Nicole Weinhold
Markus Lesser, Vorstandsvorsitzender der PNE AG aus Cuxhaven, spricht im Interview mit ERNEUERBARE ENERGIEN über verpasste Chancen und die Gefahr von Know-how-Verlust.
Welcher internationale Markt ist für Sie am attraktivsten?
Markus Lesser: Frankreich. Da sind die Rahmenbedingungen für uns gut. Auch deshalb, weil eine signifikante Menge an Megawatt dort umgesetzt werden kann. In Deutschland haben wir, wie bekannt, einen Genehmigungsstau. Wobei man sagen muss, dass auch dort nach Genehmigung oft Klagen anstehen. In jedem Fall aber hat man ein beträchtliches Volumen und dort sieht man, dass die Regierung etwas tun will.
Würde es uns das am deutschen Markt auch helfen, wenn die Regierung sich zur Energiewende bekennen würde?
Markus Lesser: Insgesamt betrachtet enttäuscht das Klimapaket. Es enthält zwar wichtige Weichenstellungen, es fehlt jedoch der wirksame und verlässliche Rahmen, der die Energiewende ermöglicht und neue klimafreundliche Geschäftsmodelle und Technologien an den Markt kommen lässt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist hierfür die Voraussetzung und Windenergie ein wesentlicher Hauptlieferant für die Energie, die für eine konsequente Systemumstellung benötigt wird. Um die gesteckten Klimaziele überhaupt erreichen zu können ist es dringend erforderlich, am Klimapaket nachzusteuern.
Was braucht die Branche jetzt am ehesten?
Markus Lesser: Positiv zu bewerten sind der im Klimapaket angedachte Wegfall des Photovoltaikdeckels und die Anhebung des Ausbaupfads bei der Windenergie auf See auf 20 GW bis 2030. Die vorgesehenen Ausbauziele für Wind an Land werden jedoch nicht erwähnt. Die Vorgabe von bundeseinheitlich pauschalen Abständen bei der Windenergie an Land ist nicht nachvollziehbar. Mit einer solchen Regelung wäre das Ziel 65 Prozent aus erneuerbaren Energien bis 2030 kaum zu schaffen, trotz der Deckelöffnung in anderen Technologien. Weiterhin fehlen Aussagen zu verbindlichen Flächenzielen. Bekanntlich werden mindestens zwei Prozent der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie Onshore benötigt, um die Klimaziele erreichen zu können. Das Klimapaket sieht unverständlicherweise keinerlei Regelungen für den Abbau von Hürden bei der Genehmigung von Windenergieprojekten vor. Um den Ausbau effizient und zielstrebig zu gestalten, muss ein wesentlicher Fokus auf dem Abbau von Hemmnissen liegen.
Thema Wasserstoff: Der soll ja demnächst auch auf dem Meer hergestellt werden, an Offshore-Windparks.
Markus Lesser: Ja, auch wir beschäftigen uns mit dem Gedanken.
Warum soll man das machen?
Markus Lesser: Sie haben viele Volllaststunden auf See und der Elektrolyseur kann in größeren Einheiten gebaut werden. Die Wirtschaftlichkeit des Elektrolyseurs ergibt sich unter anderem aus diesen Faktoren.
Haben Sie da ein konkretes Projekt?
Markus Lesser: Es sind ja Testfelder angekündigt. Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema und nähern uns Stück für Stück an. Wir betreten da Neuland, so wie man das vorher Offshore hatte.
Könnte es für Deutschland ein Vorteil sein, wenn man auf diesem Gebiet schon jetzt Erfahrungen hat?
Markus Lesser: Ja. Wenn wir Wasserstoff-Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien ins Ausland bringen, dann ist das eine gute Sache. Etwa nach Afrika oder Asien: Energie steht für Wasser, Arbeit, Essen. Da haben wir mit einer Wasserstofflösung eine gute Perspektive. Und mit Wasserstoff löst man das Problem, dass man dort oft keine Netze hat. Für Strom brauchen wir eine Leitung, für Wasserstoff brauchen wir keine. Netze kosten viel Geld und Zeit. Manchmal 10 bis 15 Jahre bis zur Umsetzung. Wenn wir da keine Lösung finden, wird der Druck durch Migration größer werden. Dort wachsen Städte manchmal um 30 bis 50.000 Menschen im Monat. Wie soll man da so schnell eine Infrastruktur aufbauen. Genauso im ländlichen Raum. Dort könnten die künftigen Industriezonen entstehen. Aber nur, wenn sie genügend Energie bekommen. Ich glaube nicht, dass es in jedem Land machbar ist, kurzfristig mehrere 100 Kilometer lange Höchstspannungstrassen entstehen zu lassen.
Was planen Sie für 2020?
Markus Lesser: Wir sind in Deutschland mit mehreren Projekten im Genehmigungsverfahren. Einige könnten davon nächstes Jahr baureif sein. Das unterstützt unsere Planung, ein 200-MW-Portfolio aufzubauen. Rund 100 MW davon haben wir am Ende des Jahres voraussichtlich zusammen. In Frankreich sind einige Projekte im Planung und in der Umsetzung. Zudem entwickeln wir PV-Projekte – auch mit Blick auf mögliche Kombinationen Wind/PV in verschiedenen Ländern. Auch da könnte sich im nächsten Jahr etwas konkretisieren. In Deutschland, Frankreich, USA erwarten wir vor diesem Hintergrund weitere Ergebnisse. Wir arbeiten konkret am ersten Hybridprojekt in Deutschland mit PV, Wind und Batterien.
Wo liegen die Herausforderungen bei der Windparkplanung im Ausland?
Markus Lesser: Man muss zum Beispiel länderspezifische Grundstücksverträge abschließen. Man bringt die Technik mit, um Projekte mit hohem Qualitätsstandard zu entwickeln. Dies sind Voraussetzungen, um Projekte auch international finanzierungsfähig zu gestalten und damit die Realisierungschancen dieser Projekte stark zu erhöhen. Und eine Rolle spielt auch, dass wir in einigen Ländern PPA-Märkte haben. Zum Beispiel Schweden ist so ein Markt. Dort finanzieren Banken nur Projekte, die auch Stromabnahmeverträge haben.
Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?
Markus Lesser: Der Abschluss von Stromabnahmeverträgen (PPA) durchläuft eine Lernkurve, die uns in Deutschland irgendwann zu Gute kommt. Man muss sich mit den Themen auseinandersetzen und die Marktpartner kennen. Dann geht es um zum Beispiel die Fragen: Was ist der Inhalt des PPAs? Werden alle Mengen abgenommen oder muss man verpflichtend bestimmte Mengen liefern? Wir haben zum Beispiel in diesem Jahr einen PPA in Deutschland mit Lichtblick vereinbart.