Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Europas größtes Regenerativ-Vorhaben

Greenpeace will RWEs Braunkohle-Revier kaufen

Nicole Weinhold

Greenpeace Energy will nicht mehr kleckern, sondern klotzen. Fürs Klima, für Arbeitsplätze – gegen die Kohle. Seit Jahren wird über einen Kohleausstieg diskutiert. Immer wieder tun sich neue Hindernisse auf, wie zuletzt das Bremsen und Feilschen um Milliarden vonseiten der Kohleländer. Allen voran Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff. Kurzum: Es geht nicht voran mit dem Kohleausstieg, während das Klima rasant den Bach runter geht. Der UN-Klimabericht macht es jetzt wieder deutlich.

Und da kommt Greenpeace Energy mit einer Idee, die das gesamt rheinische Revier von Kohlekraftwerken und Tagebau befreit – und den Menschen dort neue Jobs und darüber hinaus neue Möglichkeiten der Wertschöpfung bietet. Der Plan klingt gewaltig: Greenpeace Energy will das rheinische Revier von RWE übernehmen, die drei Kohlekraftwerke Neurath, Niederaussem und Weisweiler schließen und dort erneuerbare Energien errichten. Das ganze Gebiet soll zudem renaturiert werden.

Angstbehaftetes Thema

Bei der Pressekonferenz zu diesem Vorhaben sagte Marcel Keiffenheim, Sprecher von Greenpeace Energy, gestern, gerade habe man RWE sowie Bund und Länder informiert. Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy, führt das Großprojekt aus. „Das ist ein Lösungsansatz für ein angstbehaftetes Thema. Wir wollen dort Europas größtes Regenerativprojekt realisieren und drei Kohlekraftwerke schließen.“ Das Konzept sehe vor, dass die ersten Kraftwerksblöcke mit zusammen zwei Gigawatt (GW) schon 2020 abgeschaltet werden. Im gleichen Zug würden Wind und Solar ausgebaut. Bis 2028 könnte die gesamt Leistung aus Braunkohle abgeschaltet werden. Die Erneuerbaren könnten dort bis dahin 3,76 GW Windleistung und 4,36 GW PV liefern.

Untersuchung des BMWi

40 Prozent Eigenkapital sind vorgesehen. Das entspricht sieben Milliarden Euro. Eine Rechtsanwältin der Kanzlei Günther, Roda Verheyen, betrachtet die juristische Seite des Vorhabens. „Die Flächen sind derzeit raumplanerisch anders vorgesehen. Aber wenn Landesregierungen das Projekt wollen, dann kann das im Zeitrahmen geändert werden.“ Zu berücksichtigen sei auch noch die Bergbausicherheit. Aber: Die getroffenen Annahmen würden auf einer Untersuchung des BMWi beruhen, das den Rechtsrahmen geprüft hat. Es stehe kein rechtlicher Aspekt im Wege.

Fabian Huneke von Energy Brainpool stellt die Ergebnisse einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vor. Der Barwert der Kraftwerke wird für das Jahr 2025 auf 153, 29 Millionen Euro geschätzt. Die Rechnung setzt sich zusammen aus Erlösen und dem gegenüberstehenden Kosten wie etwa dem CO2-Preis aus dem Emissionshandel. „Die Kosten steigen schneller als die Erlöse, weil CO2-Emissionen deutlich teurer werden“, so Huneke. „Bis die Kraftwerke irgendwann nicht mehr wirtschaftlich sind.“ 2028 sei laut Energy Brainpool mit einem positiven Abschluss zu rechnen.

In den Händen der Kommunen

Geplant ist die Gründung von zwei Gesellschaften. 1. Eine Flächengesellschaft in den Händen der Kommunen soll von RWE die Flächen zur Renaturierung übernehmen. Das Geld, das RWE für die Renaturierung zurückgelegt habe, reiche da nicht aus, so Tangermann. RWE-Mitarbeiter sollen in diese Gesellschaft überführt werden. Sie verpachtet wiederum Flächen an Genossenschaften für erneuerbare Energien in der Region. Die zweite Gesellschaft soll eine Betriebsgesellschaft für die Wind- und Solaranlagen dort werden.

Finanziert werden sollen die erneuerbaren Energien unter anderem über alle Bürger, die investieren wollen. Hermann Falk von der GLS-Bank Investment weist darauf hin, dass 93 Prozent der Deutschen die Energiewende wollen. 2017 seien 15,7 Milliarden Euro in erneuerbare Energien in Deutschland investiert worden, 8,7 Milliarden von Bürgern. „Wir bieten nun ein Investment an und setzen auf die vorhandene Bereitschaft.“

Geld für RWE

384 Millionen Euro will Greenpeace Energy an die Flächengesellschaft zahlen. Das Geld ist für RWE, damit die Firma keinen Schaden nimmt. Außerdem gehen jährlich 45 Millionen Euro Pachtzahlungen an die Flächengesellschaft.

Um die Renaturierung zu finanzieren, schlägt Falk einen Infrastrukturfonds vor. Das Problem sei zu groß, als dass Greenpeace Energy das allein stemmen könnte. Arbeitsplätze sollen bei Rückbau, Renaturierung und dem Ausbau der Erneuerbaren entstehen. Eine dritte Gesellschaft könnte die ehemaligen RWE-Arbeiten fortbilden. Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung geht auf die regionalökonomischen Effekte ein. Sein Institut habe gerade dasselbe für die Lausitz durchkalkuliert. „Wenn man so viel Regenerativstrom produziert, entstehen zusätzliche Produkte und Abnehmer. Die Industrie könnte den Strom abnehmen. Viele Nebeneffekte sind zu erwarten.“ Das Vorhaben ist ohne EEG-Vergütung gerechnet worden. Florian Zerzawy, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS), weist darauf hin, dass 582 Millionen Tonnen CO2 von den drei Kraftwerken ausgestoßen werden, wenn nichts passiert. 13 Millionen Tonnen könnten schon 2020 eingespart werden. Nochmal 228 Millionen Tonnen bis 2030.

8,2 GW Erneuerbare

Tangermann weist darauf hin, dass das ein sehr großes Vorhaben ist. „Wir initiieren es, führen es aber nicht selbst durch. Dafür haben wir nicht die Mittel.“ Er fasst zusammen: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben, 8.000 Jobs bleiben erhalten, 8,2 GW Erneuerbare werden ausgebaut, 9,5 GW Braunkohle abgeschaltet. Größte Herausforderung: „RWE müsste sich entschließen mitzumachen und sich von der Kohle verabschieden.“ Und auch die staatlichen Stellen müssten mitspielen. „Wir brauchen staatliche Gelder, aber das ist ein Minimum dessen, was beim Strukturwandel sonst nötig wäre“, so Tangermann. 3,6 Millionen Euro werden wohl insgesamt gebraucht.