau knapp 3,072 GW am meisten aus Deutschland. Der für Energy-Charts.de zuständige Fraunhofer-Ise-Experte Bruno Burger schrieb dazu den Hinweis im Online-Mitteilungskanal Twitter: „Frankreich hat heute von allen Nachbarländern Strom importiert, um den Mangel an eigener Erzeugung durch die defekten Kraftwerke auszugleichen.“ Am Folgetag sprang das Leistungshoch für den Stromexport nach Frankreich um 9 Uhr sogar für eine Dauer von zwei Stunden auf ein Niveau von über 13 GW. Und wieder einen Tag darauf, am 22. Dezember, um 9 Uhr, betrug der Spitzenwert für den französischen Stromhunger gemessen am Leistungsimport sogar 13,5 GW. Der Anteil des Imports aus Deutschland daran betrug jeweils 4,466 und 3,845 GW.
Wie am 18.12. beispielsweise auch in der auflagenstärksten deutschen Abonnement-Tageszeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), macht die seit November anhaltende französische Abschaltwelle nun auch Schlagzeilen in Deutschland. „Frankreich schaltet leistungsstärkste Atomkraftwerke“ ab, überschrieb die FAZ ihren Bericht anlässlich des Herunterfahrens der beiden Blöcke des Atomkraftwerks (AKW) Chooz mit jeweils 1,45 GW. Sie gehören zu den vier leistungsstärksten AKW-Meilern des Landes zusammen mit den beiden schon ab August heruntergefahrenen Blöcken im AKW Civaux mit ebenfalls jeweils 1,45 GW. In Civeaux seien Fehler in der Nähe von Schweißnähten an Bauteilen bei einer Prüfung ans Licht gekommen. Die Wartungstrupps tauschten die entsprechenden Bauteile nun aus. Zwei Tage zuvor hatte TV-Sender ARD im Nachrichtenprogramm Tagesschau von Rissen aufgrund von Korrosion an Rohren berichtet. Weil der Schaden danach auch am zweiten Civaux-Block zum Vorschein kam, schaltet der staatliche Betreiber EDF nun „vorsorglich“ auch die Meiler von Chooz ab – und erhöht die Stromlücke so auf 6 GW. Ohnehin meldeten die Franzosen schon im November aufgrund von Problemen infolge der Coronapandemie, dass die Wartungsteams ihre Arbeit an den AKW nicht plangemäß durchführen könnten.
Die von der Atomkraftwerksflotte herrührenden Versorgungsprobleme Frankreichs, das 70 Prozent der im Land erzeugten Elektrizität aus AKW bezieht, treiben derweil die Handelsstrompreise in neue Rekordhöhen. Darauf verwies schon am 15. Dezember der ehemalige Landesvorsitzende des Bundesverbandes Windenergie in Bayern und jetzige Vorstand im Anti-AKW-Forum „Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik“, Raimund Kamm: Im November habe der Ausfall von sogar zwölf AKW-Blöcken landesweit die Börsenstrompreise in Frankreich bereits auf 21,7 Cent pro Kilowattstunde (kWh) in Frankreich und 17,7 Cent pro kWh in Deutschland getrieben. Im Dezember führte dieser Einfluss sogar zu einem Preisanstieg der Day-Ahead-Handelswerte, also im Großhandel von Strommengen ein Tag im Voraus, in Frankreich auf 27,4 Cent und in Deutschland auf 21,6 Cent pro kWh.
Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren seit 2013 hatte der gemittelte Jahreshandelswert bei konstant unter 4 Cent gelegen, 2016 und 2020 sogar noch bei bestenfalls 3 Cent. Mitverantwortlich für die hohen Preise ist allerdings auch ein seit Juni zu beobachtender starker Aufwärtstrend der Preise aufgrund der Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten. Hier wirken internationale Handelskriege, ein aufflammender asiatischer Energiebedarf sowie logistische Probleme infolge der Coronapandemie.
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