Bürgerregenerativparks stehen groß im Kurs. Diesen Sonntag wurde zum Beispiel der Bürgerwindpark Haaren-Leiberg eröffnet. Der Windpark mit 20 Windenergieanlagen und 45,7 Megawatt Leistung produziert seit Ende 2013 Strom. Mit einer Investitionssumme von über 80 Mio Euro eine der größten Investitionen für die Region in jüngerer Zeit. 100 Kommanditisten aus der Gemeinde und der Nachbargemeinde, sowie eine Genossenschaft mit 750 Bürgern haben die Eigenfinanzierung komplett gestemmt. Eine beachtliche Leistung. Aber am Ende steht die Region hinter dem Projekt, auch weil sie unmittelbar profitiert.
Wie ist bei den Gestaltern des Projektes die Einschätzung zu den geplanten Ausschreibungen? Kerstin Haarmann, Sprecherin des Projekts, stellt fest: "Ausschreibungen sind unnötig und fehlerhaft. Untersuchungen an Ausschreibungen in Europa haben längst gezeigt, das der Ausbau der Erneuerbaren dadurch nicht billiger und erst recht nicht langsamer erfolgt."
Ein Viertel aller Ausschreibungen für Bürger
Greenpeace Energy schlägt nun einen festgeschriebenen Wettbewerbs-Schutz für kleinere Bürgerenergie-Projekte vor. Im Rahmen der geplanten Ausschreibungsregeln könnte demnach ein genau definiertes Projekt-Kontingent ausschließlich für Bürgerinitiativen und Genossenschaften ausgewiesen werden. Dadurch würden kleinere Anbieter nicht dem unfairen Wettbewerb mit Konzernen ausgesetzt und aus der Energiewende verdrängt. Dieses Segment könnte zum Beispiel ein Viertel aller geförderten Neubau-Projekte ausmachen. Derzeit werden vom Bundeswirtschaftsministerium Ausschreibungsregeln für Photovoltaik-Freiflächenanlagen erarbeitet, dann wird sich eine Testphase anschließen. Dort könnten die Greenpeace-Energy-Vorschläge schon angewendet werden.
Marcel Keiffenheim, Leiter Energiepolitik bei Greenpeace Energy, erklärt, warum es so wichtig ist, die Bürger mit ins Boot zu holen: "Aus unserer Sicht war und ist die Bürgerenergie beziehungsweise die Vielfalt der Akteure integraler Bestandteil der Energiewende." Würde man es ausschließlich einer Handvoll Konzerne überlassen, neue Anlagen zu planen und zu bauen, so wäre dies nach seiner Auffassung nicht zielführend – auch deshalb, weil diese großen Player laut Keiffenheim in der Regel kein großes Interesse am kostengünstigen Aufbau einer dezentralen, intelligenten und ökologisch ausgerichteten Energieinfrastruktur haben. "Zudem entscheidet die tatsächliche Teilhabe der Bevölkerung – also der Bürgerinitiative, Kommune oder Genossenschaft vor Ort – am Anlagenbau letztendlich auch mit über die Akzeptanz für das Gesamtprojekt Energiewende. Das bedeutet: Je mehr Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen in Bürgerhand entstehen, desto größer wird die Zustimmung zum Umbau des Energiesystems insgesamt."
Die Bundesregierung will die Energiewende möglichst günstig gestalten. Ob Ausschreibungen überhaupt dazu beitragen, muss sich tatsächlich erst noch zeigen. Gleichzeitig heißt es aber auch, dass Bürgerprojekte nicht so niedrige Preise machen können wie Konzerne. Damit würden Konzerne also eine preiswertere Energiewende ermöglichen. Würde also im Umkehrschluss eine Sonderregelung für Bürger den Preis in die Höhe treiben? "Grundsätzlich glauben wir nicht, dass große Konzerne Anlagen per se kostengünstiger planen und bauen als kleinere Akteure, deren Renditeerwartungen in der Regel geringer sind als die großer Player", sagt Keiffenheim. "Große Anbieter sind bei Ausschreibungen grundsätzlich im Vorteil, weil sie entstehende Risiken auf mehrere, parallel geplante Projekte verteilen können." Durch diesen Vorteil bestehe jedoch die Gefahr, dass Monopolstrukturen entstehen, die in der Regel zu höheren Kosten führen. Eine solche Entwicklung belegten laut Greenpeace Energy auch negative Erfahrungen mit Ausschreibungen im europäischen Ausland, wie etwa in Frankreich oder den Niederlanden: dort konnten die gewünschte Kosteneffizienz oder die Ausbauziele nicht in größerem Maß erreicht werden. Auch Erfahrungen aus dem außereuropäischen Ausland zeigten laut Keiffenheim, dass Ausschreibungen nur für große Projekte sinnvoll sind und ein Risiko für die Akteurs-Vielfalt bedeuten.
Nun stellt sich noch die Frage, ob Bürger die einige Gruppe sind, die gestärkt werden müssten. "Die geplanten Ausschreibungen würden in der Tat auch kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligen, die eine große Schnittmenge mit Bürgerenergie-Projekten aufweisen", so Keiffenheim. Grundsätzlich ist aber eine Förderung des Mittelstands über die in der EU geltenden KMU-Regelungen bereits gegeben. (Nicole Weinhold)