Die Bundesregierung hat es wahr gemacht. Sie hat mit der Strompreisbremse für die Energieverbraucher auch eine Gegenfinanzierung vorgeschlagen. Diese soll über die Abschöpfung von Gewinnen der Stromproduzenten geschehen, die über den üblichen Erwartungen der Analgenbetreiber liegen. „Auch wenn die Großhandelspreise für Strom zuletzt zurückgegangen sind, verbleiben die Strompreise in Deutschland und Europa weiterhin auf einen deutlich höheren Niveau als vor der Krise“, schreiben die Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums in ihrer jetzt vorgelegten Formulierungshilfe für ein Gesetz, das im Bundestag beraten werden kann.
Rückwirkende Regelung geplant
Doch was ist konkret geplant? Grundsätzlich sollen zunächst einmal nur Anlagen ab einer Leistung von einem Megawatt betroffen sein. Die sogenannten Überschusserlöse werden auf der Basis der Spotmarktpreise ermittelt. Wenn die Erlöse diese Preise übersteigen, sollen sie abgeschöpft werden, und zwar rückwirkend ab dem 1. September 2022 und bis mindestens zum 31. März 2024. Die Bundesregierung argumentiert die rückwirkende Regelung damit, dass die Anlagenbetreiber ab diesem Zeitpunkt mit einer Abschöpfung der Übergewinne rechnen konnten. Ob dies Bestand hat, wird sich noch zeigen.
90 Prozent werden einbehalten
Von der Abschöpfung der Übergewinne sind auch Anlagenbetreiber betroffen, die ihren Strom direkt oder mittels PPA vermarkten. Im Falle der Photovoltaik ist es dabei gleichgültig, ob es sich um eine Dach- oder eine Freiflächenanlage handelt. Die Mehrerlöse sollen aber nicht komplett abgeschöpft werden, sondern nur zu 90 Prozent. Die restlichen zehn Prozent können die Anlagenbetreiber behalten, damit sie ihre Stromerzeugung weiterhin nach den Preissignalen am Strommarkt ausrichten.
Sicherheitsaufschlag für Anlagenbetreiber
Bei Anlagen, die in einer Ausschreibung eine Marktprämie gewonnen haben, gilt ein zusätzlicher Sicherheitsaufschlag von drei Cent pro Kilowattstunde, die die Anlagenbetreiber noch behalten können. Dazu kommen noch sechs Prozent des jeweiligen Monatsmittelwertes des Strompreises, der für die jeweilige Technologie ermittelt wurde. Der Sicherheitszuschlag fällt bei Ü20-Anlagen und bei Anlagen in der Direktvermarktung weg. Betreiber, die ihren Strom mittels PPA vermarkten, können einen Sicherheitszuschlag von einem Cent pro Kilowattstunde behalten.
Erzeugungsdaten und Übergewinne melden
Hier kann der Anlagenbetreiber allerdings auch Kosten geltend machen – etwa für Pachtzahlungen für Flächen, auf denen der Generator steht. Auf der anderen Seite werden auch sogenannte Absicherungsgeschäfte in die Berechnung der Übergewinne einbezogen. Um die tatsächlichen Übergewinne ermitteln zu können, sind die Anlagenbetreiber verpflichtet, ihre Erzeugungsdaten spätestens vier Monate nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungszeitraums ihrem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber zu melden. Die Erzeugungsdaten müssen viertelstündlich aufgelöst sein. Zusätzlich müssen die auch die nach den Vorgaben des Strompreisbremsengesetzes errechneten Übergewinne selbst ausrechnen und dem Übertragungsnetzbetreiber mitteilen. Andernfalls drohen Strafen in Höhe von bis zu fünf Millionen. Zusätzlich droht die Bundesregierung dann noch damit, die dreifache Höhe der Mehrerlöse in Rechnung zu stellen.
Widerstand in Sicht
In den Branchen der erneuerbaren Energien erhebt sich Widerstand, dass auch die Ökostromanlagen jetzt für die Verfehlungen der letzten Bundesregierungen herhalten müssen, die schließlich den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft tatkräftig gebremst und Deutschland in die fossile Abhängigkeit gedrängt haben. So warnt der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) vor einer Investitionsbremse für den Klimaschutz und die Energiewende in Milliardenhöhe. Er appelliert an die Mitglieder des Bundeskabinetts und des Bundestages, den Gesetzesentwurf so nachzubessern, dass die Strompreisbremse nicht durch unverhältnismäßige Eingriffe in den Solarmarkt und die Erlöse von Solaranlagenbetreibern finanziert werden. „Die Strompreisbremse darf nicht zu einer Energiewendebremse werden“, betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar.
Investoren nicht abschrecken
Er argumentiert, dass mehr Kosten anfallen, wenn die Bundesregierung durch die Strompreisbremse die Ausbauziele verfehle, weil durch die Erlösabschöpfung Investoren in Ökostromanlagen abgeschreckt würden was die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verlängert. „Eine tatsächliche Kostenentlastung wird es nur dann geben, wenn die Bundesregierung die Energiewende jetzt tatsächlich weiter beschleunigt und nicht abwürgt. Jeder Euro, der in der Solarwirtschaft abgeschöpft wird, kann weniger in neue Solarprojekte investiert werden“, argumentiert Körnig.
Rechtsgutachten erstellt
Die Bundesregierung wehrt sich auch gegen den Vorwurf, die Übergewinnabschöpfung wirke sich auf die Investitionsentscheidungen negativ aus. Schließlich seien diese vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine getroffen worden, der als Auslöser der Energiekrise gilt. Diese Übergewinne seien von den Anlagenbetreibern betriebswirtschaftlich nicht eingeplant gewesen, so dass die errichteten Anlagen weiterhin profitabel wirtschaften können. Ob dies als Argument so durchgeht, bleibt abzuwarten. Denn ein Rechtsgutachten der Kanzlei Raue in Auftrag des Ökoenergieanbieters Lichtblick hat festgestellt, dass eine Annahme fiktiver Erlöse rechtswidrig sei und es zu einer Klagewelle seitens der Branchen der Erneuerbaren kommen könnte.
Verhandelte Preise nicht berücksichtigt
Die Autoren des Gutachtens haben die Problematik an einem Beispiel klar gemacht. Sie haben angenommen, dass der Betreiber einer Bestandsanlage über einen längeren Zeitraum ein PPA zu einem fixen Preis von 120 Euro pro Megawattstunde abschließen will. Wenn die Regierung aber hier nicht den vereinbarten Preis zugrundelegt, sondern den kurzfristigen Spotmarktpreis für die Abschöpfung heranzieht, liege der Spotpreis beispielsweise bei 300 Euro. Dann würden vom Anlagenbetreiber nach dem im Gesetz vorgesehenen Mechanismus rund 164 Euro abgeschöpft. Er bekommt aber nur 120 Euro, was jedoch unberücksichtigt bleibt. Schließlich solle die Regelung der Erlösabschöpfung für alle PPA gelten, die ab dem 1. November 2022 abgeschlossen werden.
Gefahr der Preissteigerung
Die Gutachter befürchten dann, dass sich die Betreiber der Anlagen aus dem PPA-Geschäft zurückziehen und auf den Spotmarkt ausweichen. Mit dem damit verbundenen Wechsel der Vermarktungsform entfallen auch die Herkunftsnachweise, warnen die Autoren des Gutachtens. Dadurch stehen Versorgern wiederum weniger Mengen an Ökostrom für ihren Vertrieb zur Verfügung. Beide Effekte treiben die Strompreise für Endkund:innen mittelfristig in die Höhe. (su)