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Energiesystemwende

10 Jahre Abschaffung der physikalischen Wälzung im EEG

Eberhard Holstein

Die EEG-Umlage ist ein wesentlicher Bestandteil des Strompreises – und gilt immer wieder als Zankapfel um den Erfolg und Misserfolg der Energiewende. Denn vor allem weniger gut informierte Verbraucher und Meinungsmacher sehen in der EEG-Umlage ein Preisschild für den Ausbau der Erneuerbaren. Seit 2009 ist die EEG-Umlage von damals 1,2 Cent pro Kilowattstunde auf aktuell 6,4 Cent gestiegen. 2020 ist von einem weiteren leichten Anstieg auszugehen.

Zankapfel EEG-Umlage

Bis heute beruht der Streit über die Gründe der gestiegenen EEG-Umlage insbesondere auch auf dem Wälzungsmechanismus. Vor rund zehn Jahren wurde dieser reformiert. Er regelt, wie die Abgaben der Verbraucher über die Stromvertriebe an die Übertragungsnetzbetreiber und schließlich an die Erzeuger erneuerbarer Energie weitergereicht werden.

Ausgangspunkt physikalische Wälzung

Ausgangspunkt war die sogenannte physikalischen Wälzung. Nach dem Kohlepfennigurteil von 1994, mit dem die Sonderabgabe auf den Strompreis zur Finanzierung des Ausstiegs aus der Steinkohle als verfassungswidrig untersagt wurde, wurde im EEG ein rechtmäßiger Mechanismus zum Eintreiben der Mehrkosten in der Stromerzeugung gegenüber der bestehenden Erzeugerlandschaft aus Kern-, Kohle- Gas- und Wasserkraft eingesetzt. Dieser sah vor, dass monatlich die Strommengen, die gemäß EEG produziert wurden, als Bänder im übernächsten Monat in die Portfolien der Stromvertriebe übernommen wurden. Diese Bänder wurden mit den entstandenen Mehrkosten bepreist und so ein Geldtransfer von den Vertrieben zu den ÜNBs hergestellt. Dieses Verfahren, das auch als physikalische Wälzung bezeichnet wird, erschien zunächst korrekt und neutral.

Unerwünschte Nebeneffekte

Nachdem jedoch die EEG-Mengen Monat für Monat anstiegen, stellten die Vertriebe im Jahr 2006 fest, dass ihnen zunehmend erhebliche Beträge im Geldbeutel fehlten. So recht verstand niemand, wie es dazu kam. Fünf Kollegen aus dem Fachausschuss Stromvertrieb des BDEW schlossen sich daher mit der Absicht, die Erneuerbaren dauerhaft stabil zu fördern, drei Tage in einem Besprechungsraum der Stadtwerke Hannover ein und malten auf große Tapeten alle Geldflüsse, Stromflüsse, gesetzgeberische Absichten, reale Wirkung und mögliche sinnvolle Regelung auf. Das Ergebnis war blankes Entsetzen!

Eines der Ergebnisse war natürlich eine Antwort auf den Mittelabfluss von den Vertrieben. Die Zahlen über die reale Produktion der EEG–Anlagen waren damals allein in der Hand der Netzbetreiber – und wurden nur mit reichlich Verzögerung weitergegeben. Konsolidiert wurden die Daten erst im Folgemonat. Und erst kurz vor dem darauffolgenden Monat wurden die Ergebnisse, nämlich Bändervolumen und Preis bekanntgemacht. Das war natürlich in einem Mittelmaß von den Vertrieben auch eingeplant. Tatsächlich schwankte die EE- Produktion aber gewaltig. Wenn das Band nun größer wurde, mussten alle Vertriebe die überschießende Menge verkaufen; damit bestand Überangebot und die Preise verfielen. Umgekehrt verlief es bei einer fehlenden Menge. Damit mussten die Vertriebe das Problem der Gleichzeitigkeit und der Marktreaktion alleine ausbaden.

Die Reform der Fehlallokation

Das war in den Jahren 2001 bis 2005 zunächst nicht gleich bemerkt worden. In 2006 jedoch lag der Verlust bereits in der Größenordnung der Rohmarge (0,7ct/kWh) der wettbewerblichen Vertriebe. Wir Stromvertriebe waren uns einig, dass diese Fehlallokation behoben werden musste. Im Jahr 2009 wurde die Fehlallokation mit dem Beschluss der Ausgleichsmechanismenverordnung behoben. Statt der physikalischen Wälzung wurde nun eine sogenannte finanzielle Wälzung eingeführt.

PV-Boom führt zu Erhöhung der EEG-Umlage

Was für Auswirkungen hatte dies auf die EEG-Umlage selbst? Natürlich blieben jetzt die Kosten der Fluktuation bezogen auf den Marktpreis, nicht jedoch auf den Regelenergieaufwand, in der Umlage und diese stieg dadurch geringfügig an. Dies war jedoch im Rahmen des neuen Wälzungsmechanismus eine gewünschte, verursachergerechte Zuordnung der Kosten.

Wenig später geschah ein völlig anders Ereignis: in den Jahren 2009, 2010 und 2011 explodierte der Zubau der Solarenergie. Statt dem anvisierten Ausbaukorridor von 2 – 2,5 GW/a zu folgen, kamen Zubauraten von 8,9 und 11 GW/a zustande. Diese hatten jetzt ebenfalls wieder einen Markteinfluss: Wesentlich stärker als bei der Windeinspeisung sind die Erzeugungszeitreihen der PV-Anlagen zeitnah ähnlich. Trier liegt etwa 40 min später als Cottbus, aber ansonsten sind alle doch mittags hoch, d.h. PV-Strom wird weiterstgehend zeitgleich eingespeist. Dies führte über die Zubauraten hinaus zum völligen Einbruch der Strompreise um die Mittagszeit in den Monaten Mai bis September und damit zu wesentlich höheren Zusatzkosten aus der Differenz der an der Börse ermittelten Werthaltigkeit des produzierten Stromes und den zugesagten Einspeisetarifen.

Mit dem Wegfall der physikalischen Wälzung hatte dieser Effekt nichts zu tun, infolge der Zeitgleichheit wurde dies jedoch in Kreisen der Erneuerbaren angenommen, da der andere Effekt für Menschen außerhalb der Stromwelt eigentlich nicht verstehbar ist.

EEG-Umlage-Mechanismus fit machen für massiven EE-Zubau

Die Abschaffung der physikalischen Wälzung vor rund zehn Jahren war ein richtiger und alternativloser Schritt, um die Finanzflüsse im EEG zwischen Verbrauchern hin zu den Erzeugern erneuerbarer Energie zu organisieren. Die steigende EEG-Umlage war damals weder Intention noch unmittelbare Konsequenz aus der Ausgleichsmechanismenverordnung von 2009. Dafür waren andere Faktoren ausschlaggebend.

Inzwischen liegen die Stromgestehungskosten bei Wind und Sonne jedoch längst in einem wettbewerblichen Bereich, zumal bei Einpreisung der externen Kosten der fossilen Stromerzeugung. Die Energiewende ist in diesem Sinne überaus erfolgreich. Gleichwohl ist es an der Zeit, die Energiesystemwende einen Schritt weiter zu bringen. Wir müssen uns für eine Zukunft vorbereiten, in der kein unkompensiertes CO2 entsteht. Das EEG in seiner ursprünglichen Form muss überführt werden in eine gesamtheitliche Regulatorik. Dabei darf die Stromproduktion, die später auch Gebäudewärme und Mobilität tragen soll, nicht allein die Bürden den Vergangenheit tragen, sondern wir brauchen vielmehr einen festgelegten steigenden Korridor für einen sektorübergreifenen CO2-Preis. Und damit eine Beteiligung aller fossilen Brennstoffe an der Finanzierung der Energiewende.

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Dieser Beitrag ist in der Onlineausgabe des Fachmagazins „ERNEUERBARE ENERGIEN“ erschienen und ist Teil einer Kolumne der Reiner Lemoine Stiftung zur EnergieSystemWende. Darin kommen regelmäßig Autorinnen und Autoren zu Wort, die für die Reiner Lemoine Stiftung (RLS) sowie das Reiner Lemoine Institut (RLI) aktiv sind oder gemeinsam mit RLS und RLI an Projekten zur Transition des Energiesystems arbeiten.

Eberhard Holstein war seit den 1970er Jahren in leitender Funktion im Energiemarkt tätig und ist Mitglied im Kuratorium der Reiner Lemoine Stiftung.

Bisher erschienen sind:

- Fabian Zuber: Energiewende in der Sackgasse

- Dr. Kathrin Goldammer: Kein Widerspruch: Erneuerbare und energiewirtschaftliche Ziele

- Clemens Triebel: Speichertechnologien entfesseln

- Paul Grunow: (Keine) Innovationsfähigkeit der Konzerne

-Eberhard Holstein: Energiesystemwende ganz sicher: Ohne Atomenergie

-Mascha Richter: Ein Energiesystem im Wandel

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