Durch das Jahreshaushaltsgesetz für das Jahr 2023 ist in Frankreich ein mit Staatsmitteln ausgestatteter Garantiefonds eingerichtet worden. Dieser sichert Zahlungsansprüche von EE-Anlagenbetreiber:innen aus langfristigen Lieferverträgen (“PPAs”) mit privaten Abnehmern – in aller Regel industriellen Großkund:innen – ab. Vor einigen Tagen ist das erste Corporate PPA (“CPPA”) mit einer solchen Garantie unterzeichnet worden.
Hintergrund
Lange Zeit waren die Entwicklung und der wirtschaftliche Betrieb von EE-Anlagen ohne staatliche Förderung kaum vorstellbar. Dementsprechend war die Sicherung eines Fördertarifs über den Abschluss eines entsprechenden Vertrags – aktuell überwiegend in Form eines sog. Marktprämien- oder Zusatzvergütungsvertrags – de facto eine unabdingbare Voraussetzung, um eine Fremdfinanzierung zu bekommen.
Spätestens seit dem extremen Anstieg der Energiepreise seit Mitte des Jahres 2021 zeichnet sich hier eine Trendwende ab. Aufgrund des Niveaus der Marktpreise ist die wirtschaftliche Attraktivität der Fördertarife für Betreiber:innen von EE-Anlagen gesunken. Umgekehrt ist gerade bei industriellen Großverbraucher:innen das Interesse gestiegen, ihren Energiebedarf bzw. ihre Energiekosten möglichst langfristig zu sichern. Aufgrund der, insbesondere bei der Stromerzeugung aus Onshore-Windparks und PV-Anlagen, günstigen Produktionskosten stellen diese eine ernstzunehmende Alternative gegenüber anderen Lieferquellen dar.
Je länger die Laufzeit eines solchen Liefervertrags, desto schwieriger ist es jedoch für die Anlagenbetreiber:in/Lieferant:in, das Risiko eines Ausfalls ihrer Abnehmer:in abzusichern. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist durch Art. 148 des Jahreshaushaltsgesetzes für 2023[1] ein mit Staatsmitteln ausgestatteter Garantiefonds aufgelegt worden. Die Funktionsweise dieses Fonds ist durch einen Erlass vom 10. Februar 2023[2] genauer festgelegt worden.
Konkret erfolgt die Absicherung des Ausfallrisikos durch die BPI FRANCE (die eine vergleichbare Funktion wie die deutsche KfW hat), die im Auftrag des Staates die auf der Deckung durch den staatlichen Garantiefonds basierende sogenannte “Garantie Electricité Renouvelable” aufgelegt hat. Sie ist bislang die einzige Anbieterin in diesem Segment.
Wer kann den Garantiefonds in Anspruch nehmen?
Die Möglichkeit zum Abschluss einer Garantie unter diesem Garantiefonds ist an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden, unter anderem an diese Bedingungen:
· Begünstigte: nur Betreiber:innen von neuen (nicht bereits in Betrieb befindlichen) Onshore-Windparks oder PV-Anlagen; Betreiber:innen von Biogasanlagen können die Garantie also aktuell nicht in Anspruch nehmen;
· Vertragspartner:innen: nur Industrieunternehmen mit einem Kreditrating der Banque de France zwischen1+ und 6+
· jährliche Mindestabnahmemenge: 10 GWh
· nur “physische” Lieferverträge
· Mindestlaufzeit des PPA: 10 Jahre
· wichtig: Betreiber:in darf von den Abnehmer:innen keine weiteren Sicherheiten verlangen.
Umfang und Funktionsweise der Garantie
Wirtschaftlich funktioniert die Garantie im Wesentlichen wie eine Kreditversicherung, jedoch mit einigen Besonderheiten, die an den Marktprämienmechanismus erinnern:
· Inanspruchnahme erst bei Nichtzahlung von mindestens drei Monatsrechnungen
· Höhe der Entschädigung: Differenz zwischen (i) dem Produkt aus der tatsächlich erzeugten Strommenge und 80 % des vertraglich vereinbarten PPA-Preises und und (ii) dem Produkt aus der tatsächlich erzeugten Strommenge und dem durchschnittlichen Marktpreis
· ist die Differenz zwischen (i) und (ii) negativ (d.h. der durchschnittliche Marktpreis liegt höher als 80 % des vereinbarten PPA-Preises), so wird die Differenz dem Garantiegeber gutgeschrieben und gegen spätere Entschädigungsansprüche der Betreiber:in verrechnet
· optional kann für den Marktpreis ein Betrag vereinbart werden, unterhalb dessen die Garantie nicht mehr greift (prix plancher)
· Abrechnung und Zahlung erfolgen monatlich
· Dauer: für eine PPA-Laufzeit von bis zu 25 Jahren
· Kosten: abhängig von (i) Erzeugungstechnologie, (ii) Laufzeit und (iii) durchschnittlicher jährlicher Stromproduktion.
Praktische Bedeutung
Ein erstes CPPA mit Absicherung durch den Garantiefonds ist am 12. Oktober 2023 unterzeichnet worden[3]. Vertragspartner sind die zur französischen Arkolia-Gruppe gehörende Betreibergesellschaft eines Solarparks mit einer Leistung von 10,4 MWp sowie Bonduelle, eine bekannte Herstellerin von Gemüsekonserven. Derzeit sind eine Reihe weiterer Anträge auf Absicherung durch den Garantiefonds in Bearbeitung. Die aktuelle Dotierung des Garantiefonds würde es ermöglichen, CPPAs über die Produktion von EE-Anlagen mit einer kumulierten Leistung von ca. 500 MW abzusichern. Der Fonds wird also auf absehbare Zeit nicht ausgeschöpft sein.
Autor: Hans Messmer, Rechtsanwalt und Avocat au Barreau de Paris von Sterr-Kölln & Partner
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[1] https://www.legifrance.gouv.fr/download/file/e4HmJimfbrDd-CZ1nKjegM1EHFQ2DgWXsjxXY-a5RFQ=/JOE_TEXTE
[2] https://www.legifrance.gouv.fr/download/pdf?id=3moJtl8Gesxg05r_oq87F-KELtTwoJ45raJrljlFkV0=
[3] Hier geht es zur Pressemitteilung der BPI: https://presse.bpifrance.fr/signature-du-1er-contrat-de-garantie-relatif-a-lapprovisionnement-en-electricite-de-long-terme-pour-des-industriels-lorsquils-sont-adosses-a-des-installations-renouvelables