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Energiewende & Atomausstieg

Erneute Kritik an Energiewende der Bundesregierung

Die Energiewende der Bundesregierung steht erneut in der Kritik. Das auf den Weg gebrachte Gesetzespaket sei mit heißer Nadel gestrickt, teilten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Bundesverband Windenergie (BWE) in einer gemeinsamen Erklärung mit. „Wenn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so verschlimmbessert wird, dass der Ausbau der Windkraft an Land behindert wird und die energieintensive Industrie zu viele Schlupflöcher bekommt, wird wertvolles ökologisches Porzellan zerschlagen“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die Geschwindigkeit, mit der die Bundesregierung die neuen Regelungen umsetzen wolle, sei extrem ambitioniert und berge die Gefahr sachlicher Fehler. „Besonders im Bereich der Windenergie an Land führen die geplanten Maßnahmen eher zu einer Vollbremsung als zu einer Beschleunigung“, sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Einem zügigen Atomausstieg sei es nicht dienlich, wenn sich die Bundesregierung bereits im Herbst einem Fehlerbeseitigungsgesetz widmen müsse.

Wenig gesetzgeberische Maßnahmen für Energieeinsparungen und mehr Effizienz

An den acht vorgelegten Gesetzentwürfen bemängeln die Verbände außerdem, dass darin das Stromsparen als wirtschaftlichster und klimafreundlichster Beitrag zum schnelleren Atomausstieg vernachlässigt werde. In ihrer Regierungserklärung am 10. Juni hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betont, dass alle noch so ehrgeizigen Maßnahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien nicht ausreichten, wenn es nicht gelänge, die Energieeffizienz in Deutschland zu steigern. „Von dieser weisen Einsicht ist im aktuellen Gesetzespaket jedoch nur wenig zu sehen“, heißt es im Hintergrundpapier „Stromeffizienz – Vorschläge des BUND zu einem Stromspar-Sofortprogramm“. Allein durch bereits am Markt verfügbare Stromsparmaßnahmen könnten in Deutschland demnach 70 bis 110 Terrawattstunden (TWh) Energie – die Stromproduktion von sieben bis zehn Atommeilern – eingespart werden. Deshalb fordert der BUND von der Bundesregierung ein ambitioniertes nationales Energieeffizienzgesetz und auf EU-Ebene die Schaffung einer wirksamen Effizienz-Richtlinie, um vorhandene Einsparpotenziale zu nutzen.

BUND: Strombedarf in Deutschland muss jährlich um zwei Prozent sinken

Verbindliches Ziel müsse es sein, den Strombedarf in Deutschland um mindestens zwei Prozent pro Jahr zu senken, schreibt der BUND weiter. Um das zu erreichen, müssten unter anderem Energieversorger und Unternehmen zur Beteiligung an Einsparaktivitäten und zu weitreichenden Effizienzmaßnahmen verpflichtet, einkommensschwache Haushalte beim Energiesparen unterstützt und die jeweils effizientesten und besten Produkte auf europäischer Ebene zum Standard gemacht werden. Außerdem sollen Politik und Verwaltung nach den Vorstellungen des BUND durch eine ökologisch und energiesparend ausgerichtete Nachfrage für die schnelle und kostengünstige Verbreitung innovativer Effizienztechnologien sorgen.

45 statt 35 Prozent erneuerbare Energien als Ausbauziel für 2020 anstreben

„Die erneuerbaren Stromquellen haben mehr Potenzial, als die Bundesregierung glaubt“, sagte der BUND-Vorsitzende Weiger. Als Konsequenz forderte er den Bundestag auf, das Ausbauziel von 35 Prozent erneuerbarer Energie bis 2020 im EEG auf 45 Prozent zu erhöhen. Zudem beanstandete er das Vorhaben, energieintensive Industrien von den Kosten für die erneuerbaren Energien noch stärker als bisher auszunehmen: „Obwohl gerade energieintensive Unternehmen von den durch die Erneuerbaren gesunkenen Preise an den Strombörsen stark profitieren, wurden ihre Privilegien immer weiter ausgedehnt.“ Aufgrund dieser Ausnahmen zahlten alle anderen Verbraucher schon jetzt jährlich zwei Milliarden Euro, die eigentlich die Industrie zahlen müsste. 

BWE: Vergütungskürzungen für Windenergie an Land problematisch

Besonders problematisch für den BWE sind die in der EEG-Novelle vorgesehenen Vergütungskürzungen für die Windenergie an Land. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung stehe damit den Empfehlungen des von ihr selbst beauftragten wissenschaftlichen Begleitgutachtens entgegen. „Es ist schon erstaunlich, dass die Regierung das Gutachten und die Meinung der Sachverständigen vollkommen ignoriert“, sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Klar sei, dass die Bundesländer ihre Ausbau- und Klimaziele nicht erreichen können, wenn das EEG in der von der Bundesregierung geplanten Form verabschiedet werde. 

IWES: Auf zwei Prozent Fläche bis zu 65 Prozent des nationalen Strombedarfs erzeugbar

Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg sehen BUND und BWE noch erhebliche Potenziale für den Ausbau und die Modernisierung (Repowering) von Windkraftanlagen. Windenergie an Land hat nach Ansicht beider Verbände das größte Potenzial und ist die kostengünstigste erneuerbare Energie. Daher seien Atomausstieg und Klimaschutz nur mit zusätzlichen Windrädern zu bewältigen. Eine vom BWE in Auftrag gegebene Studie des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) belegt, dass sich bundesweit auf lediglich zwei Prozent der Fläche bis zu 65 Prozent des nationalen Strombedarfs erzeugen lässt. 2050 könnten demnach über 60.000 Windenergieanlagen mit einer Leistung von zusammen 189 GW eine Strommenge von rund 390 TWh pro Jahr liefern. Zum Vergleich: Dem BUND-Positionspapier Windenergie zufolge waren in Deutschland Ende 2010 etwa 21.000 Anlagen mit gut 27 GW Gesamtleistung und einer jährlichen Stromliefermenge von circa 50 TWh installiert.

(Andreas Haude)